Es ist kein Geheimnis – ich bin kein Horror-Fan. Ich kann gar nicht genau sagen, warum das so ist. Ich finde, das Leben hält schon genügend schockierende oder schreckliche Erlebnisse für einen bereit, sodass ich mir den „Kick“ nicht noch zusätzlich über gruselige Medien holen muss. Wer schon einmal eine ungeplante Wurzelkanalbehandlung über sich ergehen hat lassen, weiß wovon ich rede! 😛
Entsprechend skeptisch war ich, als mir durch Zufall auf einer bekannten Videospiel-Webseite der Titel „Darkestville Castle“ vorgeschlagen wurde. Ein vermeintlich böser Protagonist in Form eines fies grinsenden Dämons? Gequälte Dorfbewohner und ein eher düsteres Setting? Für gewöhnlich ist das nicht wirklich mein Beuteschema. Mir persönlich gefallen eher die bunteren Welten mit schillernden Charakteren. Doch was ist das? In der Beschreibung steht etwas von „Adventure“ – spätestens jetzt ist das Interesse geweckt und ich denke, wir sollten uns das Spiel doch mal etwas genauer ansehen! 🙂
Nanu? Schon wieder ein Adventure? Tja, was soll ich machen? Mir gefallen solche Spiele einfach sehr gut. Ich denke es gibt Leute, die etwas mit dem Genre anfangen können und andere, die vermutlich lieber freiwillig stundenlang Unkraut im Garten aus den Gehwegritzen kratzen würden, als sich durch endlose Dialoge zu klicken und vertrackte Rätsel zu lösen. Ich denke das ist völlig normal, Geschmack ist eben verschieden. Vielleicht kann ein sportaffiner FIFA-Zocker oder League-of-Legends-Nerd auch nichts mit GTA oder Call of Duty anfangen, wer weiß? 😉
Ist ja auch egal. Was wollten wir eigentlich machen? Ach ja – Darkestville erkunden, da war ja was! 😀 Das 2017 für PC erschienene Point-and-Click-Adventure wurde vom argentinischen Entwicklerstudio Epic Llama Games programmiert und vom russischen Publisher Buka Entertainment (vermutlich eher durch das hauseigene Tochterunternehmen ESDigital Games bekannt) veröffentlicht. Erst drei Jahre später wurde das Spiel für Xbox (One und Series X/S), Nintendo Switch sowie Playstation 4 portiert.
Um was geht es in dem Spiel? Wir schlüpfen in die Rolle eines breit grinsenden Dämons namens Cid, welcher in einem Schloss lebt und seine Nächte damit verbringt, möglichst viel Schabernack mit den Bewohnern des kleinen Ortes Darkestville zu treiben.
Soweit so klar, doch wo „böse“ ist, muss es auch „gut“ geben und entsprechend wird Cid von seinem Widersacher – einem recht harmlos aussehenden Menschen namens „Dan Teapot“ – heimgesucht. Dieser versucht seit Jahren, Cid in seinem Schloss einzusperren und in die Unterwelt zu verbannen, damit das friedliche Städtchen endlich wieder seine Ruhe hat.
Um dieses Ziel zu erreichen, lässt der gute Dan nichts unversucht und organisiert im Lauf des Spiels sogar ein paar Dämonenjäger, welche es auf Cid abgesehen haben. Diese scheinen allerdings nicht die Hellsten zu sein und nehmen anstelle von Cid dessen Haustier (einen Dämonen-Piranha namens Domingo) gefangen. Natürlich können wir das nicht auf uns sitzen lassen und so begibt sich unser untoter Protagonist auf die Quest, sein fischiges Haustier zu befreien. Wird Cid es schaffen, Domingo zu retten? Keine Angst, an dieser Stelle gibt es keinen Spoiler – spielt das Spiel lieber selbst! 😉
Mann, was für eine abgefahrene Story! Aber so richtig gruselig klingt das alles ja überhaupt nicht? Das anfänglich von mir falsch angenommene „Horror-Klischee“ streift Darkestville Castle bereits innerhalb der ersten Minuten humorvoll ab. Unser Protagonist ist ein geborener Zyniker und dank seiner Profession als teuflischer Dämon ist das Spiel vollgepackt mit schwarzem Humor. Genau mein Ding! 😀
Wie es sich für ein gestandenes Point-and-Click-Adventure gehört, kann Cid auf drei unterschiedliche Arten mit der Spielwelt interagieren. Per Mausklick öffnet sich ein Kontextmenü, über welches sich Gegenstände in der Spielwelt ansehen oder aufnehmen lassen. Mit Hilfe der dritten Option spricht Cid Leute an oder konsumiert ess- bzw. trinkbare Gegenstände.
