#309 – retro PC madness – Philips P 3202-342 – I

Nein, das darf doch nicht wahr sein! Willst du uns heute etwa nochmal mit einem Beitrag über einen alten Computer quälen? „Sorry, but yes“ lautet die kurze Antwort. Gebt mir bitte dennoch eine Chance, es zu erklären.

Um ehrlich zu sein hatte ich nach dem letzten, extrem anstrengenden PC-Projekt (siehe Reihe über den Olivetti PCS 286 ab Artikel 290) gar keine Lust mehr, mich mit einem weiteren Rechner zu beschäftigen. Wie so oft kam mir aber mal wieder der Zufall in die Quere.

Noch vor gar nicht all zu langer Zeit haben wir uns eine elektronische Schreibmaschine vom Typ „Brother EM-1050“ angesehen. Während ich in Artikel 299 noch überlegt hatte, ob ich das gute Stück (trotz defektem Diskettenlaufwerk) behalten möchte oder nicht, wurde mir diese Entscheidung mittlerweile abgenommen.

Vor ein paar Tagen wollte ich das Ding erneut einschalten und dabei hat es sich mit einem lauten Schlag (samt geflogenem FI-Schalter im Sicherungskasten), begleitet von giftig riechendem Rauch, welcher aus der Rückseite des Geräts ausgetreten ist, verabschiedet. Ich vermute, dass es irgendwelche Kondensatoren im Netzteil erwischt hat:

Vermutlich wäre eine Reparatur machbar, lohnt sich aber nicht wirklich, da das Einsatzgebiet so einer Schreibmaschine doch recht begrenzt ist und es online tatsächlich noch zahlreiche Angebote von ähnlichen Modellen in einem wesentlich besseren Zustand für wenige Euros gibt. Dementsprechend wird das Gerät vermutlich im Lauf der nächsten Tage zerlegt werden. So kann es zumindest noch als „Organspender“ für andere, defekte Retro-Hardware dienen. Grundsätzlich bin ich immer für Reparatur oder Upcycling von so Zeug, aber man muss wissen, wann man von einem toten Pferd absteigen sollte! 😀

Fun Fact: Retrololo aus der Zukunft hier: Tatsächlich habe ich mich dann letztendlich doch gegen eine Schlachtung entschieden. Die Schreibmaschine hat – gegen Erstattung der Portokosten – ein neues Zuhause bei einem Sammler solcher Geräte gefunden. Umso besser! 🙂

Soweit so klar, doch was machen wir mit dem Monitor? So einen schönen (und vor allem funktionstüchtigen) Bildschirm kann man doch nicht alleine in der Gegend herumstehen lassen! 😛

Ich habe ganz schön lang gegrübelt, um einen halbwegs sinnvollen Einsatzzweck für den 12“ großen, monochromen Bildschirm vom Typ „Brother CT-1050“ zu finden. Schön wäre es, wenn wir das Gerät an einem Retro-PC-System anschließen könnten, doch wo findet man noch so alte Rechner, wenn man sie nicht durch Zufall beim Entrümpeln alter Kellerräumen entdeckt? 😉 Manchmal muss eben doch das Internet nachhelfen, denn im Rahmen einer eBay-Auktion bin ich dann tatsächlich fündig geworden. Hättet ihr diesem Computer-Urgestein des Herstellers Philips widerstehen können? Ich weiß, vermutlich hättet ihr das – aber ich kann es nicht! 😛

Alter – was für ein Gerät! Im Vergleich zu dem kleinen Olivetti-PC (siehe Artikel 290) wirkt der Philips-Rechner geradezu monströs und erinnert mich fast etwas an den adb 8088 aus Artikel 282. Tatsächlich weiß ich recht wenig über den PC und es war eher ein „Impulskauf“, da die entsprechende Auktion kurz vor Beendigung stand und mir die schlichte Optik des Geräts gefallen hat. Um euch die Größe des Teils zu verdeutlichen, habe ich mal eine CD auf die Oberseite gelegt.

Fun Fact: Tatsächlich ist das Ding nochmal etwas schwerer als die – eh schon sehr schwere – Schreibmaschine. Ich bin richtig gespannt, was sich alles in dem massiven Metallgehäuse versteckt! 🙂

Na, dann wollen wir uns das gute Stück doch mal etwas genauer ansehen. Auf der Oberseite findet sich ein recht mitgenommener Aufkleber. Das PC-System wurde wohl von „Pro Bit“, bzw. der „Esch & Pickel GmbH“ gebaut, die scheinbar in den Achtzigern Vertriebspartner von Philips-Produkten waren.

