Beim letzten Mal haben wir den Philips-Computer (P 3202-342) ja schon recht genau unter die Lupe genommen und versucht, die verbauten Komponenten zu identifizieren.
Jetzt ist es aber endlich an der Zeit, herauszufinden, ob das gute Stück noch funktioniert. Um ehrlich zu sein, habe ich nach so langer Standzeit (mutmaßlich ca. 35 Jahre) richtig Angst, das Ding einzuschalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kondensator ausgelaufen ist, oder dass sich im Lauf der Jahre durch ein anderes defektes Bauteil ein Kurzschluss gebildet hat, ist meiner Meinung nach recht hoch. In jedem Fall sollten wir vorher möglichst alle nicht zwingend benötigen Einsteckkarten ausbauen und für einen ersten Test lediglich das Mainboard sowie die Grafikkarte im PC zulassen.
Jetzt heißt es Daumen drücken und beten, dass nichts in die Luft fliegt. Mit angeschlossenem Strom lässt sich der PC tatsächlich über das Drehen des Schlüssels starten – was für eine coole Mechanik! 🙂
Fun Fact: Es ist wirklich verblüffend, für wie viel unterschiedliche Funktionen diese Schlüsselschalter verwendet wurden. Mir ist bisher einiges untergekommen (z.B. das Sperren von Keyboardeingaben, eine mechanische Blockade der Öffnung des Gehäuses, das Sperren von Festplattenzugriffen oder die Deaktivierung des Power-Knopfes), aber der Start eines PCs mit einem Schlüssel ist mir neu!
Es ertönen allerlei Geräusche, wie z.B. der Schrittmotor des Diskettenlaufwerks, der Motor der Festplatte sowie ein paar Beep Codes, die ich vorerst nicht weiter einordnen kann. Das alles sind aber gute Zeichen, denn es bedeutet, dass der PC versucht zu booten.
Nachdem noch nichts in die Luft geflogen ist, können wir es wagen, den Monitor und eine Tastatur mit anzuschließen. Ich habe ich mir die LionTech-Tastatur aus Artikel 233 gekrallt. Ein zugegeben etwas „wildes“ Setup, aber es geht ja erst mal nur darum zu sehen, ob das Teil wirklich läuft.
Fun Fact: Über den Stromausgang des Netzteils könnte man vermutlich auch den Monitor direkt an den Rechner (ohne eigenes Stromkabel) anschließen. Da dieser Port aber nur 0,75 Watt bei 230 Volt liefert, riskiere ich es lieber nicht den monochromen Brother-Bildschirm daran anzuschließen. Auf der Rückseite steht etwas von 30 Watt und ich will nicht, dass es mir das PC-Netzteil zerschießt! 😉
YES – it’s alive! Tatsächlich bekommen wir eine Bildschirmausgabe zu sehen. Zwar poppt uns auch gleich eine Fehlermeldung auf Grund einer leeren BIOS-Batterie entgegen, aber alles andere hätte mich auch gewundert! 😀
Fun Fact: Sieht so aus, als hätten wir mit der Schätzung, dass sich insgesamt 640 kB Arbeitsspeicher in dem PC befinden, Recht gehabt! 🙂
Aber unabhängig davon – ist das nicht unfassbar? Knapp 35 Jahre steht das Ding unbenutzt auf dem Dachboden und startet dann direkt beim ersten Anlauf. Um ehrlich zu sein bin ich geplättet! 🙂 Beim Versuch die F1-Taste zu drücken, passiert aber leider nichts. Wie in Artikel 309 vermutet, müssen wir den Schlüssel noch um weitere 45 Grad nach rechts drehen, um die Tastatur zu entsperren:
Fun Fact: Es fühlt sich tatsächlich so an, als würde man die Zündung bei einem Auto auslösen und anschließend, durch weiteres Drehen des Schlüssels, den Motor starten! 😀
Mit entsperrter Tastatur können wir F1 drücken, damit der Startprozess weiter läuft. Leider findet der PC kein Betriebssystem. Ich vermute, dass liegt daran, dass sämtliche CMOS-Einstellungen verlorengegangen sind und so auch die Festplattengeometriedaten nicht mehr im BIOS vorhanden sind. Die zentrale Frage ist sowieso, ob die Festplatte überhaupt noch lauffähig ist. Meistens ist das eines der Teile, was am ehesten nach so langer Zeit defekt ist.
