#56 – EverDrive 64

Jetzt habe ich euch schon in einigen Artikeln unterschiedlichstes Zubehör des Nintendo 64 vorgestellt. Eines der wichtigsten (wenn nicht das wichtigste) Accessoire habe ich dabei aber vergessen (oder gezielt ausgelassen um einen eigenen Blogartikel darüber zu schreiben? Ihr entscheidet! ;)).

Das EverDrive-64 ist eine sogenannte „Flashkarte“, welche es ermöglicht, N64-ROM-Dateien von einer SD-Karte zu laden und auf dem Nintendo 64 abzuspielen. Damit das klappt, müssen die Spiele (ROM-Dateien) in digitaler (und legaler) Form vorliegen. Legale Sicherheitskopien können – wie wir ja bereits wissen – z.B. mit dem Doctor V64 erstellt werden. Das EverDrive kann als fertiges Modul oder als Platine mit etwas „Bastelarbeit“ erworben werden.

Der Charme des EverDrive-64 ist, dass man die Spiele weiterhin auf originaler Hardware spielen kann und nicht auf einen Emulator ausweichen muss. Auch ist das EverDrive etwas für Sammler, welche ihre originalen Module lieber im Regal stehen lassen möchten. Umgangssprachlich könnte man also sagen es ist ein „Alle-Spiele-in-einem-Modul“-Teil! 😀

Fun Fact: Offiziell werden solche Flashkarten häufig als „Entwicklerwerkzeug“ verkauft um fiesen Rechtsstreitigkeiten und Zollbestimmungen aus dem Weg zu gehen! 😉

Auf der Rückseite kann man sehen, dass auf der Platine ein CIC-NUS-7101-Chip verlötet ist. Dieser wird benötigt, um die „Authentizität“ des Moduls zu bestätigen. Wer sich an die „region locking madness“ aus Artikel 37 erinnert, weiß das aber alles schon! 😉

Mit dem verlöteten Chip ist es möglich, nahezu alle N64-Spiele mit dem EverDrive zu spielen. Für einige spezielle Spiele der englischen Entwicklerfirma „Rare“ sind allerdings Patches notwendig um das Speichern zu ermöglichen, bzw. damit die Spiele überhaupt starten. Ich hasse „region locking“…

Fun Fact: Findige Bastler haben die Funktionsweise der CIC-Chips via reverse engineering (sehr interessante Präsentation) herausgefunden und einen „UltraCIC“ gebastelt, welcher alle CIC-Typen emulieren kann. Würde man diesen in das EverDrive einlöten, könnte man sich das Patchen der „speziellen“ Handvoll Spiele sparen.

Selbstverständlich schaut eine lose Platine immer blöd aus. Aus diesem Grund macht es Sinn das EverDrive in ein N64-Modul zu verfrachten. Ich habe mich bei meinem EverDrive für ein schwarzes Case, welches ich von einem defekten „Turok 2: Seeds of Evil“-Modul recycelt habe, entschieden – das ist optisch einfach etwas ansprechender als die typisch grauen N64-Module! 🙂

Fun Fact: Das EverDrive wird von einem ukrainischen Programmierer entwickelt und produziert. Mittlerweile kann man es in diversen Shops erwerben, aber ich habe meine Version damals bei einem spanischen Videospiel-Shop gekauft. Globalisierung. 😀

Damit die Platine samt bestückter SD-Karte auch in das Gehäuse passt, musste ich die SD-Karte etwas zurechtschneiden. Tatsächlich ist der interne Aufbau von SD(HC)-Karten recht unterschiedlich und ich musste erst eine finden, die sich „beschneiden“ lässt. 😉

Fun Fact: Die meisten Leute sägen/feilen/schleifen einen Schlitz in das Modulgehäuse um leichter an die SD-Karte heranzukommen. Ich finde, wenn es so vollkommen „integriert“ ist, schaut es einfach authentischer aus. 🙂

Apropos SD-Karte – diese muss mit einem speziellen Betriebssystem samt spezieller Ordnerstruktur bestückt werden, damit das EverDrive funktioniert. Eine gute Gelegenheit für mich dieses zu aktualisieren, denn die auf dem Modul befindliche Version 1.29 ist von 2015 und der Hersteller bietet tatsächlich regelmäßig neue Versionen mit Weiterentwicklungen und kleineren Änderungen an – das nenne ich mal lobenswert! 🙂

Doch jetzt genug von dem Technik-Theorie-Blabla. Viel wichtiger ist doch: Funktioniert das Teil? Also nichts wie ab mit dem Modul in das Nintendo 64 und anschalten… Prompt erscheint das Hauptmenü – Hell yeah! 😉

Fun Fact: Selbstverständlich schaut das Hauptmenü normalerweise nicht so aus. Ich habe es entsprechend vorbereitet und Spiele unterschiedlicher Regionen (PAL & NTSC) sowie weitere Software auf die SD-Karte gepackt! 🙂

