Es soll mal eine Zeit gegeben haben, in der man nicht einfach mit einem Wireless-Controller auf der Couch sitzen konnte, sondern direkt vor dem PC oder der Konsole mit kabelgebundenen Steuerknüppel kauern musste, um zu zocken…
Lang ist es her, ich weiß. Heutzutage dominieren kabellose Controller die Welt und es gibt kaum noch Konsolen, die nicht mit einer Art Gamepad ausgestattet sind. Ihr glaub mir nicht? Der Blick in die – zugegeben etwas unordentliche – Controller-Schublade bestätigt, dass die Gamepads dem klassischen Steuerknüppel schon vor vielen Jahren den Rang abgelaufen haben! 😉
Der Joystick dagegen ist ein Relikt, welches man heute kaum noch irgendwo findet. Maximal bei Neuauflagen von Retro-Konsolen, Arcade-Spielen oder hochkomplexen Flugsimulatoren kommen die klobigen Eingabegeräte noch zum Einsatz. Gerade im Bereich der Kampfspiele (z.B. Street Fighter, Tekken, Mortal Kombat, etc.) haben die Joysticks als Nischenprodukt bis heute überlebt.
Anfang der Achtziger war das anders. Da waren kabelgebundene Joysticks das Maß aller Dinge, wenn man sich nicht mit einer teils sehr kryptischen Tastatursteuerung abkämpfen wollte. Die frühen Heimkonsolen wie Atari 2600, Atari 5200, Intellivision oder ColecoVision wurden standardmäßig alle mit Joystick-Controllern ausgeliefert. Auch Heimcomputer wie der Amiga 500 oder der Commodore 64 setzten auf Joysticks als Eingabegeräte:
Fun Fact: Hier im Bild sehen wir z.B. einen Atari CX40 für das Atari 2600, einen Commodore T-1341 Joystick für den C64, sowie einen Quickshot II Plus von Spectravideo für diverse Systeme.
Ab Mitte der Achtziger (bzw. spätestens mit Einführung des Nintendo Entertainment Systems) setzte man dann aber im Konsolenbereich verstärkt auf Gamepads. Heimcomputer boten zu dieser Zeit auch schon die Möglichkeit, Gamepads anzuschließen, wenn auch Joysticks im PC-Umfeld (z.B. für Renn- oder Flugsimulationen) noch deutlich länger eingesetzt wurden. So ist es nicht verwunderlich, dass hier noch ein Joystick der Marke MEDION aus den Neunzigern herumsteht:
Wenn ich mich nicht irre, dürfte das gute Stück vom Typ „Erazer MD9814“ aus dem Jahre 1998 sein. Wie es der Zufall will, habe ich noch die originale Verpackung des Sticks! Mann – das nenne ich mal Killer-Features! Wer würde da nicht zugreifen? 😛
Um ehrlich zu sein, hätte ich erwartet, dass die Schachtel einfach etwas überdimensioniert wurde, aber tatsächlich wirkt der Joystick auch ausgepackt ganz schön groß (ca. 19cm x 19cm x 23cm). Kein Vergleich zu den kleinen Commodore- und Atari-Joysticks!
Die Anzahl an Knöpfen wirkt – gerade im Vergleich zu einem modernen Controller – noch angenehm überschaubar. Da ich selbst aber kaum Flugsimulationen oder ähnliche Spiele, welche einen Joystick erfordern würden, gespielt habe, kann ich mir nur theoretisch vorstellen, für was ein paar der Knöpfe (gerade die beiden unteren) gut sein sollen.
Außer einem Handbuch (und das auch nur für ein etwas anderes Joystick-Modell von MEDION) lässt sich so gut wie nichts über das Ding online finden. Wie gut, dass bei der Originalverpackung auch noch die passende Anleitung samt Garantiekärtchen dabei sind.
Fun Fact: Um ehrlich zu sein, würde es mich ja schon mal reizen, so eine Garantiekarte auszufüllen und an ein Unternehmen zu verschicken. Ob man wohl noch eine Antwort bekommen würde? 😀
Anhand der Tatsache, dass das Kabel noch mit Kabelbinder zusammengebunden und der Stecker (Gameport) mit einer Plastikabdeckung geschützt ist, würde ich mutmaßen, dass der Joystick bisher noch nie im Einsatz war – „New Old Stock“ quasi! 🙂
Seitlich befindet sich ein MODE-Schalter, mit welchem unterschiedliche Betriebsmodi gewählt werden können. Laut Handbuch gibt es das Thrustmaster Flight Control System, eine CH Flightstick Pro Option, eine 2-Tasten-Belegung mit Schubkontrolle sowie eine 4-Tasten-Belegung mit Schubkontrolle. Es hängt wohl davon ab, wie man den Joystick unter einem Betriebssystem (Windows 95 – Windows 2000) konfiguriert. Ich hoffe das klappt auch wirklich, denn gerade fällt mir auf, dass in der Verpackung gar keine Treiber-Diskette war!
Fun Fact: Theoretisch müsste der Joystick auch unter Windows 3.11 oder MS-DOS funktionieren, sofern die Spiele entsprechende Treiberdateien mitliefern.