Bevor wir das klären, sollten wir erst mal versuchen, den PC von einer Diskette zu starten. Hatten wir nicht sogar noch eine MS-DOS-Systemdiskette, welche all die Jahrzehnte in dem Laufwerk verbracht hat? Ich denke, das ist ein guter Kandidat für einen ersten Startversuch.
Nanu? Die Diskette lässt sich gar nicht vollständig in das Laufwerk einlegen. Es scheint fast so, als würde da irgendwas mechanisch blockieren. Zur Sicherheit habe ich es noch mit einer weiteren Disk versucht, aber der Fehler bleibt der Gleiche.
Komisch – irgendwie kommt mir das Thema so bekannt vor. Hatten wir den Fehler nicht schon mal bei irgendeinem anderen PC, bzw. Laufwerk? Stimmt, da war was – ich erinnere mich! In Artikel 273 war es ein Gerät vom Typ NEC FD1157C, welches exakt das gleiche Problem hatte. Leider weiß ich nicht mehr, was den Fehler verursacht hat, also bleibt uns nichts anderes übrig, als das Laufwerk auszubauen und aufzuschrauben. Was sagt ihr zu dem Mechanismus, der das Gerät hängend im PC mit einer Trägerplatte verankert? Ich finde das ist wirklich clever gelöst! 🙂
Ich fasse es nicht – wie es der Zufall will handelt es sich auch bei dem Laufwerk um ein FD1157C der Firma NEC – diesmal allerdings nicht aus dem Baujahr 1991 sondern 1988. Und während ich so in Richtung des Schreib-/Lesekopfes blicke, fällt mir auch sofort wieder das Problem dieser Dinger ein. Die Metallabdeckung des Schreib-/Lesekopfs ist einfach nur mit etwas Schaumstoff am Kopf verklebt. Dadurch löst sich die Abdeckung nach ein paar Jahren, fällt herunter und blockiert Disketten beim Einlegen. Frustrierend, dass uns das Problem jetzt schon zum zweiten Mal trifft xD
Gut, dass der Fehler leicht zu beheben ist. Während ich in Artikel 273 noch darauf verzichtet habe, die Abdeckung wieder anzubringen, sollten wir es diesmal definitiv tun. Nicht nur hält das Ding Staub vom Kopf fern, auch verhindert das Metallteil, dass der Schreib-/Lesekopf zu stark vibriert und so Daten nicht korrekt gelesen oder geschrieben werden können. Bevor wir das Ding auf den Kopf kleben, sollten wir noch ein Stück Schaumstoff einlegen, damit die Unterseite der Abdeckung nicht auf einer eingelegten Diskette aufliegt und ggf. bei einer Positionsveränderung des Kopfes schleift.