Und wo landen diese Gegenstände, wenn wir sie aufnehmen? Natürlich hat Cid ein entsprechend großes Inventar (in Form einer alten Schatztruhe), in dem sämtliche, gefundene Objekte verstaut werden können. Öffnet man das Inventar mit dem Mausrad, lässt sich jedes einzelne Ding nochmal in Ruhe begutachten und ggf. mit einem anderen Gegenstand kombinieren, welcher dann wiederum zur Lösung eines Rätsels in der Spielwelt benötigt wird. Für alte Adventure-Hasen ist das mit Sicherheit auch nicht wirklich ein Geheimnis, aber dennoch an dieser Stelle ein kleiner Tipp: Es lohnt sich, hin und wieder die Stadtbewohner auf die einzelnen Gegenstände anzusprechen, um einen lustigen Spruch oder wertvollen Hinweis zu erhalten! 😉
Apropos ansprechen: Ein Gespräch wird in Form von auswählbaren Dialogoptionen geführt. Je nach Spielsituation kann es sein, dass man zu Beginn des Gespräches noch nicht alle Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung hat und diese erst mit der Zeit freischalten muss. In dieser Szene müssen wir z.B. erst unsere Schulden in der örtlichen Bar bezahlen, um neue Drinks beim Barmann bestellen zu können:
Diese Dynamik wird zu Beginn des zweiten Kapitels auf die Spitze getrieben, denn hier müssen wir durch geschicktes „Menü-Navigieren“ eine Kundensupport-Hotline eines „Tors zur Unterwelt“ überlisten, um an die benötigten Daten zum Zurücksetzen des Passworts für eben selbiges zu kommen. Das Rätsel ist mindestens so albern wie gleichzeitig kreativ und war für mich persönlich ein absolutes Highlight des Spiels. Wer schon einmal bei der Telekom in der Warteschleife hing und sich stundenlang durch Menüoptionen klicken durfte, wird sich hier wie zu Hause fühlen! 😛
Was den Schwierigkeitsgrad angeht, würde ich das Spiel eher auf der leichten Seite einordnen. Die Rätsel sind größtenteils logisch und ohne große Gehirnverrenkungen nachvollziehbar. Darkestville ist somit absolut einsteigerfreundlich, auch wenn es den ein oder anderen roten Hering gibt, der einen auf eine falsche Fährte führen kann. Es gibt keine Hilfe-Funktion in Form eines Tipp-Gebers oder eines Logbuches (oder ähnlichen Hilfsmittelchen), allerdings lässt sich per Knopfdruck (Ausrufezeichen rechts oben in der Ecke) die Hotspot-Anzeige aktivieren. Für echte Rätsel-Veteranen ist das ein No-Go, aber ich finde, es spricht nichts dagegen, wenn man nach schier endlosen Suchaktionen nach einem bestimmten Gegenstand, hin und wieder mal auf die Funktion zurückgreift.
Not so fun Fact: Eine Ausnahme macht meiner Meinung nach das „Tinten-Rätsel“. Wärt ihr darauf gekommen, dass ein Hotdog-Verkäufer etwas Tinte für uns hat, die er uns aber nur abgibt, wenn wir ihm als Gegenleistung einen alten, stinkenden Mantel „zum Verfeinern seiner Hotdogs“ geben? Ich bin froh, dass ich das Rätsel durch Zufall (reines „Ausprobieren“) innerhalb weniger Minuten erraten hatte. Ernsthaft – wer kommt auf sowas?!
Ach ja – vielleicht noch ein Satz zum Thema „Schwierigkeitsgrad“: Dieser lässt sich zu Beginn des Spiels auswählen. Allerdings gibt es bei der Auswahl neben dem normalen Schwierigkeitsgrad lediglich den sogenannten „Katzenmodus“. In diesem sind sämtliche Dialoge sowie Beschreibungstexte für Gegenstände, Orte und Personen durch Katzengeräusche ersetzt worden. Maximal albern und wenn man ehrlich ist auch maximal überflüssig. Echt schade, denn hier haben die Entwickler z.B. mit einem „extra knackigen Modus“ eine gute Chance verpasst, dem Spiel eine gehörige Portion Wiederspielwert zu verleihen.
Generell ist der geringe Schwierigkeitsgrad verbunden mit einer extrem knappen Spielzeit von ca. fünf bis zehn Stunden (verteilt auf drei größere Kapitel sowie Prolog, Finale und zwei Zwischenkapitel) vermutlich der größte Kritikpunkt des Spiels. Was man den Entwicklern aber zu gute halten muss, ist die Tatsache, dass sie die Geschichte nicht künstlich durch ewiges „Hin- und Herlaufen“ (eine typische Adventure-Krankheit) in die Länge gezogen haben. Jeder Ort kann über eine Karte innerhalb von wenigen Sekunden erreicht werden, ohne dass man mehrere Bildschirme ablaufen muss. Daumen hoch dafür!
Betrachtet man die Grafik des Spiels fällt auf, dass die Entwickler scheinbar ihr Augenmerk auf das Charakterdesign sowie deren Animationen gelegt haben. Diese wirken flüssig und sind liebevoll gezeichnet. Auch die einzelnen Schauplätzen, welche mich persönlich irgendwie an einen Freizeitpark mit Halloween-Setting erinnern, versprühen einen ganz eigenen, heimeligen Charme. An der Optik gibt es also nichts zu meckern und das Abenteuer von Dämon Cid kann meiner Meinung nach mit den ganz großen Platzhirschen des Genres (z.B. den sagenumwobenen LucasArts-Spielen) mithalten.