Fun Fact: Das in Koblenz ansässige Unternehmen scheint es sogar heute noch zu geben, allerdings hat sich die GmbH mittlerweile wohl als Beratungsfirma auf die Optimierung von Geschäftsprozessen sowie Dokumentenmanagementsoftware und den Vertrieb von ERP-Systemen spezialisiert.

Auf der Vorderseite finden wir die Modellbezeichnung „P 3202“. Der PC war wohl Teil der Produktreihe „P 32“ – einer Serie von mit Intel 286 CPU ausgestatteten PCs. Ein konkretes Baujahr weiß ich nicht, aber ich würde mal vermuten, dass das System ca. ab Mitte der Achtzigerjahre gebaut und vertrieben wurde.

Not so fun Fact: Leider konnte ich kaum etwas über das Modell herausfinden. Lediglich in einem Artikel auf einer längst gelöschten Microsoft Support-Seite wird das System von Microsoft als ein zur Nutzung in Kombination mit Windows 3.0 zertifiziertes Gerät ausgewiesen. Lang ist’s her! 😉

Ebenso findet sich auf der Vorderseite ein 5,25“ Diskettenlaufwerk. Auf Grund des Alters würde ich schätzen, dass es sich vielleicht sogar schon um ein „HD-Laufwerk“ (High Density), welches mit 1,2 MB formatierten HD-Disketten umgehen kann, handeln könnte. Lediglich die ganz alten DD-Laufwerke können nur mit 360 kB (Double Density) formatierten Disketten arbeiten.

Oha, was ist das? In dem Laufwerk befindet sich sogar noch eine Diskette, auf welcher sich laut Aufkleber „MS-DOS 3.3“ befinden soll. Sehr interessant, vielleicht können wir damit den PC – sofern er noch funktioniert – sogar starten.

An den Seiten des Geräts gibt es nichts spannendes (außer dem stark verkratzten Metallgehäuse) zu entdecken. Auf der Rückseite findet sich dagegen eine merkwürdige Plastikabdeckung, welche von zwei Flügelmuttern am PC festgehalten wird.

Die ungewöhnliche Konstruktion ist eigentlich ganz pfiffig, denn die Plastikhaube ist nur nach unten hin geöffnet. So können Kabel am PC angesteckt und ggf. zentral nach unten weg geführt werden.

Schrauben wir die beiden Muttern ab, kommt die eigentliche Rückseite des Rechners zum Vorschein:

Dank dem dort angebrachten Typenschild wissen wir nun, dass es sich um die Ausbaustufe „342“ des Modells „P 3202“ handeln muss. Direkt daneben findet sich eine fünfpolige DIN 41524 Buchse zum Anschluss einer Tastatur.

Fun Fact: Laut dieser Anzeige aus der „CC Seller Marktübersicht“ von Juni 1987 beinhaltete das System in der Ausstattungsvariante eine 8 MHz Intel 80286-CPU, 640 kB Hauptspeicher, eine 45 MB Festplatte sowie ein 1.2 MB HD-Diskettenlaufwerk und kostete sage und schreibe 11.345 DM – und wir reden hier von Netto-Preisen! Je nach gewünschter Ausbaustufe konnte man z.B. für einen Farbbildschirm oder einen Drucker nochmal mehrere Tausende Mark drauflegen. Zusammen mit einem monochromen Bildschirm sowie „Universaldrucker“ (anstatt Matrixdrucker) lag der Listenpreis bei 18.565 DM – richtige Bonzen gönnten sich für CAD-Anwendungen gleich 1 MB RAM, sowie einen Farbbildschirm mit Digitalisierungstablett für schlappe 39.715 DM. Wahnsinn! 😀

Ein Blick auf auf die verbauten Einsteckkarten verrät, dass wir mutmaßlich eine uralte Netzwerkkarte (links) samt BNC-Anschluss sowie einer 15-polige D-Sub-Buchse verbaut haben. Direkt daneben (in der Mitte) findet sich eine Einsteckkarte, welche einen parallelen sowie einen seriellen Port zur Verfügung stellt. Als dritte Karte im Bunde (rechts) gesellt sich mutmaßlich eine MDA-kompatible Grafikkarte mit neunpoligem Sub-D-Stecker sowie einem weiteren Parallelport hinzu.