Not so fun Fact: Ich musste noch einige weitere Kniffe (z.B. den schwergängigen Knebel ölen oder den dreckigen Schreib-/Lesekopf reinigen) anwenden, damit das Laufwerk wieder halbwegs zuverlässig Disks gelesen hat. Leider würde das den Rahmen des Beitrags – welcher ja eigentlich über den PC an sich sein soll – sprengen. Vielleicht schauen wir uns irgendwann in einem zukünftigen Artikel mal an, wie man solche Laufwerke überholt. 🙂
Mit wieder zusammengebautem Laufwerk können wir nun versuchen, den PC von einer Floppy Disk zu starten. Leider sieht es so aus, als wäre die Systemdiskette (also die, die beim PC dabei war) defekt. Zumindest lässt sich der Bootsektor, welcher zum Start benötigt wird, nicht mehr lesen. 🙁
An dieser Stelle habe ich einiges herumprobiert und habe letztendlich mit Hilfe des Tech-1260-PCs aus Artikel 233 und der Software „DskImage“ ein Image von der fehlerhaften Diskette (samt einigen defekten Sektoren) gezogen – in der Hoffnung, dass wir noch einen Großteil der Dateien retten können. Daraus habe ich dann eine neue 1,2 MB HD-Diskette mit MS-DOS-Startsystem erstellt. Auch die originale AUTOEXEC.BAT konnte ich über diesen Weg retten! 🙂
Fun Fact: Das Erstellen und Schreiben von Diskettenimages unter DOS wäre auch ein spannendes Thema, würde aber wohl den Rahmen des Beitrags über den Philips-PC sprengen. Vielleicht kommen wir bei Gelegenheit mal dazu, uns das anzusehen. Echt schlimm, so viele Ideen und Projekte…
Und siehe da – tatsächlich können wir mit Hilfe der neuen Disk den Rechner starten. Ich finde, dieser netten Begrüßungsnachricht ist nichts mehr hinzuzufügen! 😀 Schon witzig, oder? Das hätte „Holger“ bestimmt auch nicht gedacht, dass sich über drei Jahrzehnte später ein Fremder nochmal diesen Text durchliest! xD
He – der Aufkleber auf der Diskette hat uns angelogen! Tatsächlich befindet sich MS-DOS 3.2 (genau genommen 3.21.02) auf der Disk und nicht MS-DOS 3.3. Schweinerei! 😛
Ist aber im Endeffekt auch egal. Da der PC grundlegend zu funktionieren scheint, sollten wir uns jetzt meinem Lieblingsthema widmen. Der BIOS-Batterie. Doch wo ist die eigentlich auf dem Mainboard? Hm, ich hatte doch vorhin nach dem Ausbau des Diskettenlaufwerks unterhalb der Abdeckung für ein zweites Laufwerk irgendetwas in die Richtung gesehen… Oh nein, bitte nicht!
Ich kann euch gar nicht sagen, wie eiskalt der Schauer ist, der mir gerade über den Rücken läuft. Leider ist auch auf diesem Motherboard anstatt einer freiliegenden Knopfzelle ein Dallas-RTC-Chip verbaut. Und natürlich ist er auch bei diesem PC nicht gesockelt, sodass wir den Chip nicht einfach ersetzen können. Mittlerweile muss ich euch vermutlich nicht mehr erklären, was an diesen batteriegepufferten Uhrenbausteinen so schlimm ist. Welcher Designer kam bitte auf die Idee, die Batterie zum Erhalt der BIOS-Einstellungen mit in den Chip zu gießen? Gott, ich hasse diese Teile! 🙁
Fun Fact: Treue Leser erinnern sich vielleicht noch an die gruseligen „Dallas-Chip-Operationen“, welche wir in Artikel 252 beim Sysline-PC oder Artikel 292 Olivetti-Rechner durchgeführt haben. 😀
Ernsthaft – was ist nur los mit dem Thema „BIOS-Batterien“? Muss das wirklich jedes Mal so ein Drama sein? An dieser Stelle habe ich intensiv recherchiert, ob es nicht doch eine andere Möglichkeit gibt, als wieder den Chip fräsen zu müssen. Tatsächlich besitzt das Mainboard auch einen Anschluss für eine externe Batterie, doch leider können wir diesen nicht benutzen, da der dazugehörige Schaltkreis nicht vollständig verbaut wurde.
Ich vermute, dass der Anschluss für eine andere Version des Boards (ohne Dallas-Chip, dafür aber z.B. mit Varta-Akku) gedacht war. Entsprechend wurden einige Bauteile (ein paar Dioden, Widerstände, Transistoren und mindestens ein Kondensator) weggelassen. Theoretisch könnte man jetzt versuchen, alle Bauteile zu ersetzen, um so den Schaltkreis wiederherzustellen und zu verhindern, dass die externe Batterie die interne Knopfzelle während des Betriebs auflädt (das würde nur bei einem Akku funktionieren). Eine zugegeben etwas verrückte Idee, seht es mir nach, dass ich bei einem so seltenen Stück Hardware wenig Lust habe, auf „gut Glück“ irgendwelche Bauteile auf dem Board zu verlöten, nur um das Ding dann abrauchen zu sehen.
