Was für ein trauriger Anblick, findet ihr nicht auch?

Hm? Das ist doch nur eine alte Atari Konsole (Modell 2600 Jr.), wie wir sie schon in Artikel 224 kennengelernt haben. Was soll daran denn so traurig sein? Nun, das gute Stück habe ich tatsächlich vor dem Elektroschrott gerettet. Angeblich funktioniert die Konsole nicht mehr und ihr kennt mich – ich habe ein Herz für alte Konsolen. Man könnte sagen, ich bin quasi der Gnadenhof für betagte Videospiele und Spielkonsolen! 😛

Spaß beiseite, was stimmt denn mit dem Atari nicht? Eines ist mal klar – da Ding hat definitiv „gelebt“. Woran ich das sehe? Neben dem offensichtlichen, optisch stark gebrauchten Zustand, ist der Select-Knopf komplett eingedrückt und lässt sich nicht mehr bewegen. Auf Anhieb schwer zu sagen, ob da intern etwas abgebrochen oder einfach nur ausgeleiert ist.

Auch scheint sich im Modulport irgendein Fremdkörper zu befinden. Man muss schon sehr genau hinsehen, um das zu erkennen, aber da hat sich wohl tatsächlich etwas zwischen den Steckkontakten verfangen. Mit zwei Nagelfeilen ist der Störenfried (ein abgebrochenes Stück Plastik) aber schnell beseitigt. Hm, wo das wohl her kommt?

Ich habe da eine böse Vermutung… Irgendwie lässt sich in die Konsole kein Spielmodul einstecken. Sehr merkwürdig, dabei haben wir doch eben erst ein potenziell blockierendes Plastikteil aus dem Modulport entfernt?

Bei genauem Hinsehen, wird schnell klar, wo das Problem liegt. Der Grund, warum wir kein Spielmodul einstecken können, ist selten dämlich: Auf der Oberseite des Modulports finden sich für gewöhnlich zwei Plastiknasen. Hier mal ein Vergleichsbild des Modulports unseres Trash-Ataris sowie dem funktionsfähigen Modell aus Artikel 224.

Hm? Was haben denn zwei kleine Stücke Plastik auf der Konsole mit dem Einstecken von Spielen zu tun? Tja, die beiden „Nasen“ werden benötigt, um bei den Spielmodulen während des Einsteckvorgangs eine Abdeckung beiseite zu schieben, welche die Kontaktpunkte der Cartridge freilegt. Mit Hilfe eine Schlitzschraubenziehers können wir den Mechanismus simulieren:

So ein Mist. Konkret heißt das: Ohne die beiden Plastiknasen, kann unsere Konsole auch keine Spiele abspielen. Super!
Ganz korrekt ist das allerdings nicht, denn nicht alle Atari-Cartridges sind nach diesem Muster aufgebaut. Während Spiele heutzutage recht einheitlich aussehen und es kaum noch Unterschiede zwischen verschiedenen Versionen gibt, herrschte in den Achtzigerjahren zur Zeit des Atari 2600 maximales Chaos. So gibt es beispielsweise vom gleichen Spiel zig verschiedene Variationen mit unterschiedlichen Labels oder in anders konstruierten Gehäusen. Gerade bei später produzierten Modulen wurde aus Kostengründen gerne auf den Staubschutzmechanismus verzichtet. Dadurch liegt der Modulport bei solchen, recht spät veröffentlichten Spielen, einfach völlig offen:
Fun Fact: Es ist wirklich unfassbar, wie viele verschiedene Variationen von Modulen und Labels es beim Atari 2600 gab. Es herrschte eine Art Wild-West-Stimmung und im Endeffekt wurden einfach die Teile und Labels verwendet, die man gerade zur Verfügung hatte. Echt abgefahren!

Dieser Umstand ist tatsächlich gut für uns, denn wie es der Zufall will, habe ich eines dieser Module (Activision „Decathlon“) ohne Staubschutz hier, mit dem wir den Trash-Atari testen können. Dafür schließen wir das Ding per Antennenkabel (Koaxial) an einen alten Röhrenfernseher an. Das Netzteil habe ich mir von meinem funktionieren Atari geborgt.