Fun Fact: Die 15-polige Buchse auf der Netzwerkkarte kann nicht (wie ursprünglich von mir angenommen) als „Gameport“ (z.B. zum Anschluss von Gamepads oder Joysticks) verwendet werden, sondern wurde für Ethernet-Netzwerke im 10BASE5-Standard (in Kombination mit einer AUI und MAU) verwendet. Ich weiß – mega retro – interessiert heute keine Sau mehr 😀

Zu guter Letzt findet sich auf der Rückseite noch die Versorgungseinheit des PCs. Was mich etwas irritiert ist, dass sich hier auch der Ein- und Ausschalter des PCs befindet. Wie zur Hölle soll man denn den Rechner starten, wenn die Plastikabdeckung angeschraubt ist und somit den Knopf verdeckt?

Aha – Wir haben eine Kleinigkeit auf der Vorderseite vergessen. In der Ecke rechts unten findet sich ein Schlüsselschalter. Da ich sonst keinen Knopf an dem PC gefunden habe, würde ich mal vermuten, dass man den Rechner durch Herumdrehen des Schlüssels starten kann. Eventuell lässt sich über diesen Weg auch die Tastatur für Eingaben sperren. Was es mit der Stufe „R“ auf sich hat, kann ich nicht sagen. Es wirkt so als wäre ein Federmechanismus dahinter. Vielleicht kann man damit den Computer neu starten („R“ für Reboot)? Jetzt bin ich aber wirklich gespannt! 😀

Bevor wir es jedoch wagen, den Rechner an den Strom zu hängen, sollten wir das gute Stück nochmal aufschrauben um zu prüfen, was tatsächlich an Komponenten verbaut wurde und ob es ggf. einige offensichtliche Schäden gibt. Dafür lösen wir die drei Schrauben auf der Rückseite…

…und ziehen das Gehäuse langsam nach hinten heraus. Laut Verkäufer ist der PC ein Dachbodenfund, welcher das letzte Mal in den Achtzigern verwendet wurde. Das wirkt absolut glaubhaft, wenn ich mir so die Staubmengen ansehe, die aus dem Gehäuse herauspurzeln! xD

Nach einer groben Reinigung kommen dann tatsächlich auch ein paar Bauteile zum Vorschein. Es ist schon verblüffend, dass das Gehäuse trotz seiner enormen Größe ziemlich vollgepackt ist.

Der Prozessor versteckt sich vermutlich irgendwo unterhalb des Netzteils. Wir können lediglich eine Ecke davon hinter dem Diskettenlaufwerk erspähen. Auf dem Bild ist es leider nicht wirklich gut zu erkennen, aber mit einer Taschenlampe konnte ich zumindest herausfinden, dass es sich um eine CPU vom Typ FaradayFE3000A“ der Firma Faraday Electronics handelt. Das Unternehmen baute wohl IBM-PC-kompatible Chipsätze, welche in PCs von mehreren Herstellern verwendet wurden.

Eine Suche nach Daten zu dem Philips-Mainboard vom Typ „5107-200-27053“ blieb leider erfolglos. Man merkt einfach, dass das alles Teile sind, die vor der Blütezeit des Internet gebaut, verkauft und vermutlich größtenteils schon wieder verschrottet wurden.

Auch bei den beiden RAM-Modulen (30-Pin-SIMM) bin ich mir nicht ganz sicher, um was für Bauteile es sich exakt handelt. Müsste ich raten, würde ich darauf tippen, dass es jeweils 64 kB große Micron Technology Module vom Typ „MT9068M-12“ sind. Da ich davon ausgehe, dass der PC insgesamt 640 kB RAM verbaut hat, würde ich mutmaßen, dass sich irgendwo auf dem Mainboard noch weitere 512 kB in Form von fest verbauten DIP-Chips befinden.

Viel mehr will (oder kann?) ich zum Mainboard eigentlich auch gar nicht sagen. Vielleicht macht es Sinn, noch einen kurzen Blick auf die verbauten ISA-Einsteckkarten zu werfen.

