Bist du jetzt unter die Rapper gegangen, retrololo? Keine Angst, abgehacktes (und peinliches) Gestammel gibt es bei mir nur in schriftlicher Form. Der heutige Beitrag? Beweisstück A! 😛
In Artikel 233 habe ich euch ja einen Haufen „Elektroschrott“ gezeigt, welcher beim Ausräumen eines Kellerraumes zum Vorschein gekommen ist. Mit dem DTK-Computer (Tech-1260) sowie dem Sysline-PC (SLT450 ab Artikel 251) haben wir uns ja schon zu genüge beschäftigt. In Artikel 263 habe ich dann lauthals verkündet, dass wir uns mit dem „Proline-PC“ das letzte Computersystem aus dem Konvolut ansehen. Das war nicht gelogen! Allerdings habe ich euch zum damaligen Zeitpunkt ein kleines Detail unterschlagen: Es gibt es noch ein allerletztes „Stück Hardware“, welches ich vor dem Wertstoffhof gerettet habe – und genau das wollen wir uns heute ansehen. Hier ist das Ding:
Dieses Monstrum ist eine elektronische Schreibmaschine vom Typ „Brother EM-1050“. Was für ein fettes Gerät! Dass das Teil gefühlt eine Tonne wiegt, brauche ich vermutlich nicht erwähnen. 😀
Hm? Was bedeutet denn eigentlich „elektronische Schreibmaschine“? Nun, im Vergleich zu einem rein mechanischen Modell (welches die einzelnen Tastenanschläge direkt auf das Papier hämmert) werden bei der elektronischen Variante die Eingaben digital zwischengespeichert, bevor sie über eine Druckeinheit ausgegeben werden. Diese Druckeinheit kann letztendlich alles sein. Am gebräuchlichsten waren jedoch Typenrad- und Kugelkopfsysteme (wie man es von „klassischen“ Schreibmaschinen kennt). Einige Textverarbeitungssysteme hatten auch bereits Tintenstrahldrucker verbaut. Aha, das erklärt, warum das Ding also so riesig ist – es hat also eine Art Drucker verbaut!
In unserem „Big-Brother Modell“ (höhö) kommt eine Typenrad-Druckeinheit zum Einsatz, welche sich unter einer recht überdimensioniert wirkenden Klappe versteckt. Beim Typenrad-Druck sind alle druckbaren Zeichen in Kreisform an kleinen Metallärmchen angebracht. Durch Drehung des Rades wird das gewünschte Zeichen in Position gebracht und mit einem elektromagnetisch betätigten Stift gegen Farbband und Papier geschlagen.
Fun Fact: Durch Austausch des Typenrades kann die Schriftart gewechselt werden. Ist das nicht abgefahren? Stellt euch mal vor, ihr müsstet in eurem Drucker ein anderes Modul einbauen, um „Arial“ anstatt „Times New Roman“ zu drucken. Früher ging das alles nur manuell… 🙂
Ein Blick auf die Tastatur verrät sofort, dass es sich hier nicht um einen „normalen Computer“, sondern um ein Gerät handelt, welches für die Textverarbeitung optimiert wurde.
Hier finden sich neben Buchstaben und Ziffern nämlich auch zahlreiche weitere Tasten für diverse Sonderfunktionen. So lässt sich geschriebener Text scheinbar per Knopfdruck formatieren (z.B. fett, unterstrichen) oder sogar einzelne Wörter und Zeilen über eine einzige Taste löschen. Die Tastatur ist schon etwas Besonderes, viele der Tasten, bzw. Funktionen habe ich so noch nie gesehen! 🙂
Trotz ihrer Größe wirkt die Schreibmaschine zumindest von außen betrachtet (lässt man die Tastatur mal außen vor) recht schlicht und kompakt. Seitlich am Gerät ist z.B. lediglich der Netzschalter angebracht. Auf der anderen Seite befindet sich das „Sonderzubehör FB-400“, ein Diskettenlaufwerk, mit welchem sich angeblich Dokumente auch digital speichern lassen!
Fun Fact: Rechts neben dem Laufwerk befindet sich noch eine Buchse, welche als externe, parallele Schnittstelle fungiert. An dieser lässt sich (mit Hilfe eines speziellen Adapters namens „IF-20“) ein normaler Computer anschließen. Damit könnte man die Brother EM-1050 Schreibmaschine dann als Dokumentendrucker für einen PC verwenden, ist das nicht irre? Leider habe ich so ein Interface nicht auftreiben (und auch sonst keine Infos darüber finden) können, so bleibt uns der Versuch erspart! 🙂
Auf der Rückseite sowie an den Seiten der Schreibmaschine findet sich nicht viel Spannendes. Neben dem Ausgang zum Anschluss eines monochromen Bildschirmes findet sich lediglich eine serielle Buchse, an welcher weitere Peripheriegeräte angeschossen werden können. Laut Handbuch (welches ich glücklicherweise noch online auftreiben konnte), könnte man hier so Dinge wie eine „Einzelblattzuführungs-Einheit“ (CF-150) oder einen „Formulartraktor“ (TF-150) anschließen.