Auf der Unterseite des Sticks finden sich zwei Regler, mit welchen man mutmaßlich den Ausschlag der X- und Y-Achse kalibrieren kann. Ganz sicher bin ich mir nicht, denn weder online noch im Handbuch lässt sich irgendeine Information dazu finden! 😀
Genug geredet, Zeit das Ding auszuprobieren. Als ersten Kandidaten habe ich den Sysline SLT450 PC aus Artikel 251 heraus gekramt.
Dank Gameport können wir den Stick ganz einfach an der Soundkarte anstecken.
Fun Fact: Wusstet ihr, dass es spezielle ISA-Karten gibt, welche dank zwei verbauten Gameports den Anschluss von zwei Joysticks ermöglichen? Einige Spiele konnte man so im Split Screen zusammen mit einem Freund spielen – vorausgesetzt man hat zwei Joysticks! 🙂
Wie bereits vermutet, funktioniert der Joystick unter MS-DOS out of the box, sofern das jeweilige Spiel einen Treiber mitliefert. So können wir z.B. den Außerirdischen Cosmo in „Cosmo’s Cosmic Adventure“ durch die Gegend hüpfen lassen.
Not so fun Fact: Gar nicht so einfach zu fotografieren, während man mit (s)einem Joystick spielt! xD
Der Joystick wird von Haus aus erkannt, kann aber über ein Optionsmenü noch kalibriert werden. Ebenso kann ausgewählt werden, über welchen Knopf man springen und über welchen man Bomben ablegen können möchte.
Doch nicht nur Aliens lassen sich über den Joystick in Bewegung bringen. So können wir auch Menschen – in persona den guten Larry aus „Leisure Suit Larry: In The Land of the Lounge Lizards“ (bzw. dem VGA-Remake von 1989) durch die Gegend laufen und Dinge ansehen lassen.
Damit das klappt, muss der Joysticksupport vorab in einem Konfigurationsmenü aktiviert werden. Ich finde es schon irgendwie krass, dass das unter MS-DOS alles so problemlos funktioniert. Klar liefert das Spiel einen eigenen Joysticktreiber mit, aber das Betriebssystem weiß so gar nichts von der Existenz des Steuerknüppels und trotzdem funktioniert es auf Anhieb. Verblüffend! 😀
So, genug Zeit unter DOS verbracht. Ich denke es wäre noch spannend auszuprobieren, ob wir den Stick auch unter Windows zum Fliegen bekommen. Dafür schnappen wir uns schnell den Proline-PC mit Windows 98 aus Artikel 263.
Auch hier lässt sich der Joystick direkt an der verbauten Soundkarte anstöpseln. Der Vorbesitzer des PCs war sogar so nett, und hat die Buchse idiotensicher beschriftet. Sehr löblich! 😉
Unter Windows gibt es leider etwas mehr zu tun, damit der Joystick vom Betriebssystem erkannt wird. Über die Systemsteuerung müssen die „Spieloptionen“ aufgerufen werden. Hier können wir dann eine geeignete Konfiguration (passend zum Modi-Schalter auf dem Joystick) wählen:
Anschließend kann der Stick getestet…
…und kalibriert werden:
Schon funktioniert der Controller ordnungsgemäß und wir können Krokodil Croc in „Croc: Legend of the Gobbos“ durch die Levels watscheln lassen.
Fun Fact: Es gäbe zwar auch hier ein umfassendes Konfigurationsmenü, über welches die Tastenbelegung nach eigenem Gusto angepasst werden könnte, aber das war in meinem Fall gar nicht nötig. Das putzige Reptil lässt sich auch mit der Standardkonfiguration prima steuern.
Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwie fühlt es sich einfach gut an, per Druck auf den Feuerknopf einen Schwanzschlag auszuführen! 😀
Werfen wir abschließend noch einen Blick darauf, wie sich der Knüppel bei einem Rennspiel schlägt. Ich musste nicht lange überlegen, um einen geeigneten Kandidaten zu finden. In dem Arcade-artigen Rennspielklassiker „Moto Racer“ aus dem Jahre 1997 geht es richtig zur Sache!
Man merkt sofort, dass Joysticks für diese Art von Spielen gemacht sind. Selten bin ich so gut Motorrad gefahren! Die Action war zeitweise so heftig, dass ich beim in die Kurven legen glatt den Bildschirm schief fotografiert habe! 😀
Uff, durchatmen und erst mal wieder runter kommen. So schön der „wilde Ritt“ auch war, ich denke damit sollten wir es auch gut sein lassen. Es gäbe bestimmt noch tausende von Spielen, die man mit dem Joystick spielen könnte, aber Zeit ist Geld und wer hat schon zu viel Geld? 😛
Not so fun Fact: Sorry, dass ich an dieser Stelle keine Flugsimulationen oder komplexen Rennspiele zeigen kann. Solche Spiele besitze ich schlicht und einfach nicht und wenn ich ehrlich bin, sehe ich es auch nicht wirklich ein, so Zeug zu kaufen oder installieren, wenn ich es dann sowieso nie spiele! 😉
Jedenfalls war ich von dem vermeintlichen Billig-Joystick (MEDION ist jetzt nicht gerade für überwältigende Qualität bekannt) überrascht und werde sicherlich noch das ein oder andere Spiel damit ausprobieren.
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!