Ernsthaft – was gibt es schöneres als Disketten? 😛
„Ok, Boomer“ wäre vermutlich die zugegeben etwas respektlose Antwort, die mir ein „Zoomer“ (also ein Mensch, welcher zeitlich betrachtet der Generation Z angehört) an den Kopf werfen würde. Dabei ist absolut nicht zutreffend! Der gute retrololo gehört nämlich der „Generation Y“ (also den Millennials) an. Nur weil man vermeintlich „spät“ geboren wurde, heißt das ja nicht, dass man sich nicht für alten Schrott begeistern kann, oder? Toleranz und so! 😉
Ist ja auch egal. Schließlich ist es ja auch gar kein Geheimnis, dass ich mich für Retro-Technologie wie z.B. veraltete Speichermedien interessiere. Dementsprechend erfreut war ich, als mir mein Kumpel Max folgendes Schmuckstück in die Hände gedrückt hat:
Was sehen meine müden ITler-Augen da? Ist das etwa…? Nein, das kann nicht sein. Sag bloß, das ist eine Diskettenbox – prall gefüllt mit zahlreichen 3,5“-Disketten?
YEAH BABY – Jackpot! Was für andere Leute (um nicht zu sagen mutmaßlich jeden „normalen“ Menschen) nach einem ganz klaren Fall für die Restmülltonne aussieht, ist für mich ein wahre Goldgrube. Hm? Was soll denn an ein paar ollen Floppys so besonders sein? Ganz einfach – für mich stellen alte Datenträger eine ganz besondere Form von Zeitdokumenten dar. Im Vergleich zu gänzlich analogen Medien wie z.B. Büchern oder Bildern lässt sich mit digitalen Medien noch spielen. Die Datenträger können eingelesen, digital archiviert und ggf. sogar noch für Retroprojekte (oder im dümmsten Fall für ein Kunstprojekt) verwendet werden. Ist das nicht cool? 🙂
Ach, wenn ich ehrlich bin, kann ich meine Faszination für alte Medien selbst nicht so richtig erklären. Es macht mir halt einfach Spaß, in so Zeug zu wühlen. In meinem nächsten Leben werde ich Archivar, so viel steht fest… 🙂
He! Wer sinniert denn da schon wieder sinnlos vor sich hin? Wollten wir uns nicht ein paar alte Disketten ansehen? Schnell zurück zum Thema! Max meinte, dass die Disks aus dem Familienkreis stammen und ich nach rettenswerten Daten Ausschau halten soll. So sehr mir das Spaß macht, so sehr ist es auch immer ein zweischneidiges Schwert. Zwar reizt mich die Technik, möglichst viele der Floppys einlesen und somit die Daten sichern zu können, andererseits will ich nicht zu sehr in das Privatleben einer (mir unbekannten) Person eintauchen.
Deswegen gilt in jedem Fall folgende Grundprämisse: Die Daten werden vertraulich behandelt, die Privatsphäre muss in jedem Fall gewahrt werden. Tatsächlich fällt mir das in der Praxis meist recht leicht, denn wenn ich ehrlich bin, interessieren mich alte Schriftdokumente, Tabellenkalkulationen oder schlecht aufgelöste Bilder von Familienmitgliedern nicht wirklich. Es geht vielmehr um die Technik und den damit verbundenen Reiz, Daten von längst vergessenen oder zumindest stark angestaubten Medien zu retten! 😉
Fun Fact: Natürlich werde ich im Verlauf des Beitrags trotzdem ein paar – völlig unkritische – oder stark zensierte Bilder zeigen. Nur Text wäre einfach für so einen Beitrag zu langweilig. Ich denke da würde mir jeder, der diese Zeilen gerade liest, zustimmen! 😛
Mist – schon wieder abgedriftet. Jetzt aber wirklich! Also, mal sehen, was haben wir denn da. Das Konvolut sieht für mich nach einer klassischen „PC-Besitzer Mitte der 90er-Jahre-Sammlung“ aus. So finden sich diverse Disketten mit dem MS-DOS-Betriebssystem,…
…mutmaßliche Leerdisketten,…
…aus dubiosen Quellen kopierte Software…
…ein paar mit Benutzerdaten bestückte Floppys,…
…sowie auch ein paar originale Disks mit alten Treibern und Software zum Betrieb von Peripheriegeräten. Mich würde echt mal interessieren, welche zusätzlichen Funktionen der Monitor-Treiber einem Monitor entlocken soll. Ich würde mal stark vermuten, dass durch die Installation der Software nur ein Farbprofil hinzugefügt und dadurch Windows (3.1? 95? 98?) mitgeteilt wird, welche Auflösungen, Refreshraten, usw. das Gerät beherrscht. Wer weiß.
Not so fun Fact: Beim Blick auf die Disketten für die „HP DeskJet-Druckersoftware“ bekomme ich panische Schweißausbrüche. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie vor gut 25 Jahren jemand versucht hat, mit vier Disketten die Software für einen DeskJet 720C-Drucker von HP auf einem Rechner zu installieren. Wenn ich eines innerhalb der letzten Jahre in der „EDV-Welt“ gelernt habe, dann ist es folgende Erkenntnis: Drucker kommen aus der Hölle. Hier lasse ich mich auch nicht umstimmen! 😛
Was auf den Disketten tatsächlich drauf ist, lässt sich nur anhand der Aufkleber natürlich nicht sagen. Dafür müssen wir die Datenträger mit einem Laufwerk einlesen. Da es sich bei den Disks ausschließlich um HD-Disketten (1,44 MB, 80 Spuren und 18 Sektoren) handelt, sollten wir auch mit einem modernen, per USB angeschlossenem Diskettenlaufwerk gute Chancen haben. Dafür habe ich das von uns in ein NES-Modul verpackte USB-Floppylaufwerk aus Artikel 46 heraus gekramt. Ist es nicht schön, wenn man Bastelprojekte vergangener Tage für neue Projekte wiederverwenden kann? 🙂
Bevor die Disks aber das Innere des Laufwerks sehen, werden sie oberflächlich mit etwas Isopropanol und einem Mikrofasertuch gereinigt. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, weil ich keine Lust habe, das Laufwerk wieder auseinander zu bauen, um den Schreib-/Lesekopf zu säubern.