Zur Präsentation gehört natürlich auch der Sound! Die akustische Untermalung ist wirklich gelungen und begleitet uns während des gesamten Abenteuers im Hintergrund. Die Musik ist nie wirklich aufdringlich, vermittelt aber trotzdem einen, der jeweiligen Situation angemessenen Flair. Auch die (leider nur in englischer Sprache vorhandene) Vertonung des Spiels ist gelungen. Abstriche gibt es allerdings für die Vergabe einiger Nebenrollen. Während Protagonist Cid jederzeit passend betonte, sarkastische Sätze von sich gibt, sind die restlichen Sprechrollen meiner Meinung nach etwas schwächer besetzt. Das alles ist aber kein Beinbruch und bei einem recht kleinen Entwicklungsteam mit (vermutlich) entsprechend knapp bemessenen Budget verständlich.
Kommen wir nun vielleicht zum Offensichtlichem – dem Elefanten im Raum. So ziemlich alles an dem Spiel erinnert mich persönlich an Monkey Island 3 (siehe Artikel 117). Der tollpatschige, aber dennoch gerissene Antiheld, die Steuerung per Mausklick über das „Dreifach-Symbol“, ein Inventar in Form einer Schatztruhe sowie der Fake-Credits-Abspann mitten im Spiel:
Ihr wollt noch mehr Beispiele? Wie wäre es z.B. mit dem Geisterbeschwörungszauber, den man auf clevere Art und Weise aus einem Buch lernen, sich merken und im Laufe des Endkampfes erneut durchführen muss? Und noch ein Punkt erinnert mich an die Serie rund um die Affeninsel. Das überstürzte Ende mit einem herumwandernden Boss, der einen von Raum zu Raum jagt, kennen Adventure-Fans vermutlich bereits aus einem anderen Abenteuer. Der Endboss hat sogar eine Flamme in der Hand – fast so wie dieser eine untote Piratenkapitän, der uns in vergangenen Tagen schon mal mit der gleichen Methode durch eine Geisterbahn gejagt hat!
Das Spiel ist einfach voll mit zahlreichen Anspielungen und Referenzen an Guybrush’s drittes Abenteuer und wenn man das vermeintlich düstere Setting mal beiseite lässt, könnte man so weit gehen zu behaupten, dass die Entwickler sich mehr als nur ein paar Ideen von der Saga rund um Monkey Island geklaut haben. Ernsthaft – sogar die Kapitelüberblendungen sehen ähnlich aus!
Puh – ganz ruhig bleiben… Ein paar Unterschiede zum betagten Piratenabenteuer gibt es dann aber doch. Darkestville Castle treibt z.B. das „Antihelden-Paradigma“ auf die Spitze. Während Guybrush meist noch gute Absichten hat, ist Cid überwiegend böse und betont das auch bei jeder möglichen Gelegenheit. Erst im Verlauf des Spiels entwickelt sich sein Charakter und er erkennt, dass er eigentlich nur ein kleines Dämonen-Licht am Unterwelt-Horizont ist. Auch fällt der Humor im Vergleich zu Monkey Island meist deutlich direkter und weniger subtil aus. Das ist nichts Schlechtes und die Witze sind sehr gut platziert, dass sie trotzdem so gut wie immer zünden.
Gerade die beiden im Spiel auffindbaren Büchern (Biologiebuch und Buch über Geisterbeschwörung) enthalten ein paar amüsante Beschreibungstexte:
Na, welcher gelbe Pillenfresser könnte wohl hier gemeint sein? 😀
Preisfrage: Wisst ihr, auf welche populäre Videospielfigur sich die „Schnauzbartstarre“ bezieht? 😉
Jemand Bock auf Ente mit Speck? 😛
So, nun ist aber gut. Viel mehr sollte ich besser nicht verraten, schließlich sollt ihr euch ja selbst die Zeit nehmen und das Spiel spielen! 🙂
Darkestville Castle ist eines dieser typischen Adventure-Spiele, das vermutlich keine Sau kennt, obwohl es das verdient hätte. Wenn ich das Spiel zusammenfassend beschreiben müsste, würde ich sagen, dass es mir massive “Monkey-Island-3”-Vibes verpasst hat. Das ist definitiv was gutes, da es sich dabei bekanntlich um eines meiner absoluten Lieblingsspiele handelt. Ganz klare Stärke dieser Hommage an die Point-and-Click-Abenteuerspiele der späten 90er Jahre ist der Humor (hatte ich das schon erwähnt? :P) und die handgezeichnete Spielwelt. In jedem Fall kann ich jedem, der das Städtchen Darkestville erkunden möchte, Cid als sympathischen Begleiter empfehlen! 🙂
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!