#107 – Once upon Atari

Denkt man über die „Frühzeit“ der Videospielgeschichte nach, kommt einem vor allem ein Begriff in den Sinn: „Pong“. Das 1972 von Atari veröffentlichte Spiel gilt (auch wenn schon zuvor diverse Videospiele entwickelt wurden) als Urvater der Videospiele und bietet trotz seines minimalistischen Designs bis heute endlosen Spielspaß für zwei Spieler! 🙂

Fun Fact: Die falsche, aber häufig verwendete Bezeichnung als „erstes Videospiel aller Zeiten“ stammen vermutlich von dem massiven kommerziellen Erfolg. So trug Pong mit nur ein paar rechteckigen Formen zur Gründung einer ganz neuen Branche bei – krass! 😀

Heute möchte ich gar nicht zu sehr abschweifen und euch eine gefühlte Ewigkeit über die Geschichte der Videospielindustrie vollquatschen. Stattdessen möchten wir uns mit einer Konsole beschäftigen, welche in den frühen Jahren der Videospiele einen großen Teil zu eben jenem Erfolg der Industrie beitrug und aus heutiger Sicht das Wort „Klassiker“ quasi gepachtet hat: Der „Atari 2600“.

Den Atari 2600 gab es in zahlreichen Varianten. Während die ersten Modelle des Atari 2600 noch unter dem Namen VCS (Video Computer System) Ende der Siebziger in den USA für den amerikanischen Markt produziert wurden, schwappte die „Atari-Welle“ erst Anfang der Achtziger zu uns nach Europa. Populäre Modelle sind z.B. der klassische Holz-2600 (gerne „Woody“ genannt) und der Atari 2600 Jr., sozusagen das „Facelift“ des Ataris! 🙂

Fun Fact: Während die ersten Modelle tatsächlich noch mit Holzdekor verziert waren, wurden die späteren nur noch mit entsprechenden Aufklebern versehen.

Jedes Modell der Konsole ist mit allen Atari 2600 Spielen kompatibel. Letztendlich unterscheiden sich die Systeme nur durch deren Optik. So sind bei späteren Modellen z.B. die Schalter zur Einstellung der Schwierigkeit von der Ober- auf die Rückseite gewandert. Und ja – damit kann man tatsächlich in einigen Spielen die Schwierigkeit einstellen. Häufig wurde der Schalter aber auch dafür benutzt eine andere Einstellung im Spiel zu verändern. So kann man in „Moon Patrol“ damit z.B. die Hintergrundmusik an- und ausschalten oder in „Space Invaders“ kann so die Größe des eigenen Raumschiffs modifiziert werden.

Fun Fact: Das gleiche gilt für die Schalter „TV Type“ (Color / Black and White), „Game Select“ und „Game Reset“. Diese wurden sehr gerne von Programmierern für ganz andere Funktionen als der Name vermeintlich verrät missbraucht.

Ich selbst besitze ein späteres Modell CX-2600 AP (wird dank der schwarzen Farbe auch gerne „Darth Vader“ genannt). Über das Alter kann ich leider nicht viel sagen, ich weiß lediglich, dass das gute Stück in Irland (vermutlich ca. 1983) produziert wurde (Angaben auf dem Typenschild auf der Unterseite des Geräts).

Auf der Oberseite hat mein Atari dementsprechend nur vier Schalter. Aber selbst diese haben es in sich. Aus heutiger Sicht wirkt gerade der „TV Type“-Schalter zum Auswählen des Fernsehbildes in Schwarzweiß oder Farbe wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen! 😀

Fun Fact: Einen interessanten Artikel über den „TV Type“-Schalter und seine Funktion in diversen Spielen findet ihr hier.

Auf der Rückseite des Systems befinden sich die beiden Controller-Ports, ein Stromanschluss, die Schwierigkeits-Schalter sowie ein „Channel-Schalter“, welcher dafür gedacht war die Konsole auf den TV-Kanal 2 oder 3 (sofern die Konsole über ein Koaxialkabel mit Antennenausgang am Fernseher angeschlossen ist) zu kalibrieren – jaja, lang ist’s her, dass diese Art Konsolen anzuschließen modern war! 😀

Apropos Antennenausgang – wo ist der eigentlich? Normalerweise kommt direkt aus der Konsole ein schwarzes Kabel mit besagtem Anschluss (links unten im Bild), allerdings wurde das bei diesem Atari entfernt, da er mit einem „AV-Mod“ (Ergänzung des Systems um ein Compositsignal samt Cinch-Buchsen) beglückt wurde. Dafür wurden lediglich ein paar Widerstände, ein paar Transistoren und natürlich Cinch-Buchsen benötigt.