Vermutlich werdet ihr mich jetzt als völlig verrückt abstempeln, aber ich finde es gibt wenig befriedigendere Dinge, als eine Diskette in ein Laufwerk einzulegen. Das laute Klicken gefolgt vom anschließenden Rattern beim Dateizugriff fühlt sich einfach „richtig“ an! 😀
Um ehrlich zu sein, bin ich verblüfft, dass das Ding noch funktioniert und dass es sich sogar an einem Windows 11 Rechner (!) betreiben lässt. Einfach krass, dass die Treiber für solche Diskettenlaufwerke immer noch im System vorhanden sind. Wer hätte es gedacht? Windows 11 und Disketten im harmonischen Zusammenspiel – viel „diverser“ geht doch fast gar nicht! 😛
So, was ist denn nun auf den Disketten drauf? Scheint so, als hätte ich mit meiner Ersteinschätzung Recht gehabt. Auf den Disks befinden sich Daten im Zeitraum von 1995 bis 2001. Die meisten Dateien stammen aus den Jahren 1998 bis 2000. Ein Großteil der Floppys ist leer, auf den anderen befinden sich veraltete Softwareversionen, wie z.B. der Bildbetrachter „IrfanView“:
Natürlich konnte ich es nicht lassen, einen Doppelklick auf die EXE-Datei zu wagen – mutig, ich weiß! Aber was soll man sagen? Die Version 2.80 für Windows NT und Windows 95 vom 05. März 1998 läuft tatsächlich noch unter Windows 11 – ist das nicht abgefahren? 😀
Not so fun Fact: Generell ist es keine gute Idee, irgendwelche knapp drei Jahrzehnte alte EXE-Dateien auf einem modernen System auszuführen. Wer weiß schon, was diese Programme tun, bzw. versuchen zu tun. Im schlimmsten Fall sind solche Dateien mit (von modernen Virenprogrammen nicht mehr erkannten) Viren befallen. Ich hatte schon häufiger den Fall, dass mir eine Retro-Software z.B. die Windows-Schriftarten zerschossen hat und man dann nur noch Hieroglyphen im Explorer anstelle der Dateinamen erkennen konnte. Da seht ihr mal, was euer Content Creator des Vertrauens für Wagnisse auf sich nimmt, nur um euch eine gute Show zu bieten! 😛
Besonders schön finde ich die dazu passende Clipartsammlung in Form von ein paar „WMF-Dateien“. Ich hatte fast etwas Angst, auf eine Datei namens „HOSE3.WMF“ zu klicken. Wer weiß, welche Schweinereien sich hier verstecken? Doch meine Sorgen waren unbegründet. Es scheint so, als wäre hier jemand ein Feuerwehrfan gewesen – Wasser marsch! 🙂
Viele der Disks besitzen leider einige defekte Sektoren und entsprechend können nicht mehr alle Daten davon gelesen werden. Beispiel gefällig? Auf der Diskette des Monitor-Treibers sieht man z.B., dass ein Dateiname aus dem Hauptverzeichnis nicht mehr richtig gelesen werden kann. Ebenso lässt sich die README.TXT nicht mehr öffnen.
Manchmal kommt es vor, dass sich eine Disk auf Grund zu vieler defekter Sektoren gar nicht mehr lesen lässt. Ist das der Fall, erhalten wir eine plumpe Fehlermeldung und die auf der Diskette befindlichen Daten sind für immer verloren. C’est la vie!
Mal sehen, was haben wir noch? Ah ja, da sind ja auch ein paar MS-DOS-Startdisketten! Bei solchen bootfähigen Systemdisketten (z.B. MS-DOS Version 6.22) können wir nicht einfach die Dateien von der Disk kopieren, denn dabei würden die Informationen des Bootsektors (zu Beginn des Datenträgers), welche zum Laden eines Betriebssystems benötigt werden, verloren gehen. In solchen Fällen hilft es, z.B. mit der Software „WinImage“, ein vollständiges Image (Datenträgerabbild) der Diskette zu ziehen. Mit diesem Image kann dann eine neue Systemdiskette erstellt werden.
Doch leider hat auch ein Großteil der Startdisketten schon defekte Sektoren, wodurch sich keine vollständigen Images erstellen lassen. In solchen Fällen kann man dann nur noch einzelne, intakte Dateien (z.B. interessante DOS-Programme, etc.) von der Diskette retten.
Besonders schön ist es, wenn das Root-Directory einen Treffer hat. Zwei der in der Box befindlichen Bootdisks ereilte dieses Schicksal. Hier lässt sich definitiv nichts mehr retten.
Aber das ist alles kein Drama. Einerseits haben wir ja bereits genügend Startdisketten, andererseits hat mir Max mitgeteilt, dass er vor allem an den Benutzerdaten interessiert ist. Dementsprechend sollten wir uns auf die Rettung der Daten von diesen drei Disks konzentrieren:
Mist – eigentlich hatte ich vor, das heute noch durchzuziehen, aber leider sind wir schon wieder am Ende des Beitrags angelangt. Ich weiß – es ist schwer, sich für alte Disketten zu begeistern, aber ich kann euch trotzdem nur empfehlen, auch beim nächsten mal wieder einzuschalten, wenn es heißt: „Disketten retten mit retrololo“! 😉
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!