Ich gebe es zu – ich war etwas neugierig bei den beiden Begriffen, da ich mir gerade unter einem „Formulartraktor“ so rein gar nichts vorstellen konnte. Dementsprechend habe ich nochmal etwas genauer im Handbuch nachgelesen. Die Einzelblattzuführung (oben im Bild) verfügt über ein Vorratsmagazin für Einzelblätter. Konkret bedeutet das, dass die einzelnen Blätter automatisch eingezogen und nachdem sie beschrieben wurden, in einem anderen Behälter abgelegt werden – fast so wie bei einem „normalen“ Drucker! 🙂 Mit dem Formulartraktor (unten im Bild) kann dagegen Endlospapier automatisch eingezogen werden. Leider besitzen wir keine der Erweiterungen, dementsprechend müssen wir wohl händisch Papier in unser Textverarbeitungssystem einlegen! 😀
Ok, wir haben also eine Art „digitale Schreibmaschine“ vor uns. Um diese wirklich verwenden zu können, benötigen wir einen monochromen Bildschirm. Wie gut, dass mit dem „Brother CT-1050“ ein passendes, einfarbiges Display mit dabei war! 🙂
Der 12“ große, monochrome Bildschirm kann Auflösungen von 720×348 Pixel im MDA-Modus verarbeiten und Text in 80 Spalten mit 25 Zeilen darstellen. Auf der Rückseite des Monitors befinden sich ein paar Regler mit denen Dinge wie Helligkeit, Kontrast oder vertikale Bildposition eingestellt werden können.
Fun Fact: Tatsächlich haben wir mit dem „Samtron SM-430“ bereits einen ähnlichen, monochromen Bildschirm (siehe Artikel 233) in unserem PC-Fundus. Die Dinger haben sogar etwas gemeinsam: Beide Modelle zeigen das Bild in der Farbmischung Schwarz-Bernsteinfarben an.
Genug Theorie, es wird Zeit die Schreibmaschine und den Bildschirm einzuschalten, um zu schauen, ob etwas explodiert! 😀 Tatsächlich scheint das System aber zu starten und wir werden als erstes mit einer „BATTERIE IST LEER“-Meldung begrüßt:
Wenige Sekunden später landen wir automatisch im Editiermodus. Mensch, das erinnert mich ja vom Layout her fast etwas an den ISPF-Editor auf unserem Mini-Mainframe aus Artikel 172! 🙂
Jetzt können wir mehr oder weniger geistreiche Texte verfassen. In meinem Falle eher Letzteres! 😉
Fun Fact: Wer weiß, aus welchem PC-Spiel dieser Satz stammt, ist eine Legende 😛
Über die END-Taste wird die Eingabe beendet und wir gelangen in das Dateiverwaltungsmenü. Hier lassen sich die erstellten Textdokumente benamsen und abspeichern. Klingt gut, aber wohin werden eigentlich die Dokumente gespeichert? Tatsächlich verfügt das Gerät über 48kB an internem Speicher, in welchem Dokumente abgelegt werden können!
So die Theorie – denn leider ist nach einem Neustart des Geräts unser schönes Dokument wieder weg! Ich vermute, dass die Schriftstücke auf SRAM-Chips gesichert werden, welche zum Erhalt der Dateien eine Pufferbatterie benötigen. Zumindest würde das die „BATTERIE IST LEER“-Meldung beim Start des Brothers gut erklären. Batterie leer – Daten weg. So ist das Leben! 😀
Mal sehen, tatsächlich findet sich unter der Klappe der Druckeinheit (wenn wir diese etwas zur Seite schieben) eine CR2032-Knopfzelle. Gut, dass sich das Ding problemlos austauschen lässt. Hier hätten sich einige PC-Hersteller aus der Ära mal eine Scheibe abschneiden können! 🙂
Gesagt getan, mit neuer Batterie kommt die Fehlermeldung nicht mehr und unser geistreiches Dokument bleibt auch erhalten, sobald wir die Schreibmaschine ausschalten.
Eine Schreibmaschine ist natürlich nicht nur zum Schreiben, sondern auch zum Verewigen der geschriebenen Wörter auf Papier da. Dementsprechend sollten wir mal testen, ob sich tatsächlich noch Buchstaben auf ein Papier drucken lassen. Ich bin skeptisch, aber mutig legen wir ein leeres DIN-A4-Blatt in den Papiereinzug ein:
Theoretisch könnte man jetzt das Blatt manuell mit den seitlich an der Maschine angebrachten Rädchen (lt. Handbuch Walzendrehknopf genannt) einziehen, aber die EM-1050 besitzt sogar einen automatischen Papiereinzug, welcher über einen Tastendruck getriggert werden kann – crazy! 😀
Um unser schönes Manuskript zu drucken, müssen wir es auswählen und mit F10 den Druckvorgang initialisieren. Bevor es losgeht, werden allerlei Dinge abgefragt. Das Gerät weist uns z.B. darauf hin, dass wir doch bitte ein Blatt sowie ein bestimmtes Typenrad einlegen sollen. Ebenso könnte man in einem eigenen Druck-Dialog noch weitere Parameter (Randabstände, Kopf- und Fußnote) setzen.
