#79 – Conker’s Bad Fur Day

Conker’s Bad Fur Day ist eines dieser Spiele, welches überhaupt nicht existieren dürfte. Ein gieriges, verantwortungsloses rotes Eichhörnchen taumelt betrunken durch eine skurrile Welt und sucht nach seinem Haus samt Eichhörnchen-Freundin… Und das alles auf einer Nintendo-Konsole – WTF?!

Fun Fact: „Bad Fur Day“ ist eine Anspielung auf „Bad Hair Day“ und soll verdeutlichen, dass Conker einen ziemlich miesen Tag (inklusive fettem Hangover) hat! 😉

Doch fangen wir von vorne an. „Conker’s Bad Fur Day“ ist ein exklusiv für das Nintendo 64 erschienene Action-Adventure des englischen Entwicklerstudios Rare aus dem Jahre 2001. Das Spiel dreht sich um den Protagonisten „Conker the Squirrel“, welcher sich auf dem Heimweg nach einer durchzechten Nacht befindet. Dabei trifft er auf allerlei schräge Charaktere und gerät immer wieder in absurde Situationen.

Fun Fact: Conker’s Bad Fur Day ist (nicht zuletzt aufgrund des untypischen Entwicklungsprozesses) eines der letzten in Europa für das N64 veröffentlichten Spiele.

Die Entstehungsgeschichte des Spiels ist definitiv etwas Besonderes. Ursprünglich sollte das putzige Eichhörnchen „Conker“ (welches man schon als spielbaren Character aus „Diddy Kong Racing“ kennt) ein eigenes Spiel namens „Conker’s Quest“ (später auch „Twelve Tales: Conker 64“) erhalten. Das Spiel sollte ein typischer familienfreundlicher Platformer werden, bei dem der Protagonist zusammen mit seiner Freundin Berri durch eine Art interaktiven Cartoon begleitet werden sollte. Es existierte sogar bereits eine Beta-Version (siehe Video), welche damals Pressevertretern vorgeführt wurde um Rezensionen zu sammeln.

Fun Fact: Tatsächlich ist „Conker’s Quest“ nicht Conkers erstes Abenteuer. Bereits 1999 ist mit „Conker’s Pocket Tales“ auf dem Game Boy Color ein Ableger erschienen, welcher sich auch überwiegend an ein jüngeres Publikum richtet.

Nachdem das Spiel aber auf der Gaming-Convention E3 1999 zahlreiche negative Pressestimmen erhalten hat, da es sich zu sehr an den bereits erschienenen Platformern wie z.B. „Super Mario 64“ oder „Banjo-Kazooie“ orientiert setzte die Chefetage von Rare kurzerhand einen neuen Spieldesigner (Chris Seavor) ein, welcher den Ton des Spiels drastisch änderte. So wurde die Zielgruppe geändert und der Fokus auf ein „Spiel für Erwachsene“ gelegt. Alle kindgerechten Animationen und Handlungsstränge wurden durch anstößiges Material ersetzt. Schlüsselelemente sind hierbei doppeldeutige Witze und Anspielungen sowie Parodien diverser Filme wie z.B. „Matrix“, „Bram Stoker’s Dracula“ oder „Der Soldat James Ryan“.

Fun Fact: Tatsächlich wurde das Spiel aber fast eins zu eins so von Nintendo abgenommen – verrückt, da „Big N“ sonst für Zensur ersten Grades bekannt ist. Ich vermute einen schwachen Moment auf einer Weihnachtsfeier… 😉

Dementsprechend gestaltete sich auch das Marketing deutlich anders als bei „normalen“ N64-Titeln. Sämtliche Werbung wurde eher auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten. So gab es z.B. keine Anzeigen in Videospielmagazinen, dafür aber Werbung für CBFD im Playboy (kein Witz)! Auch wurde das Spiel auf Spielemessen in eigenen abgetrennten „ab-18“-Bereichen vorgestellt, bei denen man nur reinkam, wenn man seinen Ausweis vorzeigte.

Fun Fact: Alleine die TV-Werbung welche damals eher zu später Stunde ausgestrahlt wurde hatte es in sich… 😀

Selbst der Beginn des Spiels lässt keine Fragen über Conkers Attitüde übrig. Bereits in der Introsequenz des Spiels sieht man wie Conker das N64-Logo mit einer Kettensäge durchsägt und durch das firmeneigene Rare-Logo ersetzt! 😀

Ähm, ok. Und um was geht es jetzt genau in dem Spiel?! xD

Mit einem dicken Schädel wacht unser Protagonist nach einer durchzechten Nacht auf und muss feststellen, dass er sich im Vollrausch auf dem Heimweg verlaufen hat. Fortan begibt er sich auf die Suche nach seinem Haus (und seiner Eichhörnchen-Freundin Berri).

