Okay – wer ist Poppy und warum ist er in Not?
Was sich auf den ersten Blick wie der Titel einer Zeichentrickserie für Kinder anhört, hat natürlich einen ganz anderen Hintergrund. Erfahrene Blog-Leser wissen es bereits: Bei „Poppy“ handelt es sich um einen Markennamen des Herstellers, bzw. Importeurs „Lehnert GmbH“, welcher in den Siebzigern Funkequipment und Unterhaltungselektronik importiert und in Deutschland vertrieben hat. Unter der Marke Poppy wurden zahlreiche Kofferradios, Würfeluhren, Kassettenrekorder, Radiowecker, etc. für Privatkunden produziert und verkauft.
Wenn ich von „Poppy“ rede, dann spreche ich für gewöhnlich vom Modell „DR-236“, welches seit gut drei Jahren auf meinen Nachtkästchen residiert und mir jeden Morgen die Uhrzeit verrät.
Fun Fact: Tatsächlich haben wir uns in den Beiträgen 195 und 206 mit einem weiteren Poppy-Gerät, nämlich dem Vorgängermodell DR-216, beschäftigt. Das ist auch schön und läuft bis heute problemlos, entsprechend wenig Sinn macht es, dass wir uns weiter mit dem Ding beschäftigen! 😉
In den Artikeln 194 und 195 haben wir den Klappzahlenwecker mit eingebauter Radio-Funktion ja bereits repariert und etwas getunt, sodass er komplett geräuschlos läuft und uns wirklich nur dann mit kratzigen Klängen aus dem Radio weckt, wenn wir auch die Weckfunktion per Regler aktivieren. Ebenso haben wir unterhalb des Displays eine LED zur Beleuchtung der Klappzahlen verbaut. Das alles musste ich tatsächlich in den alten Beiträgen nachlesen, weil ich schon gar nicht mehr wusste, was wir „damals“ alles an dem Gerät herumgedoktert haben! Time is a Bitch! 😛
Soweit so klar, doch warum ist „Poppy“ jetzt in Not? Nun, seit ein paar Tagen läuft die Uhr leider nicht mehr und aus dem Gehäuse ertönen leise, knackende Geräusche. Nicht wirklich ein gutes Zeichen. Sollte es um unseren Klappzahlenwecker aus dem Jahre 1977 geschehen sein? 🙁
Schwer zu sagen – um das herauszufinden, müssen wir das gute Stück auf den „Behandlungstisch“ packen…
…und aufschrauben.
Puh – willkommen zurück in den Siebzigern. Über die „interessante“ Verkabelung habe ich mich ja bereits in Artikel 194 ausgelassen. Eins ist mal klar – solange der Strom an ist, sollten wir hier möglichst gar nichts berühren. Das wirkt schon alles sehr abenteuerlich! 🙂
Dennoch scheint die geradezu fahrlässige Verdrahtung nicht das Problem zu sein, denn unsere verbaute Beleuchtung sowie das Radio funktionieren problemlos! Auch der Synchronmotor, welcher den Klappzahlenmechanismus bewegt, dreht sich noch, sobald wir das Gerät an den Strom hängen:
Not so fun Fact: Auf dem Bild kann man es leider nicht gut erkennen, aber der Motor dreht sich wirklich – das müsst ihr mir jetzt einfach glauben! 😀
Hm, aber was ist dann das Problem? Im Endeffekt, kann es ja dann nur an der Übersetzung vom Motor zum Mechanismus, welcher die Klappzahlen fallen lässt, liegen. Um an diesen zu gelangen, sollten wir den „Motorblock“ entfernen. Dafür müssen zwei kleine Muttern gelöst und anschließend die Metallabdeckung des Synchronmotors entfernt werden.
Zumindest scheint das große Plastikzahnrad, welches die Drehbewegung vom Motor entgegennimmt, nicht defekt zu sein:
Die Bewegung wird dann über mehrere kleine Zahnräder an die Welle, an der sich die Klappzahltäfelchen befinden, weitergegeben. Auch hier lassen sich keine abgeriebenen Zähne oder gar gebrochene Teile finden.
Damit bleibt eigentlich nur noch der Motorblock selbst als Problemquelle. Die Kernfrage ist: Wie wird die Energie vom (funktionierenden) Motor an die Klappzahlenwelle übertragen? Das Geheimnis befindet sich in dieser orangen Box auf der Rückseite des Motors:
Ich bin mir sicher, dass sich diese orangene Plastikabdeckung, welche den Mechanismus vor Dreck und Staub schützen soll, irgendwie abnehmen lässt, aber beim Versuch das zu tun ist das fast 50 Jahre alte Plastik in mehrere Einzelteile zersprungen.
Not so fun Fact: Vielleicht wird sich noch der ein oder andere erinnern: Auch damals in Artikel 206 beim Poppy DR-216-Modell haben wir diese Box zerbrochen. Definitiv nicht ideal, aber leider bin ich kein Experte, was ein halbes Jahrhundert alte Plastikgefäße betrifft! 😀
Nicht schön, aber zumindest kommen wir so an den Mechanismus heran, welcher letztendlich die Klappzahlen bewegt. Puh, sind das viele kleine Zahnrädchen!
Es sieht so aus, als würde mit den vielen Rädchen in unterschiedlichen Größen die Geschwindigkeit des Synchronmotors so reduziert werden, dass sich das letzte, aus Metall gefertigte Zahnrad – exakt im Minutentakt bewegt und somit jeweils ein Klappzahlentäfelchen pro Minute zu Fall bringt. Der Mechanismus ist ziemlich ausgeklügelt und scheint prinzipiell auch relativ solide zu laufen, wenn man bedenkt, dass diese kleinen Zahnrädchen seit Jahrzehnten wartungsfrei ihren Dienst verrichten.