Ob wir auch ein Spiel starten können? Zum Testen habe ich mich für die europäische (PAL) Version von „Diddy Kong Racing“ entschieden. Und tatsächlich – nach nicht mal zwei Sekunden Wartezeit wird das Spiel gestartet – läuft! 🙂

Fun Fact: Das EverDrive merkt sich, welches Spiel man als letztes gespielt hat und springt nach einem Neustart der Konsole wieder exakt an die entsprechende Stelle im Menü – cool! 🙂

Neben „normalen“ Spielen ist ein großer Vorteil des EverDrive 64, dass man damit auch ohne komplizierte Kopfstände (wir erinnern uns an den Doctor V64) einen Großteil der „nicht-europäischen“ NTSC-Spiele (sofern der angeschlossene TV die NTSC-Norm beherrscht) spielen kann. Hier im Beispiel habe ich mich für das nur in Amerika erschienene „Harvest Moon 64“ entschieden.

Fun Fact: Grundsätzlich lassen sich alle erschienenen Spiele mit dem EverDrive spielen. Das einzige Spiel, mit welchem das EverDrive ein paar kleinere Probleme hat, ist „Pokémon Stadium 2“. Dessen spezielle Kombination aus dem 64MB großen Modul und dem verbauten Flashspeicher (u.a. zum Speichern von übertragenen Pokémon) führen zu einigen Grafikfehlern. So werden z.B. „Shiny-Pokémon“ nicht korrekt dargestellt. Trotzdem ist das Spiel grundsätzlich spielbar!

Echt ein geiles Teil dieses EverDrive. Einziger Wermutstropfen ist, dass wenn man seinen Spielstand „auf das Modul“ (bzw. auf den im Modul verbauten EEPROM) speichern möchte (wir erinnern uns an die unterschiedlichen N64-Speichertypen aus Artikel 38), muss man die Konsole über den Resetknopf neu starten. Erst durch diesen Vorgang wird das *.sav-File zurück auf die SD-Karte geschrieben.

Fun Fact: Es gibt auch eine „Deluxe-Version“ (X7) des EverDrive 64, welche das Speichern ohne Neustart der Konsole unterstützt. Ebenso bietet die X7-Version auch einen USB-Port (für Entwickler praktisch) und eine RTC (real time clock), welche für ein paar obskure nur in Japan veröffentlichte N64-Spiele (z.B. „Animal Crossing“) benötigt wird. Dafür ist der Preis auch fast doppelt so hoch – das ist es mir persönlich nicht wert! 😉

Zusätzlich bietet die neue Betriebssystemversion einen eingebauten NES-Emulator. So können wir sogar einige Klassiker von Nintendos erster Heimkonsole genießen. Was wäre hier geeigneter als „Super Mario Bros. 3“! 😉

Das Spiel läuft flüssig und Mario lässt sich sogar halbwegs vernünftig mit dem D-pad des N64-Controllers steuern – ich bin beeindruckt!

Fun Fact: Jeder, der schon länger als eine Stunde „NES“ gespielt hat weiß, dass auch der originale NES-Controller alles andere als ein ergonomisches Meisterwerk ist! 😉

Soviel zur grundlegenden Funktionalität des EverDrive. Selbstverständlich war das noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn es gibt eine aktive N64-Homebrew-Gemeinde, welche weitere interessante Software für das EverDrive hervorgebracht hat. So existiert z.B. ein Gameboy-Emulator namens „gnuboy64“, welcher extra für das N64 portiert wurde. Damit sollen sich ROMs von Game Boy Spiele auf dem Nintendo 64 spielen lassen…

Ich habe etwas damit herumgespielt, aber um ehrlich zu sein ist das mehr ein technischer Proof of Concept als eine wirklich seriöse Lösung. Die Spiele stürzen oft ab, der Sound stottert und insgesamt laufen selbst einfache Game Boy Titel, wie hier im Beispiel „Pokemon Rot“, nicht flüssig. Man merkt, dass der N64 alles andere als ein perfektes „Emulationssystem“ ist und für solche anspruchsvolleren Aufgaben einfach zu schwach auf der Brust ist.

Soviel zur rein „digitalen Lösung“… Um letztendlich doch noch das Thema „Game Boy Spiele auf dem N64“ etwas zugänglicher zu machen, haben findige Entwickler einen anderen Ansatz gewählt und den Emulator aus „Pokémon Stadium 2“ exportiert und drastisch modifiziert. Dieser kann über ein Patch File mit der originalen „Pokémon Stadium 2“ ROM in eine eigene N64-Rom-Datei umgewandelt werden. Angeblich soll man damit Game Boy Module über das Transfer Pak auf dem Nintendo 64 abspielen können. Doch wie wir ja bereits in Artikel 48 gelernt haben, kann dieser eigentlich nur die Pokémon Game Boy Spiele auf dem Nintendo 64 abspielen. Ich bin skeptisch, aber gewillt es auf einen Versuch ankommen zu lassen! 😉

Als erstes brauchen wir mal ein Game Boy Spiel unserer Wahl. Ich habe es testweise mit „DuckTales“ (Game Boy) und „The Legend of Zelda: Oracle of Ages“ (Game Boy Color) probiert:

Das Transfer Pak wird einfach samt Modul in den Port auf der Rückseite des Controllers gesteckt.