Nach der Bestätigung wird aber dann tatsächlich der Druckvorgang gestartet. Männer – in Deckung! Hat da jemand das Schnellfeuer mit einem Maschinengewehr eröffnet? Ach nein, es ist nur das Typenrad, welches seine einzelnen Ärmchen mit voller Wucht auf das Papier einhämmert. Das hört sich tatsächlich so an, als stände ich mitten im Schützengraben eines Videospiels – irre! 😀
Hm, leider ist das Ergebnis noch nicht perfekt, ein Teil der Schrift scheint abgeschnitten zu sein.
Völlig logisch – wir haben ja auch vergessen, das richtige Papierformat an der Anlegekante der Papierstütze einzustellen! Schon klar, ein krasser Anfängerfehler, aber mich würde mal interessieren, wie ihr euch mit so einem antiken Gerät anstellen würdet! 😛
Neuer Versuch. Und siehe da – schon ist der Text nicht mehr abgeschnitten. Ok, das Schriftbild ist nicht ideal und wirkt etwas blass. Wenn ich raten müsste, würde ich drauf tippen, dass die Farbe auf dem Farbband schon etwas eingetrocknet ist. Unabhängig davon funktioniert es aber problemlos und wenn ich ehrlich bin überrascht es mich schon, dass das Teil nach so vielen Jahren ungenutzten Stillstands im Keller überhaupt noch was ausspuckt! 🙂
Apropos Farbband – das befindet sich bei unserem Schreibmaschinenmodell in einer speziellen Schreibbandkassette, welche recht einfach gewechselt werden kann. Es gibt zig unterschiedliche Arten von solchen Bändern (z.B. Karbonband, Plastikkarbonband, Multi-Karbonband und Gewebeband) in verschiedenen Farben und Ausführungen.
Fun Fact: Tatsächlich lassen sich auch heute noch entsprechende Kassetten für unser Modell käuflich erwerben, ist das nicht verrückt? 😀
Wow – ich fühle mich fast wie ein Inspektor in einem alten Agenten-Film, der das Farbband kontrolliert um herauszufinden, was der mutmaßliche Mörder als letztes geschrieben hat! 😀
Fun Fact: Laut Handbuch könnte man auch mit einem „Korrekturband“ bereits gedruckte Zeichen korrigieren. Dabei wird zwischen Lift-off- und Cover-up-Bändern unterschieden. Lift-off-Korrekturbänder heben das Geschriebene vom Papier wieder ab, während Cover-up-Korrekturbänder das Geschriebene überdecken. Ein antiker Tipp-Ex also! 😉
An dieser Stelle wollte ich euch jetzt eigentlich noch etwas über das Diskettenlaufwerk und die Funktion, Texte darauf zu speichern zeigen, aber wie sich bei intensiven Tests herausstellte, ist das Laufwerk wohl leider defekt. Ich habe es mit unterschiedlichsten Disketten (HD und DD) probiert, konnte aber keine der Disks (welche in anderen Laufwerken problemlos funktionieren) initialisieren.
Im Handbuch steht etwas davon, dass man nur 1D oder 1DD-Disketten verwenden soll. Tatsächlich habe ich ein paar dieser mittlerweile recht seltenen Exemplare, doch auch damit kann das Laufwerk nichts anfangen. Natürlich habe ich das Teil ausgebaut – in der Hoffnung ich könnte es einfach gegen ein Ersatzmodell (normales Diskettenlaufwerk) austauschen. Fehlanzeige – habt ihr schon mal so eine merkwürdige Bauform samt proprietärem Anschluss gesehen? Ich habe nirgendwo im Internet Informationen, geschweige denn ein Bild oder Ersatzteil auftreiben können. Es schmerzt, an der Ecke aufgeben zu müssen, aber manchmal muss man einsehen, wenn man eine Schlacht verloren hat! xD
So, ich denke viel mehr gibt es über die Schreibmaschine nicht zu erzählen. Ob ich das Ding behalten möchte und was ich damit anstellen könnte, weiß ich noch nicht. Mal sehen. In jedem Fall wollte ich euch an dem kurzen Blick auf das Gerät teilhaben lassen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit sich so ein altes, aber noch funktionales Ding anzusehen? Ich denke zu seiner Zeit war die Brother EM-1050 schon ein tolles Gerät. Schaut euch nur mal diese Killer-Ausstattungsmerkmale an! 😛
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!