#123 – Nippes und Tand(berg) – I – basics

Vorwort: Eigentlich wollte ich das Thema des heutigen Blogartikels in „einem Aufwasch“ behandeln, aber wie es (fast) immer so ist, wenn Retro-Technik ins Spiel kommt, ging einiges schief! 😀

Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden einen Dreiteiler draus zu stricken. Manchmal ist es echt schwer eine geeignete Balance zwischen „interessant & informativ“ und „unnötiges Gelaber & Wiederholungen“ zu finden…

Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel und könnt trotzdem über die ein oder andere Stelle schmunzeln… 🙂

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Erinnert ihr euch? In Artikel 119 haben wir ja dem alten RAID-System ein Upgrade verpasst und die bisherigen Blogartikel darauf gesichert. Eigentlich könnte ich damit zufrieden sein, doch leider ist mir beim Aufschrauben des RAIDs aufgefallen, dass mehrere Pins an den Sockeln direkt am Mainboard verbogen, bzw. mittlerweile abgebrochen sind. Tatsächlich ist das nur nicht früher aufgefallen, weil die Platten recht stark in das Gehäuse gequetscht wurden und die Pins nur noch „durch Glück/Zufall“ Kontakt hatten!

Nicht schön! Und definitiv keine leichte Reparatur… Hm, da hilft alles nichts – wir brauchen eine Alternative um den Blog zu sichern. Aber was? Einfach eine USB-Festplatte anstöpseln? Oder die Daten in die Cloud hochladen? Niemals! 😛 Zum einen wäre das ja viel zu einfach und zum anderen definitiv nicht „retro“ genug! 😉

Ich glaub ich habe da die perfekte Lösung. Nachdem wir in Artikel 121 bereits mit Daten auf Band (wenn auch nur auf einer einfachen Musikkassette) rumgespielt haben, ist mir eine Idee gekommen…

Dieses Monstrum ist ein externes SCSI-Gehäuse der Firma Varix – Modell 301. Es bietet Platz für ein 5,25“-Laufwerk und ermöglicht so den Anschluss eines internen SCSI-Geräts an einen Rechner mit SCSI-Controller. Lediglich die Front ist aus Plastik, der Rest des Gehäuses ist aus Metall und wirkt dementsprechend sehr massiv (und schwer)! 🙂

Darin verbaut ist ein kleines 65W-Netzteil mit zwei Molex und einem Berg Stecker. Die Hauptattraktion ist aber natürlich das eingebaute Gerät! 🙂

Hierbei handelt es sich um ein Tandberg SLR7, ein altes Bandlaufwerk mit einem 68-poligen Ultra2 Wide SCSI-Anschluss – cool!

Fun Fact: SLR steht hierbei für „Scalable Linear Recording“, dem Aufzeichnungsverfahren, welches das Tandberg-Laufwerk verwendet. Aus diesem Grund werden diese Bandlaufwerke auch gerne „Streamer“ genannt.

Das gute Stückt stammt aus dem Jahre 2002 und wurde angeblich in Norwegen gefertigt. Das kann gut sein, denn die Ursprünge der Firma liegen tatsächlich in Skandinavien. 1979 wurde das Unternehmen aber umstrukturiert und ist mittlerweile in Deutschland unter dem Namen „Tandberg Data GmbH“ ansässig.

Mann, bin ich froh, dass das Teil schon verbaut und verkabelt ist, so muss ich mich nicht mit dem Setzen der Jumper für SCSI-Laufwerke auseinandersetzen! 😉

So viel zur Theorie. Jetzt bleibt eigentlich nur noch die Frage zu klären, ob wir das gute Stück tatsächlich zum Laufen bekommen? Challenge accepted! 😀

Als PC-System möchte ich wieder den alten Shuttle verwenden, denn der hat ja bereits einen SCSI-Controller verbaut. Zum Anschluss des Laufwerks wird natürlich ein spezielles Kabel benötigt. Gut, dass ich hierfür das SCSI- und Stromkabel des RAID-Systems verwenden kann! 🙂