Natürlich habe ich an dieser Stelle versucht, alles gründlich zu reinigen und das gesamte Getriebe etwas zu ölen. Manchmal wirkt ein Tropfen Öl Wunder, doch leider bleibt unser Problem bestehen: Die Zahlen bewegen sich einfach nicht.
Das bedeutet, dass es irgendwo in dem Zahnradgeflecht ein Problem gibt. Leider ist das gar nicht so einfach zu analysieren, weil sich gerade die „letzten“ paar Rädchen (die kurz vor dem kleinen Metallrad) sehr langsam bewegen. Hier hilft nur viel Geduld und im Idealfall eine Lupe!
Aha – da blockiert etwas! Das letzte Plastikzahnrad, welches an der gleichen Welle steckt wie das Metallrad, steht etwas schief und hat sich so mit seinen Mini-Zähnchen am daneben liegenden Rad verklemmt.
Die Frage ist nur – warum? Es sieht nicht so aus, als wären die Zähne abgenutzt oder ein Plastikteil gebrochen. So richtig verbiegen lässt sich das Rad auch nicht, sehr merkwürdig! Ich gebe es offen zu – an dieser Stelle war ich etwas überfragt und bin erst durch einen entscheidenden Hinweis in einem Forum für Klappzahlenuhren-Fans (ja, so etwas gibt es wirklich) auf das Problem gekommen. Die Welle, an welcher das Zahnrad befestigt ist, hat etwas Spiel! Entsprechend lässt sich die gesamte Welle minimal hin und her kippeln und dadurch verkantet sich das Zahnrad.
Hm? Warum ist die Welle denn locker? Erst bei ganz genauem Hinsehen bin ich drauf gekommen: Es sieht so aus, als wäre die Metallstange nur noch auf der rechten Gehäuseseite (dort wo das Metallrad sitzt) befestigt. Auf der linken Seite ist zwar eine kleine Einkerbung, doch die Welle ist ein Stück zu kurz, um diese zu erreichen und dadurch hat sie etwas Spiel. Vielleicht hat sich der Mechanismus im Lauf der Jahre einfach etwas verschoben?
Soweit so klar – bleibt nur noch eine Frage zu klären: Wie reparieren wir das? Leider lässt sich die Metallkonstruktion, welche die Zahnräder zusammenhält nicht öffnen, da das umliegende Gehäuse vernietet ist. Habe ich schon mal gesagt, dass ich Nieten hasse? 😀
Wir müssen also irgendwie schaffen, den Mechanismus von außen zu reparieren. Der Arbeitsschritt ist schwer in Bilder zu fassen, aber im Endeffekt habe ich die Welle mit einer Zange etwas von rechts außen nach innen gedrückt, sodass das Ende der Welle mit der linken Gehäusehälfte Kontakt hat.
Dadurch läuft zwar jetzt die Welle gerade, aber dennoch verkantet sich das Zahnrad, weil es einerseits zu nah am Rand des daneben liegenden Rädchens läuft und weil ein kleiner Spalt zwischen dem Plastikaufsatz des Zahnrads sowie der Welle an der rechten Gehäusehälfte entstanden ist. Um diesen zu schließen, müssen wir nun noch das Zahnrad mit einem kleinen Schlitzschraubenzieher etwas nach rechts schieben.
Not so fun Fact: Hier war, bzw. ist höchste Vorsicht geboten. Diese kleinen Zahnrädchen aus Plastik zählen – neben den seit Jahren nicht mehr hergestellten Synchronmotoren – zu klassischen Fällen von „nicht mehr beschaffbaren Ersatzteilen“. Kein Witz – seit Jahren sind Bastler, welche versuchen, diese Uhren zu reparieren, auf der Suche nach geeigneten Rädchen – bisher ohne nennenswerten Erfolg. Wir haben verdammtes Glück, dass die Rädchen in unserer Uhr nicht abgenutzt sind!
Gott sei Dank ist das geschafft. Jetzt läuft die Welle (und somit auch das Zahnrad) wieder gerade und es gibt eigentlich keinen Grund, warum unsere Uhr nicht wieder ordnungsgemäß funktionieren sollte.
Ob dem wirklich so ist, lässt sich nur herausfinden, wenn wir das Ding wieder zusammenbauen.
Fun Fact: Natürlich habe ich vor dem Zusammenbau nochmal alle beweglichen Teile etwas geölt, um diese gängig zu halten und Laufgeräusche zu verhindern! 😉
Was sagt man dazu? Der Aufwand hat sich gelohnt, die Zahlen klappen wieder einwandfrei. Wie geil!
Ich bin wirklich happy, dass wir den Wecker wieder zum Laufen gebracht haben. Es fühlt sich einfach gut an, Dinge zu reparieren. Jetzt können wir eigentlich nur noch zum „Gott der Klappzahlenuhren“ beten, dass wir nicht so schnell erneut am Getriebe der Uhr herumschrauben müssen! 😀 Wirklich schwer zu sagen, ob und wenn ja wie lange unser Provisorium samt verschobener Welle und Zahnrad hält. Wenn es nach mir geht, liegt dieser Zeitpunkt in der fernen Zukunft, denn wenn ich ich ehrlich bin, habe ich mich schon irgendwie an den Anblick der Uhr auf dem Nachtkästchen gewöhnt. 🙂
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!