#324 – Fail of the Tentacle

Neulich auf den Kleinanzeigen: Ein zielloser Retro-Blogger durchstöbert die neuesten lokalen Angebote und stolpert dabei über folgende Annonce:

Oha – ist das nicht „Day of the Tentacle“, das populäre LucasArts Adventure aus dem Jahre 1993? Wow – und dann auch noch in der deutschen Version auf sieben Disketten. Die Version des Spiels wollte ich doch schon immer mal haben! Schaut euch nur diese rot-grün bestückten Disks an – wie geil ist das denn bitte? Und das Ganze nicht mal weit weg von mir? Ich glaub ich werd weich…

Während ihr vor lauter Langweile zu Gähnen anfangt, werden meine Augen beim Anblick dieser Schönheit groß. Was soll man sagen? Interessen sind verschieden, dem jeden das Seine! 😉

Also gut – was kostet die Welt? Die letzten Tage waren hart und vollgepackt mit Reparaturen rund um Haus und Hof. Echt anstrengend! Ich finde, da haben wir es uns verdient, auch mal wieder was vermeintlich „Sinnloses“ zu kaufen und so sind die 15€ für ein paar alte Disketten schnell investiert.

Jetzt können wir nur hoffen, dass die Disks noch intakt sind und wir die Daten noch sichern können. Tatsächlich sieht es so aus, als würden sich alle Disketten lesen lassen:

Wirklich alle? Leider nicht ganz. Bei Disk 6 fängt das Laufwerk an zu streiken und trotz mehrfacher Versuche werden die darauf befindlichen Dateien einfach nicht mehr vollständig erkannt. Verdammt. Ohne die Disk können wir das Spiel nicht installieren und somit auch nicht spielen. 🙁

Not so fun Fact: Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass es Probleme bei den Disks geben könnte. Mal wieder stammen die fehlerhaften Disketten von BASF! Wer Artikel 320 gelesen hat weiß, wie sehr ich die Datenträger der Badischen Anilin- & Sodafabrik auf Grund ihrer mangelhaften Qualität verachte!

Natürlich habe ich es mit zahlreichen weiteren Laufwerken probiert und diverse kryptische Rettungsaktionen (analog zu denen in Artikel 320) durchgeführt. Leider erfolglos. Der Datenträger ist futsch und die Daten von Disk 6 sind wohl für immer verloren. Und jetzt?

Manchmal braucht es einfach etwas Unterstützung von außen, wenn man nicht weiter kommt. In dem Fall ist mir ein Bekannter, noch deutlich größerer Retro-PC-Fan wie ich, zu Hilfe bekommen. Er sammelt überwiegend Spiele in Komplettverpackung und glücklicherweise ist auch das Spiel Day of the Tentacle (in der deutschen Diskettenversion) Teil seiner Sammlung. Nachdem ich ihm mein Problem geschildert hatte, war er bereit, mir ein Image (digitales Abbild) von der defekten Disk 6 zu ziehen und zu schicken. Ein wirklich feiner Schachzug! 🙂

Fun Fact: Für alle die sich jetzt fragen: Ist das nicht illegal? Ich denke nicht, da ich einerseits ja eine originale, legal erworbene Kopie des Spiels besitze und andererseits der Dateiaustausch sowieso über den „Privatkopie-Paragrafen“ (§ 53 UrhG) abgedeckt sein müsste. Zumindest hoffe ich das mal! 😉

Dieses Image können wir jetzt auf eine neue, funktionierende Diskette (ohne fehlerhafte Sektoren) schreiben:

Fertig! 🙂

Damit lässt sich Day of the Tentacle jetzt vollständig von den Disks installieren – geil! 🙂

Fun Fact: Theoretisch könnten wir das auf einem der Retro-PCs im Keller machen, aber da ich gerade sowieso an einem „modernen“ Rechner sitze, um diesen Beitrag zu schreiben, machen wir das eben in der DOSBox, sowie mit Hilfe eines USB-Diskettenlaufwerks! 😉

Ende gut, alles gut? Nicht ganz – irgendwas stimmt noch nicht. Könnt ihr erahnen was?

Die von uns selbst bestückte, graue Disk 6 sticht leider schon deutlich aus aus der rot-grünen Diskettenreihe raus. Um dem entgegenzuwirken, können wir die Disk mit einem einfachen Label (letztendlich nur ein handgeschriebener Aufkleber) versehen.

Fun Fact: Ich weiß nicht was es ist, aber irgendwie sehen die Disketten – so wie sie da liegen – für mich wie eine rot-grüne Ringelnatter aus einem Kinderbuch aus, findet ihr nicht? 😀

Schon besser, aber irgendwie immer noch nicht ideal. Leider habe ich keine grüne Diskette zur Hand und ob ich das originale Label wieder so hinbekommen würde (einscannen, drucken, etc.), weiß ich auch nicht.

Im Endeffekt müssten wir es ja „nur“ irgendwie schaffen, den Datenträger (also die Magnetscheibe, auf welcher die Daten gespeichert sind) aus der intakten Diskette auszubauen und anstelle der nicht mehr lesbaren Scheibe in die „Hülle“ der defekten Disk zu verpflanzen.