Fun Fact: Keine Angst – der Mod wurde bereits vor einiger Zeit durchgeführt und ich werde in diesem Artikel nicht weiter drauf eingehen. 😀

Der mitgelieferte Joystick ist so ziemlich das absolute Minimum, was man für die Steuerung von Spielen benötigt. Ein Joystick und ein Knopf – viel einfacher geht es wirklich nicht! 😀 Dennoch hat das gute Stück schon Kultstatus erreicht und wird häufig als Icon oder Sinnbild für Retro-Videospiele verwendet!

Was Spiele angeht, bestand ein Großteil der Atari 2600 Bibliothek aus konvertierten Arcade-Umsetzungen, bekannt aus den Spielhallen. Die meisten davon mit ziemlich heftigen Kompromissen, weil die Hardware „für zu Hause“ einfach zu schwach auf der Brust war, um echtes „Arcade-Feeling“ zu simulieren. Es war eine einfachere Zeit, in der Spiele häufig von lediglich einer Person in wenigen Wochen entwickelt wurden. Aus heutiger Sicht unvorstellbar! 😀

Schaut man sich die Module genauer an, fällt sofort auf, dass Atari (z.B. im Vergleich zu Nintendo) eine sehr lockere Politik fuhr was die Standards von Spielen anbelangt. So wurden die Modulformen nur rudimentär genormt und auch beim Artwork wurde unabhängigen Entwicklungsstudios relativ freie Hand gelassen.

Fun Fact: Tatsächlich besitzt der Atari 2600 keinen „Lockout-Chip“ und so lassen sich theoretisch auch US-Games auf europäischen Konsolen zocken (und umgekehrt). Allerdings kann es dabei zu verschobenen Bildern, falsch dargestellten Farben oder inkorrekter Geschwindigkeit in den Spielen kommen. Die Probleme sind einfach – mal wieder – den unterschiedlichen Fernsehnormen (NTSC und PAL) geschuldet.

So – lange genug geredet. Es wird Zeit ein Modul einzustecken und die Kisten anzuschmeißen. Ich habe mich für „Donkey Kong“ entschieden – ein absoluter Arcade-Klassiker! 🙂

Fun Fact: Da ich das originale Netzteil nicht mehr habe – und auch irgendwie ein schlechtes Gefühl habe ein fast 40 Jahre altes Netzteil anzuschließen – habe ich einfach ein Universal-9V-Netzteil mit entsprechender Polung verwendet.

Mann – die Grafik war definitiv kein ausschlaggebender Faktor für gute Games und Spielspaß. Das ist definitiv kein GTA 5 kann ich euch sagen! 😀 Das Design von Mario (damals noch Jumpman genannt) und Pauline (damals gab es noch keine Prinzessin Peach) lasse ich mir ja noch eingehen, aber schaut euch mal an wie der rebellische Affe aussieht! 😀

Auf dem System wurde eine ganze Reihe an Arcade-Klassikern umgesetzt, so selbstverständlich auch das allseits bekannte „Pac-Man“, welches 1982 für den Atari portiert wurde. Es ist logisch, dass Pac-Man ein Klassiker ist, aber meiner Meinung nach sieht man gerade dieser Konvertierung die Einschränkungen des Systems doch deutlich an – kein Vergleich zum Arcade-Original!

Neben eher mäßig umgesetzten Arcade-Ports gab es aber auch einige wirklich gelungene Titel wie z.B. „Pitfall!“ – ebenfalls aus dem Jahre 1982. Darin begleitet ihr den Protagonisten „Pitfall Harry“ durch den Jungel auf der Suche nach 32 Schätzen innerhalb eines Zeitlimits von 20 Minuten. Das Spiel war mit mehr als vier Millionen verkauften Exemplaren kommerziell sehr erfolgreich und wurde nur noch durch Pac-Man (sieben Millionen verkaufte Exemplare) überflügelt.

