#320 – Disketten retten – hard mode

Oida“ würde der Österreicher oder ein Bayer sagen. Wie kann man nur mehr als vier Seiten Text über ein paar alte Disketten schreiben? Ich weiß es doch auch nicht, Leute. Bevor wir uns aber groß Gedanken um das „Warum“ machen, sollten wir uns lieber schnell um den eigentlichen Auftrag kümmern: Die Sicherung der Daten von den drei letzten Disketten! 🙂

Da sich darauf mutmaßlich rettenswerte Nutzerdaten befinden, sollten wir sehr vorsichtig mit den Disks umgehen. Den Anfang macht Disk Nr. 1 (gelbes Label).

Um ehrlich zu sein, habe ich etwas Bauchschmerzen, da ich in der Vergangenheit schon häufiger Probleme mit Disketten des Herstellers Siemens hatte! Die Sorgen sind allerdings völlig unbegründet, denn tatsächlich lässt sich die Disk noch einwandfrei über das USB-Diskettenlaufwerk einlesen. Geil!

Fun Fact: Seht es mir nach, dass ich die Dateinamen etwas anonymisiert habe. Wie im letzten Beitrag angekündigt, ist es mir wichtig, die Privatsphäre des Dateneigentümers zu wahren.

Nachdem das so gut geklappt hat, geht es gleich weiter mit Disk Nr. 2 (grünes Label).

Oh nein – was sehe ich da aufgedruckt auf der Schutzblende der Diskette? BASF – my nemesis! :(Wenn ich die Siemens-Disketten noch als „unzuverlässig“ einstufen würde, müsste ich bei den alten BASF-Disketten direkt das Prädikat „mangelhaft“ vergeben. Man könnte meinen, „BASF“ stände für „Bit-abweisender Schutz-Film“! 😛 Aber ernsthaft – ich kann euch gar nicht sagen, wie häufig ich mit Disks des Chemiekonzerns schon Probleme hatte. Prompt schwindet meine Hoffnung, dass wir noch etwas von dem Datenträger retten können.

Fun Fact: Mit dieser Meinung bin ich scheinbar nicht alleine. Die Disks der Badischen Anilin- & Sodafabrik gehören wohl auch im Kreise von Diskettenenthusiasten nicht gerade zu den beliebtesten Vertretern ihrer Gattung und werden abwertend gerne mal als „Schuhsohlen“ bezeichnet! 😀

Prompt bestätigt sich meine Befürchtung, denn Kandidat Nummer zwei wehrt sich da schon etwas mehr. Beim Versuch darauf zuzugreifen, erhalten wir nach gefühlt ewig langer Wartezeit die bekannte, nichtssagende Fehlermeldung, welche auf einen Defekt des Datenträgers hinweist.

Dass die Disk tatsächlich nicht formatiert ist, glaube ich eigentlich nicht. Zwar könnte das auch der Fall sein, aber es gibt realistisch betrachtet eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Disk ist wirklich defekt (zu viele defekte Sektoren), oder es liegt an unserem USB-Laufwerk.

Letzteres Szenario ist gar nicht mal so unwahrscheinlich. Die modernen Laufwerke taugen einfach nichts mehr und meist sind auch die Floppy-USB-Treiber in modernen Betriebssystemen nicht besonders zuverlässig und stürzen gerne mal ab. Konkret heißt das, dass man den PC, an dem das USB-Floppy hängt, häufig neu starten muss, wenn z.B. eine Diskette nicht ordnungsgemäß gelesen werden kann. Ich denke, wir sollten versuchen, die Disk mit einem alten, fest eingebauten Laufwerk zu lesen. Diese sind qualitativ hochwertiger und werden auch Betriebssystemseitig was Treiber angeht besser unterstützt. Gut, dass wir – dank diverser PC-Reparaturprojekte – mittlerweile eine gute Auswahl an Retro-PCs mit Diskettenlaufwerken zur Verfügung haben! 😛

Nach einer kurzen Runde „Qual der Wahl“ habe ich mich letztendlich für den DTK TECH-1260-PC aus Artikel 233 entschieden. Warum? Nun, bei dem Teil bin ich mir zumindest sicher, dass das 3,5“-Diskettenlaufwerk funktioniert, da wir es ja selbst in Artikel 236 zusätzlich mit verbaut haben! 😉

Mit eingelegter Disk…

…können wir nun versuchen, die Daten vom Datenträger zu lesen. Tatsächlich wird das Inhaltsverzeichnis geladen und eine Grafikdatei (Bitmap mit Dateiendung .BMP) erkannt!