Am Heimweg hindern möchte ihn König Panther (samt einer Armee von blutrünstigen Teddybären). Warum? Nun, der gute König ist leidenschaftlicher Milchtrinker. Während er so gemütlich auf seinem Thron sitzt und sein Milchglas auf einem Tisch abstellen möchte, bricht ein Tischbein ab. Der Tisch kippt um und das Glas fällt herunter. Das erzürnt den König und er beauftragt seinen engsten Vertrauten, Professor Von Kriplespac, eine Lösung für das Problem zu finden. Der verrückte Professor stellt fest, dass es als Ersatz für das Tischbein nur eine einzige Lösung gibt: Es muss ein rotes Eichhörnchen gefangen werden, welches den Tisch anstelle des Beins halten kann. Die Beschreibung des Professors passt zufälligerweise genau auf Conker, der von nun von allen Schergen des Königs gesucht wird.

Fun Fact: WTF?! Die Story ist genauso schräg wie unnötig, aber passt ironischerweise perfekt zum ganzen Setting des Spiels! 😀

Während das passiert wacht Conker mit einem fiesen Kater auf und muss sich erst mal von einer ebenso betrunkenen Vogelscheuche namens „Birdy“ das Prinzip der „Context Sensitive“-Felder erklären lassen. Diese erlauben es Conker in jeder Situation die passenden Skills oder benötigten Gegenständen einfach so zu erhalten. So zieht sich Conker erst mal eine Kopfschmerztablette rein, damit es ihm bessergeht! 😀

Fun Fact: Im Nachhinein betrachtet war das eine kluge Designentscheidung, welche das Einsammeln von diversen Items überflüssig macht. Für mich wirkt das fast wie ein kleiner Seitenhieb auf „Banjo Kazooie“ und vor allem „Donkey Kong 64“, weil diese Spiele für das schier endlos wirkende Einsammeln von Gegenständen bekannt waren (diese Art von Spiele wurde häufig liebevoll als „Collectathon“ bezeichnet). 😉

Betrachtet man den Spielfortschritt ist Conkers Abenteuer eher linear aufgebaut. Backtracking wird klein geschrieben, stattdessen wird der Spieler permanent in neue, verrückte Situationen geschmissen. So muss der Spieler (nachdem er die Grundzüge des Gameplays wie z.B. den Doppelsprung, bei dem Conker seinen Schwanz als Helikopter benutzt, erlernt hat) eine sprechende Steinstatue von einer Brücke entfernen um weiter zu kommen. Wie macht man das? Natürlich mit einer Bratpfanne! 😀 Die Statue ist über den lächerlichen Versuch so amüsiert, dass sie vor lauter Lachen von der Brücke fällt – ist klar! 😀

Fun Fact: Ich schwör’s euch, das ist nicht erfunden – so etwas kann man sich nicht ausdenken?! 😀

Auch im weiteren Spielverlauf werden Conker laufend irrsinnige Aufgaben vor den Latz geknallt. So ist z.B. eine der ersten Quests des Spiels einen Bienenstock, welcher von Wespen entwendet wurde, einer traurigen Bienenkönigin zurückzubringen. Die Wespen haben natürlich etwas dagegen und versuchen Conker davon abzuhalten. Ist man erfolgreich verwandelt sich der Stock in ein Maschinengewehr und die Bienenkönigin zerballert die Wespen in feinster Rambo-Manier.

Fun Fact: Conker hilft den Bewohnern der Welt natürlich nicht ganz freiwillig. Immerhin ist er ein gieriger Egoist, der versucht bei jeder Gelegenheit möglichst viel Geld als Belohnung abzustauben! 🙂

Ist das geschafft, muss Conker eine rülpsende Maus namens Marvin mit viel Käse füttern, um diese zum Platzen zu bringen, damit eine dicke Metallbox-Dame sich nicht mehr fürchtet und von ihrem (zusammengequetschten) Gatten herunterspringt.

Fun Fact: Der Humor des Spiels ist definitiv was Besonderes und sicherlich nicht jedermanns Sache. Mir persönlich gefällt der Stil gut. Es ist definitiv mal etwas Anderes und war so in dieser Form auf einer Nintendo-Konsole ein absolutes Novum! 🙂

Und so stolpert sich Conker von Kapitel zu Kapitel mehr oder weniger zufällig durch die Weltgeschichte. Dabei begegnet er einer Vielzahl skurriler Gestalten, wie zum Beispiel kiffenden Feuerameisen, blaublütigen (versnobten) Katzenfischen und einem trinkenden Bienenkönig, der seine Frau wegen einer vollbusigen Sonnenblume verlassen hat. Die Sonnenblume muss  natürlich erst mit ein paar Bienen gekitzelt werden, damit sie sich voll entfaltet und den Weg für den Bienenkönig freimacht.