Fun Fact: Ein weiterer Vorteil der Nutzung der Adaptec-Karte im Shuttle-PC ist es, dass wir keinen SCSI-Terminator mit an das Gerät stecken müssen, da die PCI-Karte die Funktion für uns automatisch übernimmt! 🙂

Dann wird es spannend… Bevor der PC eingeschaltet wird, muss natürlich das Bandlaufwerk gestartet werden. Mal sehen, zumindest wird die Power-LED grün und es blinkt eine Status-LED auf:

Fun Fact: Ebenso gibt das Teil ein paar laute Geräusche von sich. Ich würde mal vermuten, der Laufwerksmechanismus versucht auf ein – nicht eingelegtes – Band zuzugreifen. Klingt fast so, als würde jemand an einer Nähmaschine arbeiten! 😀

Jetzt wird es Zeit den PC hochzufahren. Zumindest die Adaptec-SCSI-Karte scheint das Tandberg-Laufwerk grundlegend zu kennen und nennt es gleich mal beim Namen:

Windows selbst hat zwar verstanden, dass es um ein Tandberg-Gerät geht, aber so richtig viel kann das System mit dem Bandlaufwerk nicht anfangen. Im Gerätemanager wird das SLR7 als „anderes Gerät“ erkannt, es scheint ein entsprechender Treiber zu fehlen.

Alles kein Problem, denn tatsächlich bekommt man passende Software bis heute problemlos auf der Herstellerseite – das nenne ich mal lobenswert!

Fun Fact: Selbstverständlich habe ich die benötigten Treiberdateien auf eine Diskette kopiert und damit zum Shuttle übertragen – wenn „retro“, dann richtig! 😉

Die Installation des Treibers kann direkt von Laufwerk A:\ (Diskettenlaufwerk) durchgeführt werden:

Und siehe da, mit etwas Überredungskunst…

… erkennt auch Windows das Bandlaufwerk korrekt – nice! 🙂

Zur Überprüfung der Laufwerksdaten gibt es eine Software namens „tdviewer“. Mit dieser lassen sich z.B. Informationen wie die Seriennummer oder die Version der Firmware ablesen.

Apropos Firmware – so wie es aussieht gibt es für das Laufwerk eine neue Firmware-Version. Ich denke ich sollte erst mal versuchen das Laufwerk auf den aktuellsten Stand (2004 anstatt 2002) zu bringen, bevor ich weiter damit experimentiere. 😉

Die Anleitungs-PDF für das Firmware-Upgrade habe ich mit „Adobe Acrobat Reader“ geöffnet. Auf dem System läuft Version 4.0 der Software – Mann das waren noch Zeiten! 🙂

Das Firmware-Upgrade startet man mit einem Tool namens „FlashIt“. Je nach Betriebssystemversion (DOS, Win95/98/Me oder WinNT4/W2000/XP) wird eine unterschiedliche Version benötigt.

Leider schmeißt mir das Firmware-Update-Programm einen Fehler frei nach dem Motto „kein kompatibles Gerät gefunden“ entgegen – seltsam!

Glücklicherweise habe ich in der Anleitung die Lösung gefunden. Das Gerät muss im Gerätemanager deaktiviert werden, da sonst Windows den Zugriff auf das Teil blockiert. Das muss man wissen… 😀

Immerhin wird das Laufwerk jetzt vom Update-Programm erkannt:

Bevor wir nun updaten können, muss nur noch eine geeignete Firmware für das Laufwerk ausgewählt werden. Das Programm ist so clever und sucht automatisch die passende Version heraus, sofern sich die Binärdateien im gleichen Verzeichnis befinden.

Fun Fact: Es gab wohl zwei unterschiedliche Revisionen des SLR7-Modells und je nachdem welche man besitzt, muss eine andere Firmware aufgespielt werden.