Und es kommt noch besser – die Datei lässt sich sogar problemlos auf die Festplatte des PCs kopieren. Läuft bei uns!

Im Umkehrschluss heißt das, dass wir die Datei jetzt von der Festplatte des Retro-PCs auf eine neue, frisch formatierte Diskette kopieren…

…und über das USB-Diskettenlaufwerk wieder an einem modernen Rechner einlesen können:

Das gesicherte Bild möchte ich an dieser Stelle nicht zeigen, aber um euch nicht ganz mit leeren Händen dastehen zu lassen, gibt es hier ein Clipart, welches den Inhalt des Bildes so gut es geht repräsentieren soll! 😉

Zwei von drei erledigt, bleibt nur noch eine letzte Challenge – Disk Nr. 3:

Schon wieder BASF?! Das hältst du doch im Kopf nicht aus. Womit haben wir das verdient? Wie zu erwarten war, wird der Datenträger nicht vom USB-Laufwerk erkannt. Kein Problem, dann probieren wir es eben wieder mit dem Retro-PC im Keller. Tja, guter Plan, doch leider erkennt der TECH-1260 die Disk auch nicht! 🙁

Ich sehe schon – wir müssen härtere Geschütze auffahren! An dieser Stelle habe ich sämtliche, mir zur Verfügung stehenden PCs, bzw. Laufwerke durchprobiert, konnte aber mit keinem davon den Datenträger lesen. Mit gar keinem? Falsch – ein gallischer bzw. holländischer Retter aus Artikel 309 leistet Widerstand und beugt sich dem Datenverlust.

Mit dem Philips P 3202-342-Rechner, bzw. dem darin von uns in Artikel 313 verbauten „Teac FD-235HF“-Laufwerk bekommen wir zumindest die Dateistruktur des Hauptverzeichnisses angelistet:

Aha! Also befindet sich tatsächlich noch eine Datei auf der Disk. Das war es dann aber auch mit den guten Nachrichten, denn anhand des Dateinamens wird sofort klar, dass hier etwas nicht stimmt. Dennoch können wir probieren, die Datei auf die Festplatte des PCs zu kopieren. Vielleicht ist ja nur der Hauptverzeichniseintrag beschädigt? Leider kann ein „normaler“ Kopierbefehl (copy <datei> c:) nicht abgesetzt werden, da das erste Zeichen des kaputten Dateinamens gar nicht normal über die Tastatur eingegeben werden kann. Beim Versuch, den Kopierbefehl mit einer Wildcard (*) zu überlisten, bekommen wir einen Lesefehler. Scheint so, als wären einfach schon zu viele Sektoren auf der Diskette – und somit auch Teile der Datei selbst – defekt.

Trotzdem – aufgeben möchte ich noch nicht, denn immerhin scheinen ja zumindest die Anfang- und Endemarken der Datei intakt zu sein! Wenn wir es jetzt irgendwie schaffen würden, die mutmaßliche Bitmapdatei samt fehlerhafter Stellen zu kopieren, besteht die Hoffnung, diese wieder öffnen zu können. Zumal es sich um eine Bilddatei handelt und man ggf. mit den paar fehlerhaften Pixeln leben könnte. Das Problem ist, dass MS-DOS versucht, die Datei im Ganzen zu kopieren und dann beim Lesen einzelner Bereiche der Datei feststellt, dass Sektoren auf der Disk nicht mehr lesbar sind und entsprechend den gesamten Kopiervorgang abbricht. Mist.

Leider verloren? Wird es Zeit aufzugeben? Noch nicht. Jetzt ist meine technische Neugier geweckt und ich will eine Lösung finden! 😛 Mit Hilfe der Software „DskImage“ können wir ein 1:1-Abbild der Diskette erstellen. Dabei passiert im Endeffekt das Gleiche wie bei WinImage unter Windows, nur eben unter MS-DOS. Mit dem etwas kryptischen Befehl „dskimage 1:80:2:18 test.dsk“ erzeugen wir ein komplettes Datenträgerabbild der Diskette. Dabei wird jeder Sektor hardwaremäßig mit BIOS-Routinen gelesen (Bootsektor und Volume Label bleiben erhalten) und es wird nicht auf Betriebssystemtreiber- und Software (wie z.B. ein COPY-Befehl unter DOS) zurückgegriffen. Um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen, versucht DskImage sogar problematische Sektorbereiche mehrfach zu lesen – echt cool!