Klingt abenteuerlich – ich bin dabei! 😀 Ob das überhaupt möglich ist? In der Theorie ist das auf jeden Fall machbar, ich denke die größte Challenge wird sein, bei der Aktion nicht den Magnetdatenträger sowie die originale Hülle zu beschädigen. Richtig viel kaputt machen können wir im Endeffekt nicht, die originale Disk ist ja sowieso schon defekt. Fangen wir mit der originalen, grünen Diskette an. Als erstes drehen wir das gute Stück mal auf die Rückseite.

Anschließend können wir die aus Metall bestehende Schutzblende entfernen. Das klappt am besten, in dem man die Diskette unterhalb der Metallblende etwas zusammendrückt (im Bild gelb markiert) und mit der anderen Hand versucht, die Blende nach oben zu schieben.

Ist die Blende erst mal gelockert, lässt sie sich mit etwas Gewalt vollständig nach oben abziehen.

Not so fun Fact: Wie man die Schutzblende am besten entfernt, lässt sich schwer in Textform beschreiben. Falls jemand von euch mal eine ähnliche „Operation“ vor hat, dem kann ich dieses Video wärmstens empfehlen.

Die Feder, die dabei aus dem Gehäuse herauspurzelt, ist für den Schiebemechanismus der Metallblende verantwortlich. Das Ding ist so klein, dass wir es besser gleich beiseite legen, um es nicht zu verlieren. Ich kann kaum erwarten, das Ding beim Zusammenbau wieder in die schmale Aussparung zu pfriemeln! xD

Um die Diskette jetzt auch wirklich zu öffnen, müssen wir die beiden Kunststoffgehäusehälften irgendwie auseinander bekommen.

Das geht am Besten mit einem Cuttermesser oder einer dünnen Nagelfeile. Es sieht so aus, als wären die Hälften nur an Ober- und Unterseite verklipst, bzw. minimal verklebt.

Ha – die Büchse der Pandora ist geöffnet! 🙂

Teil eins geschafft, jetzt müssen wir eigentlich nur noch die intakte Magnetscheibe aus der funktionsfähigen Disk ausbauen. Konkret heißt das Disk umdrehen, Schutzblende entfernen…

…und Gehäusehälften öffnen, um an den eigentlichen Datenträger zu kommen. Bei der Öffnung des Gehäuses müssen wir ganz vorsichtig sein, um die neue, frisch beschriebene Magnetscheibe nicht durch Fettflecken oder Kratzer zu beschädigen.

Die Magnetscheibe selbst besteht lediglich aus einer dünnen, mit Eisenoxid beschichteten Plastikfolie, welche mit einem Drehlager in der Mitte zur Rotation der Scheibe im Laufwerk ausgestattet ist. Ist es nicht faszinierend, wie ein Computer, bzw. ein Laufwerk auf dieser dünnen Scheibe nur durch das Magnetisieren von einzelnen, kleinen Bereichen Daten speichern kann? 🙂

Fun Fact: Die Scheibe einer 3,5 Zoll Diskette rotiert mit 300 RPM (Umdrehungen pro Minute) im Laufwerk, also exakt fünf mal pro Sekunde. Nützliches Wissen mit retrololo Folge 1337! 😛

Als letztes müssen wir eigentlich nur noch die intakte Magnetscheibe der funktionierenden Disk in das Gehäuse der defekten Disk einsetzen. Beim Verschließen der Kunststoffgehäusehälften muss beachtet werden, die Magnetscheibe nicht einzuquetschen.

Fun Fact: Im Inneren der beiden Gehäusehälften befindet sich auf jeder Seite eine mit Teflon beschichtete Papierscheibe, um den Datenträger so gut es geht vor äußerer Einwirkung zu schützen.

Ebenso muss die Metallblende so eingelegt werden, dass eine kleine Nase darin sich in die zwischen die Gehäusehälften geklemmte Feder einhakt, um den Schiebemechanismus (samt automatischer Rückholung der Blende) zu gewährleisten. Ich gebe es zu – das ist eine etwas fummelige Arbeit, die ich nicht unbedingt noch einmal machen muss! 😛

Fertig ist unsere reparierte Diskette in originalem Look. Jetzt bleibt nur noch die entscheidende Frage zu klären: Funktioniert das Ding noch?

Tatsächlich lässt sich der Datenträger noch, bzw. wieder einwandfrei einlesen. Erfolg! 🙂

Ist das nicht geil? Was für eine verrückte, aber dennoch coole Operation des „Herzstücks“ einer Diskette. Zugegeben – der Aufbau einer Floppy-Disk ist noch relativ simpel im Vergleich zu modernen Datenträgern, aber theoretisch wäre so ein Tausch auch bei einer Festplatte (durch Austausch der Magnetscheiben) oder einem USB-Stick (durch entlöten des Flash-Speichers und verlöten in einen anderen Stick) möglich – wenn auch mit deutlich mehr Aufwand.

Ich bin jedenfalls froh, dass wir durch die „Magnetscheiben-Operation“ die Optik der Diskette erhalten konnten. Die rot-grüne Ringelnatter ist wieder komplett…

…und wir können beruhigt die Disks beiseite legen, um endlich „Day of the Tentacle“ zu spielen! 😉

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!

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