Echt schade, denn mit dem Schaltkreis hätten wir eine Art „Batteriepack“ wie in den Artikeln 234 oder 273 verbauen können. Es hilft alles nichts – wir müssen also wieder den Chip bearbeiten, um an den Pluspol der verbauten Zelle heran zu kommen. Keine Panik – ich erspare euch die mühselige Prozedur und wir schauen uns lieber gleich das Ergebnis an.
Fun Fact: Den Minuspol habe ich (ähnlich wie in Artikel 292) von der Unterseite der Platine abgegriffen. Es reicht schon, wenn wir ein Loch in den dämlichen Chip bohren müssen! 😀
Mit einem Batteriehalter für eine neue Knopfzelle versehen schaut die Welt doch gleich besser aus! 🙂
Die Frage, die es jetzt zu klären gilt ist, ob die Operation erfolgreich war und der Rechner mit der neuen Knopfzelle umgehen kann. Nach einem Neustart erscheint leider wieder die CMOS-Fehlermeldung. Das war zu erwarten, da wir ja noch keine gültigen BIOS-Einstellungen gesetzt haben.
Hm, wie kommt man eigentlich ins BIOS? Leider habe ich nirgendwo eine Tastenkombination oder einen Hinweis gefunden, wie man in ein „PHILIPS-BIOS“ einsteigt – sehr merkwürdig! Tja, erst nach einer weiteren Recherche ist mir wieder eingefallen, dass bei ganz frühen IBM AT-Maschinen (sowie Klonen davon) die Daten im BIOS-RAM nur durch ein externes Setup-Programm verändert werden können. Kein Scherz – wir benötigen also ein Tool. Doch woher bekommen wir das? Für gewöhnlich wurde das auf Diskette zusammen mit dem PC ausgeliefert. Moment mal – wir hatten doch vorhin schon mal eine Diskette in der Hand – nämlich die, die beim PC dabei war!
Fun Fact: Erst bei Nachfolgemodellen (mit neueren BIOS-Versionen) hat sich der heute bekannte Mechanismus etabliert, ungenutzte Speicherbereiche im BIOS-ROM für Setuproutinen zu verwenden, um den Nutzer den Einstieg in ein Konfigurationsmenü per Tastenkombination zu ermöglichen.
Puh – gut, dass ich von der (mittlerweile defekten) Disk zu Beginn des Beitrags ein Backup gezogen habe. So können wir schauen, ob bei den darauf befindlichen Daten ein CMOS-Programm dabei ist:
Tatsächlich findet sich hier eine „SETUP.EXE“, mit welcher wir das Konfigurationsprogramm zum Ändern der BIOS-Einstellungen aufrufen können. Sehr geil! 🙂
Fun Fact: Ich bin so überheblich und behaupte, dass es im Internet keine Quelle mehr gibt, von welcher dieses Setup aufzutreiben wäre. Ich habe stundenlang nach einem geeigneten Programm gesucht, konnte aber nichts finden. Vielleicht könnte man die CMOS-Einstellungen auch mit einem generischen BIOS-Konfigurationsprogramm setzen, aber da ich jetzt das originale Setup habe, fehlt mir jegliche Energie, noch weiter an der Ecke zu forschen 😀
Fürs Erste sollten wir die Einstellungen ohne große Änderungen übernehmen, um halbwegs saubere Daten in den BIOS-RAM zu bekommen.
Und siehe da – nach einem Neustart ist der CMOS-Fehler weg! 🙂
Echt geil. Eigentlich hätte ich jetzt Lust, weiter mit der Kiste herumzuspielen, aber leider sind wir schon wieder am Ende des Beitrags angekommen. Macht nichts, dann eben beim nächsten Mal. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. 😉
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!