Fun Fact: Anschließend kann Conker auf den sekundären Geschlechtsmerkmalen der Sonnenblume wie auf einem Trampolin springen, um sich ein Bündel Geldscheine als Belohnung abholen. Und nochmal – WTF?! 😀

Eines der Highlights des Spiels ist sicherlich die Begegnung mit dem „Great Mighty Poo“, einem opernsingenden Kothaufen, welcher mit Mais gefüttert und anschließend mit Toilettenpapierrollen beschmissen werden muss. Passend zum Fortschritt des Bosskampfes ändert sich die Stimmung (und auch die Tonlage) des ekelerregenden Widersachers. Ist dieser besiegt wird er einfach in einer Art überirdischen Toilette heruntergespült.

Fun Fact: Ich liebe dieses Spiel. 🙂

Neben seinen schrulligen Charakteren dürfen natürlich die Anspielungen auf Filme nicht fehlen. In einem Schuppen trifft Conker auf einen böswilligen Heuhaufen, welcher im Terminator-Look samt Catchphrase daherkommt und versucht Conker mit „Suzie 9mm“-Geschossen außer Gefecht zu setzen. Unvergessen ist auch die Matrix-Referenz gegen Ende des Spiels, bei welcher Conker zusammen mit Berri mit actiongeladenen Slow Motion Einlagen eine Bank überfallen.

Fun Fact: Zu viel spoilern möchte ich nicht, aber nur so viel: Es gibt noch zahlreiche Kapitel mit ganz anderem Setting zu entdecken. CBFD ist definitiv einen Blick wert! 😉

Beim Gameplay zeigt das Spiel meiner Meinung nach die größten Schwächen. Es ist beeindruckend wie viele Mechaniken Rare versucht hat in das Spiel zu implementieren. Einige funktionieren besser, andere wirken schwammig und unausgereift. Gerade in den späteren Kapiteln, bei welchen vermehrt „Ziel-Mechaniken“ (sei es mit Steinschleuder oder Maschinenpistole) zum Einsatz kommen könnte man manchmal aus der Haut fahren. Auch ist das Spiel zwar linear aufgebaut, aber leider ist nicht immer klar ersichtlich, was als nächster Schritt vom Spieler erwartet wird.

Technisch gesehen gibt es bei CBFD nichts zu meckern. Man merkt, dass das Spiel relativ spät in der N64-Ära erschienen ist und die Entwickler bereits einige Tricks wussten, wie man die Hardware bis an ihre Grenzen ausreizt. Gerade die (für N64-Verhältnisse) riesige Anzahl an aufwändig (mit Sprachausgabe versehenen) produzierten Cutscenes ist beeindruckend. Bedenkt man, dass das Spiel auf ein N64-Modul mit gerade mal 64MB Speicher (und damit war es eines der größten) gequetscht wurde kann man sich nur über die Datenflut heutiger Spiele (Spiele größer 50GB)  wundern.

Ich befürchte ich könnte noch stundenlang etwas über Conker erzählen, aber ich denke nach diesem wilden Ritt wird es Zeit für ein kleines Fazit. Conker’s Bad Fur Day ist einer dieser Titel, der nur zu Stande kommt, wenn ein Team sehr viele Freiheiten genießt und nicht von einem restriktiven Management an Verträge oder Deadlines geknebelt wird. Welches Entwicklerstudio würde es zulassen, nach mehrjähriger Produktionszeit den Kontext eines Projekts nochmal komplett zu ändern? Auch mit einer Videospieladaption einer Filmlizenz wäre so ein Vorgehen undenkbar.

Das Spiel wurde definitiv mit viel Humor entwickelt. Die Entwickler haben sich selbst nicht so ernst genommen und das merkt man. Selbst ein Game Over wird mit einer ausgiebigen Cutscene samt Sensenmann (Gregg the Grim Reaper) zelebriert, welcher sich über die sieben Leben von Katzen (und Eichhörnchen!) beschwert! 😀

Ich denke für Freunde von englischem Humor ist Conker’s Bad Fur Day definitiv einen Blick wert. Ich selbst kann es euch nur ans Herz legen. Leider ist das Spiel auf Grund der geringen Auflage (und nicht zuletzt dem Nostalgie-Kultfaktor vieler Fans) recht selten geworden, ein loses N64-Modul erzielt bereits ca. 150€ auf eBay! Gut, dass ich das Spiel schon besitze… 😉

Fun Fact: Mit „Conker: Live & Reloaded“ wurde 2005 ein Remake für Xbox veröffentlicht. Dieses kann man bereits für ca. 30€ ergattern. Leider wurden hier dank neuem Lizenz-Eigentümer Microsoft einige Schlüsselszenen (u.a. der Great Mighty Poo) zensiert. Buuuuuuh! 😛

„Now that’s what I call a platforming game“! 😉

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