Ein weiterer Titel der schon lange Kultstatus erreicht hat ist „Space Invaders“. Das Spielprinzip des Shoot-‘em-up-Titels ist so einfach wie genial und wird bis heute in zahlreichen Nachfolgern und Arcade-Sammlungen von Fans geliebt. Das Spiel erschien bereits 1979 für den 2600 und trug somit einen entscheidenden Beitrag zum Durchbruch des Ataris im Heimmarkt bei.

Fun Fact: Space Invaders wurde nach seinem Erscheinen 1978 in den japanischen Spielhallen sogar so populär, dass nach kurzer Zeit die 100-Yen-Münzen im ganzen Land knapp wurden. Die Regierung Japans war gezwungen die Münzproduktion zu verdreifachen. Wahnsinn! 😀

Ein Evergreen, den auch fast jeder kennt, ist „Frogger“. Ziel des Spiels ist es einen Frosch sicher über eine stark befahrene Straße und anschließend über einen Fluss zu führen. Ziel eines jeden Levels ist es fünf Frösche sicher ans andere Ufer zu bringen – gar nicht so einfach wie es klingt! 😀

Ein – meiner Meinung nach völlig zu Unrecht – nicht ganz so populäres Spiel ist das ebenfalls 1982 erschienene „Berzerk“. Darin steuert man ein Strichmännchen durch ein Labyrinth, welches mit schießenden Robotern übersät ist. Ziel ist es, möglichst viele Roboter mit der eigenen Laserwaffe auszulöschen. Dabei dürfen die Projektile der Gegner, die Gegner selbst und auch die Wände eines Raumes nicht berührt werden, sonst verliert man ein Leben. Passiert das drei Mal heißt es Game Over. Das Spiel ist simpel, aber es verkörpert den Atari 2600 wie kein anderes. Es kann von jedem ohne Vorkenntnisse einfach gespielt werden, ist aber schwer zu meistern. In jedem Fall ist es einen Blick wert – alleine schon wegen den absolut legendären Soundeffekten! 🙂

Ich könnte vermutlich noch stundenlang über irgendwelche Spiele oder die Geschichte des Systems erzählen. Wusstet ihr zum Beispiel, dass in dem Atari-Spiel „Adventure“ das erste jemals programmierte Easter Egg enthalten ist? Der Programmierer „Warren Robinett“ versteckte 1978 seinen Namen in dem Spiel. Oder wusstet ihr, dass das Spiel „E.T the Extra-Terrestrial“ für den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Videospielmarkts 1983-1985 („Videogame-Crash“) mitverantwortlich gemacht wird? Es gilt weitläufig als eines der schlechtesten Spiele aller Zeiten und zwang Atari dazu, 1983 mehrere tausend nicht verkaufte überschüssige Module zu zerstören und in der Wüste Neumexikos zu vergraben – kein Witz!

Stopp – ich schweife schon wieder ab! 😀

Während PC-affine Benutzer meist zum Commodore VC-20, C64 oder C128 griffen, führte der Atari 2600 in Deutschland zunächst ein Schattendasein bis er sich nach und nach durchsetzte. Meiner Meinung nach definiert der Atari 2600 das Wort „Klassiker“. Er bot erstmalig die Möglichkeit, die aus den Spielehallen bekannten Spiele zu Hause zu spielen und trug somit einen gewaltigen Schritt zur Entwicklung des Videospielmarkts bei.

Wer noch nicht genug von „Atari“ hat und mehr über die Geschichte des Unternehmens erfahren möchte, dem kann ich die Dokumentation „Once Upon ATARI“ sehr empfehlen! 🙂

Fun Fact: Jetzt wisst ihr auch, wieso der heutige Blogartikel so heißt wie er heißt! 😉

Der Atari-Werbeslogan „Have you played Atari today“ von 1977 stellt ja bereits eine sehr provokative Frage, die ich mit „Nein“ beantworten muss. In diesem Sinne – bitte entschuldigt mich – ich muss jetzt noch eine Runde „Q*Bert“ spielen! 🙂

Stay retro! 😉

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