Wie zu erwarten war, können bei der Erstellung des Images natürlich auch nicht alle Sektoren fehlerfrei gelesen werden. Ein defekter Sektor ist und bleibt defekt und die darin befindlichen Daten sind für immer verloren. DskImage füllt diese als “bad sector” identifizieren Stellen einfach mit zufälligen Werten. Das soll uns aber nicht weiter stören, denn zumindest werden neben den ganzen Fehlern auch alle noch intakten Stellen auf der Diskette mit in die Abbilddatei gepackt.

Diese Abbilddatei können wir nun mit der Software„RaWrite“ wieder auf eine neue, frisch formatierte Diskette ohne defekte Sektoren schreiben. Wer sich jetzt wundert, warum wir das alles tun: Ich komme gleich zur Erklärung. Durchhalten – ihr habt es fast geschafft! 😉

Schauen wir uns jetzt das Inhaltsverzeichnis der soeben neu erstellten Diskette an, sieht auf den ersten Blick alles genau so aus, wie bei der defekten Diskette, aber es gibt einen feinen Unterschied.

Tatsächlich können wir jetzt unter MS-DOS die Bitmap-Datei von der Diskette kopieren, ohne eine Fehlermeldung zu erhalten. Ebenso lässt sich die Disk jetzt unter Windows mit unserem USB-Diskettenlaufwerk lesen! Doch woran liegt das?

Im Vergleich zu der defekten Diskette hat unsere neu erstellte Diskette ja tatsächlich keine defekten Sektoren mehr! 😉 Dass die Stellen, an denen auf der alten Diskette defekte Sektoren waren, jetzt auf der neuen Disk mit Schrott gefüllt sind, interessiert erst mal nicht, da sie ja trotzdem sauber gelesen werden können. Und durch die Tatsache, dass die Anfangs- und Endemarken der Datei korrekt sind, geht Windows davon aus, dass es sich um eine intakte Bitmap-Datei handelt. Ist das nicht abgefahren? 😀 So schön das alles ist – die Datei lässt sich leider trotzdem nicht öffnen. Puh, woran könnte das denn jetzt noch liegen?

Ein letzter Griff zum Hexeditor bringt die entscheidende Erkenntnis. Wie es der Zufall will, war wohl exakt ein Byte im Header der Bitmap-Datei in einem fehlerhaften Sektor auf der Diskette und wurde so mit einem falschen Wert gefüllt. Das .BMP-Dateiformat sieht vor, dass das zweite Byte innerhalb des Headers „4D“x sein muss. Die von uns gelesene Datei hat aber an der Stelle „3D“x stehen.

Passen wir das problematische Byte händisch auf „4D“x an, wird die Datei tatsächlich von Windows geöffnet. Es ist schade, dass ich euch die originale Grafik nicht zeigen kann, aber im Endeffekt ist das Bild zu 98% intakt und nur an wenigen Stellen finden sich ein paar fehlerhafte Pixel (dünne Striche im Bild). Um auch hier das Ergebnis zu verdeutlichen, folgt hier ein weiteres Clipart samt entsprechender Pixelfehler, welches den Inhalt des geretteten Bildes halbwegs gut repräsentiert! 🙂

Ende gut, alles gut. Ist es nicht verblüffend, mit welchen Tricks man manchmal verloren geglaubte Daten doch wieder herstellen kann? Zugegeben – wir hatten ziemliches Glück, dass die Verzeichnisstruktur auf der originalen Disk noch nicht so defekt war, dass die Start- und Endemarken der Datei nicht mehr zu finden sind. Ebenso war es Zufall, dass der Header der Datei noch nahezu intakt war und dass es sich um eine Grafik handelt, bei welcher ein paar fehlerhafte Bytes nichts ausmachen. So oder so – es ist schön, wenn nach hartem Kampf ein Sieg zu verbuchen ist, auch wenn es fraglich ist, ob sich der Aufwand für ein altes, 800×600 Pixel großes Bild lohnt. Das steht aber glücklicherweise auf einem anderen Blatt! 😉

In jedem Fall bin ich froh, dass die Daten noch gesichert werden konnten. Und wisst ihr was das Beste ist? Die ganzen übriggebliebenen Disketten können jetzt in Ruhe formatiert und dabei getestet werden. Vielleicht bleibt ja sogar die ein oder andere intakte Disk übrig, welche dann für zukünftige Blogbeiträge verwendet werden kann. Damit wären wir wieder beim Anfang des letzten Beitrags angekommen. Was gibt es eigentlich schöneres als Disketten? 😉

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!

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