Als Grafikkarte ist eine 8-Bit-Karte vom Typ „AST Preview!“ verbaut. Schon witzig – während heutzutage die Grafikkarten immer „dicker“ werden und gleich mehrere Slots belegen, ist die AST-Karte extrem lang und muss aus Stabilitätsgründen auf der anderen Seite des Gehäuses (dort wo sie nicht mit der Rückseite verschraubt wird) von einer Plastikführung gehalten werden! 😀

Leider konnte ich so gut wie nichts über das Teil herausfinden. Ich würde vermuten, dass es sich um eine monochrome Karte handelt, welche mit dem MDA-Standard (reine Textdarstellung mit 25 Zeilen mal 80 Zeichen) arbeitet. Im besten Fall wird auch der Hercules-Standard (HGC) zur einfarbigen Grafikdarstellung unterstützt. Erst die Nachfolgemodelle (z.B. „AST-3G“) hatten einen Schalter verbaut, mit dem man zwischen verschiedenen Grafikmodi (z.B. CGA oder EGA) in Abhängigkeit vom angeschlossenen Bildschirm wählen konnte.

Fun Fact: Erst im Nachgang des Beitrags habe ich dann zumindest noch eine Werbeanzeige für die AST Preview!-Karte gefunden. Auf Seite 19 des BYTE-Magazins vom September 1985 wird das Ding für schlappe 399 Dollar beworben. Wer da nicht zugreift, ist selbst schuld! 😉

Als nächstes haben wir nochmal eine richtig fette Karte (diesmal allerdings 16 Bit) vom Typ „Intel 300347-006“.

Anhand des verbauten L1A3502-Mikrocontrollers sowie der zahlreichen RAM-Bausteine (KM41256AP-12 und P21256-12) vermute ich, dass es sich dabei um eine RAM-Erweiterungskarte von Intel („Intel Above Board“) handelt. Mit solchen Karten kann man für gewöhnlich zusätzlichen Arbeitsspeicher im Rechner verbauen, welcher dann (je nach Konfiguration) unterhalb der 640 kB Grenze, oberhalb der Grenze oder sogar in Form von EMS-Speicherbereichen adressiert werden kann. Eine voll bestückte Karte liefert bis zu 2 MB weiteren Speicher. Da unsere Karte nur zur Hälfte mit RAM-Bausteinen bestückt ist, müsste es also ein zusätzliches Megabyte sein.

Fun Fact: In Artikel 257 haben wir noch von einer dieser unbezahlbaren, sog. „Memory Expander“-Steckkarten gesprochen, als wir versucht haben, das Spiel „Day of the Tentacle“ zum Laufen zu bekommen. Verrückt, dass jetzt tatsächlich eines dieser Dinger (ich glaube es ist das Modell „Above Board AT“) hier auf dem Schreibtisch liegt! 😀

Genug von diesen überdimensionalen Karten. Wie wäre es mal zur Abwechslung mit was Kleinerem? Über diese 8-Bit-Philips I/O-Karte gibt es nicht wirklich viel zu sagen. Wie vermutet, stellt das Ding dem PC einen seriellen sowie parallelen Port zur Verfügung. Mit Hilfe von zwei Jumpern lassen sich die Adressen der beiden Ports anpassen (z.B. COM1 in COM2 verändern).

Gleiches gilt für die verbaute Netzwerkkarte vom Typ „NE1000“ (738-160-001 Rev. C) des Herstellers „Novell“ von 1988. Oberflächlich betrachtet ist die Karte mit den veralteten Anschlussmöglichkeiten aus heutiger Sicht maximal überflüssig. Immerhin sieht es so aus, als wäre darauf ein Steckplatz für ein „Boot-ROM“ frei. Vielleicht könnte man die Karte so bei Bedarf missbrauchen, um darin einen EEPROM mit dem XTIDE-BIOS aufzustecken und damit vom BIOS nicht unterstützte Festplatten zu verwenden. Wer sich erinnert – solche Schweinereien haben wir in Artikel 293 schon mal gemacht! 😉

Die letzte 16-Bit-Einsteckkarte hat es dann aber noch mal in sich:

Hier haben wir einen Disketten- und Festplattencontroller vom Typ „WD1003-WA2“ des Herstellers Western Digital von 1985. An diesem dicken Ding lassen sich zwei Diskettenlaufwerke und zwei MFM-Festplatten anschließen. Auch hier könnte man über Jumper die Hardwareadressen der angeschlossenen Geräte ändern, aber ich traue mich gar nicht, irgendwo hin zu langen! 😀

Genug der Theorie – eigentlich wäre es jetzt langsam mal an der Zeit, den Rechner anzuschließen. Leider sind wir schon wieder am Ende des heutigen Beitrags angekommen. Es müsste euch doch mittlerweile gar nicht mehr überraschen, dass ein Artikel mit einem Cliffhanger endet, oder? 😛

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!

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