Anschließend läuft das Update ohne Probleme durch…

… und im tdviewer wird die aktuelle Firmwareversion angezeigt – sehr schön! 🙂

So weit so gut, oder? Ich denke jetzt könnten wir mal versuchen, ein paar Daten zu sichern. Neben dem eigentlichen Laufwerk benötigten wir natürlich auch noch ein paar Datenträger. Hierfür werden spezielle Magnetbandkassetten vom Typ „SLRtape7“ benötigt. Pro Band können bis zu 20GB an Daten gesichert werden – gar nicht mal so übel! Jetzt ist nur die Frage, wo man solche Medien noch herbekommen soll? Mit etwas Geduld konnte ich einen ganzen Haufen gebrauchter Kassetten für 3€ ersteigern – sehr schön! 🙂

Fun Fact: Das Laufwerk war leider etwas teurer, aber was tut man nicht alles für ein nettes Retro-Abenteuer! 😉

Ich muss zugeben, dass ich ziemlich erstaunt war, als das Paket mit den Bändern angekommen ist. So groß und schwer hatte ich mir die Kassetten nicht vorgestellt! Hier mal ein Größenvergleich zwischen einer Audiokassette und einem SLRtape7:

Fun Fact: Mit 224 Gramm ist das Band auch fast sieben Mal so schwer wie eine Musikkassette – heftig! 😀

Schaut man sich so eine Kassette genau an, erinnert sie optisch fast etwas an eine VHS-Videokassette (schwarzes Plastikgehäuse, Schreibschutz, Aufbewahrungsbox). Allerdings sind äußerlich keine Spulen erkennbar und die Rückseite der Kassette ist aus Metall gefertigt.

Technisch gesehen wird das Band – anders als bei einer Videokassette – über eine kleine Rolle auf der Seite, welche die Energie über ein Gummiband auf die intern verbauten Spulen überträgt angetrieben. Das hat den Vorteil, dass die Laufwerke meistens robust funktionieren und eine lange Lebenserwartung haben, weil die Verschleißteile in die Kassetten eingebaut sind. Das Band selbst besteht aus einem 8 mm breiten Magnetfilmstreifen.

Fun Fact: Würde man das Band dieser Kassette ausrollen, würde man knapp 471 Meter weit kommen! Spätestens jetzt wundert mich das hohe Gewicht nicht mehr! 🙂

Für mich sieht es fast so aus, als wären die Bänder mal in einem kleinen Unternehmen (oder bei einem ambitionierten Privatanwender) zum Einsatz gekommen. So gibt es für jeden Wochentag ein Band für eine inkrementelle Sicherung und für den Freitag ein weiteres Band für eine vollständige Sicherung. Samstag und Sonntag arbeitet keiner, da braucht man keine Backups! 😉

Ich hatte Glück und konnte sogar ein paar neue (noch original verschweißte) Kassetten für einen fairen Kurs (3€/Stück) ergattern. Keine Selbstverständlichkeit, denn noch neu verpackte Bänder können mittlerweile auch locker mal bis zu 40€ das Stück kosten, weil sie schon lange nicht mehr produziert werden!

Die Daten selbst werden mit einer Technologie namens „MLR“ auf die Magnetbandkassetten geschrieben. Die Aufzeichnung erfolgt dabei linear in einem seriellen Bitstrom auf parallel nebeneinanderliegenden Spuren. Im Datenblatt wird für das Laufwerk eine Übertragungsgeschwindigkeit von 3MB/Sekunde angegeben. Letztendlich ist das vermutlich nur ein theoretischer Wert – ich vermute, dass es in der Praxis eher langsamer sein wird… 😉

Fun Fact: Weitere populäre Formate zur Speicherung von Daten auf Magnetbänder waren bzw. sind z.B. DAT, DLT, LTO, QIC oder Travan.

Puh, jetzt reicht es aber wirklich mit der vielen Theorie… Eigentlich hatte ich heute vor auch die Funktion des Laufwerks noch zu testen, doch das müssen wir wohl aufs nächste Mal verschieben – sonst wird der Beitrag wieder viel zu lang! 🙂

Sorry! 😀

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