Mit Hilfe unseres EverDrive können wir dann den „gehackten“ Pokémon Stadium 2 Emulator laden. Zumindest wird schon mal das Modul erkannt, das sieht vielversprechend aus!

Und tatsächlich – fünf Sekunden später spiele ich die Game Boy Version von „DuckTales“ über das Transfer Pak auf dem TV – sehr geil! 🙂

Ob das auch mit Game Boy Color Spielen klappt? Na das wollen wir mit „Legend of Zelda: Oracle of Ages“ doch gleich noch probieren… Diesmal dauert es etwas länger (ca. 50 Sekunden), bis die Daten vom Modul in den RAM des N64 gelesen wurden. Die Schnittstelle des Transfer Pak ist definitiv nicht die Schnellste! 😀

Die Wartezeit hat sich gelohnt – auch Zelda wird einwandfrei abgespielt. Sogar mein Spielstand wurde erkannt und ich kann mit fast voller Herzleiste und einem üppigen Geldbeutel weiterspielen! 😉

Fun Fact: Selbstverständlich ist diese Lösung nicht mit allen Spielen kompatibel und es gibt (wenn man ehrlich ist) wesentlich bessere Möglichkeiten und Systeme um Game Boy Spiele zu emulieren, aber alleine die Tatsache, dass das funktioniert, ist schon beeindruckend.

Tatsächlich war das aber noch nicht alles, was das Transfer Pak in Kombination mit dem EverDrive draufhat. Auch zur „Digitalisierung“ von Game Boy Spielen haben Entwickler mit zu viel Zeit eine Möglichkeit geschaffen. Mit dem Tool „gb64“ lassen sich Dumps (Sicherheitskopien) von Game Boy Spielen erstellen und auf der SD-Karte des EverDrive ablegen. Das probieren wir gleich aus, Zelda steckt sowieso noch im Transfer Pak! 🙂 Startet man das Tool, wird sofort das Modul erkannt und kann ausgelesen werden:

Auch bietet „gb64“ die Möglichkeit Spielstände von dem Modul zu sichern (und sogar auf das Modul zurückzusichern). Das klingt fast zu schön um wahr zu sein, ob das wirklich funktioniert? Zumindest wurde der Sicherungsvorgang erfolgreich abgeschlossen.

Steckt man nun die SD-Karte wieder am PC ein finden sich neben dem Tool (gb64.z64) und einem data-Ordner tatsächlich die gesicherten Spieldateien sowie der Spielstand aus Zelda wieder. Um sicherzustellen, dass es auch mit Game Boy Spielen funktioniert, habe ich das Spiel „DuckTales“ auch noch gesichert.

Fun Fact: Sogar das Datum der ursprünglichen Erstellung der ROM-Datei wird mit übernommen – krass! 😀

Jetzt die alles entscheidende Frage: Lassen sich die Spiele jetzt noch spielen, also war der Sicherungsgang erfolgreich? Um das zu testen, lade ich die ROM-Dateien in einen Game Boy Emulator (Visual Boy Advance). Und was soll ich sagen – läuft einwandfrei! Auch der Spielstand konnte importiert werden, nice! 🙂

Fun Fact: Das Save-File musste hierfür von *.srm in *.sav umbenannt werden, sonst kann der Emulator nichts damit anfangen.

So, ich denke damit ist alles gesagt, was es über das EverDrive-64 zu wissen gibt. Um die Sache abschließend rund zu machen, wird es Zeit dem Modul noch ein neues Label zu verpassen. Das bisherige hat mal einen kleinen Wasserschaden erlitten und sieht schon sehr mitgenommen aus. Aber das ist kein Problem – es gibt einen netten eBay-Händler aus Griechenland, der für ein paar schmale Taler eigene Labelwünsche verwirklicht! 😀

Fun Fact: Das Design hat ein Forumskollege 2014 entworfen. Ich habe mich dunkel an das Motiv erinnert und habe das halbe Internet danach abgesucht, aber konnte den Download nicht mehr finden. Tatsächlich habe ich (in einem letzten verzweifelten Versuch) die Grafik dann auf meinem alten PC im Download-Ordner wiedergefunden – sie war bereits „näher“ als es mir klar war xD

So, ich bin dann mal weg – es wird Zeit eine Game Boy Sammlung zu digitalisieren… 😉

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