Leider bleibt das Bild schwarz und auch die Power-LED leuchtet nicht. Scheint so, als wäre die Konsole wirklich defekt! 🙁
Fun Fact: Den hier gezeigten „Sony Trinitron KV-1430D“ kennen wir auch bereits aus Artikel 224. Er ist der einzige Fernseher, den ich besitze, der noch mit einem Antennensignal umgehen kann! 😀

Ob sich noch etwas retten lässt? Ich denke, spätestens jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, das Gerät zu öffnen. Wie das im Detail funktioniert, erkläre ich jetzt nicht nochmal. Das haben wir ja bereits in Artikel 225, als wir ein ähnliches Modell mit einem Mod zur Ausgabe eines Composite-Videosignals über Cinch-Buchsen versehen haben, durchgekaut. Im Vergleich zum AV-gemoddeten Gerät fehlt bei unserem Trash-Atari allerdings das Garantiesiegel. Ob schon jemand mal an der Konsole herum gepfuscht hat? Zumindest können wir anhand der Codierung der Seriennummer ablesen, dass unser Modell in Hong Kong von Atari selbst produziert wurde – und zwar im September 1989.
Fun Fact: Was ich damals aber vergessen habe zu erwähnen: Neben den fünf zu lösenden Schrauben gibt es auf der Unterseite drei Plastikklips, die vorsichtig mit einem Schraubenzieher zur Seite geschoben werden müssen, um die Gehäusehälften voneinander trennen zu können. Das ist gut zu wissen, denn ich hätte die Mistviecher natürlich fast aus Versehen abgebrochen. 😀

Auf den ersten Blick lassen sich keine offensichtlichen Defekte (wie z.B. geplatzte Kondensatoren, verschmorte Bauteile, etc.) feststellen:

Ich denke, wir sollten das Gerät nochmal an den Strom hängen und mit einem Multimeter prüfen, ob der Atari überhaupt Strom vom Netzteil bekommt.

Aha! Es sieht so aus, als käme der Strom erst gar nicht auf der Platine an. Das Netzteil habe ich durchgemessen, das funktioniert. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass der Klinkenstecker nur ganz lose in der Buchse hängt. Das Gehäuse der Buchse ist durchsichtig und es sieht tatsächlich so aus, als wäre auch hier ein Teil abgebrochen, oder zumindest ausgeleiert. Puh, die Konsole hat echt gelitten!

Ich denke, wir sollten die Buchse tauschen. Wie es nicht anders zu erwarten war, gestaltet sich die Ersatzteilsuche für eine über 35 Jahre alte Konsole nicht gerade leicht und es hat mich einiges an Recherche gekostet, eine Mono-Buchse mit den passenden Pinabständen zu finden. Jetzt ist das Teil aber endlich da und wir können es anstelle der defekten Anschlussdose verlöten.

Was sagt man dazu, mit neu verlöteter Buchse läuft der Atari tatsächlich wieder. Ein klarer Fall von „kleine Ursache, große Wirkung“! Mann, bin ich froh, endlich ein erstes Lebenszeichen von dem runtergerockten Ding zu bekommen. 🙂

Als nächstes sollten wir uns um den defekten Select-Schalter kümmern. Wohl eher Plural – defekte Schalter, denn bei einem kurzen Test ist mir aufgefallen, dass auch der direkt danebenliegende Reset-Schalter nicht funktioniert. Ernsthaft? Wie viel kann bei dem Ding denn noch kaputt sein?

Schuld daran ist mutmaßlich die fragile Unterkonstruktion, welche lediglich aus zwei übereinandergelegten, leitenden Folien besteht. Abgefahrenes Konstrukt!

Die Schalter selbst werden nur durch etwas Schaumstoff oben gehalten und pressen die beiden Folien bei Druck aufeinander, sodass ein Signal an die Konsole weitergegeben wird. Der Schaumstoff hat sich nach mehreren Jahrzehnten natürlich völlig aufgelöst und es hat mich einige Nerven gekostet, die bröseligen Stückchen rückstandslos zu entfernen.

Die Frage ist – was machen wir jetzt? Es sieht so aus, als wäre die Folienkonstruktion defekt und wenn ich ehrlich bin, will ich eigentlich gar nicht wieder irgendwelche Lösungen mit Schaumstoff und flimsigen Folien einbauen. Das ist einfach eine sehr billige und vor allem fehleranfällige Technologie. Hier hat Atari echt gespart! Auf der Suche nach Ideen bin ich über eine kreative Lösung gestolpert. Theoretisch müsste es möglich sein, die Folienkontakte einfach durch ein paar Drucktaster zu ersetzen. Die Mikroschalter müssen dafür etwas abgeschliffen werden, damit sie in die Aussparung auf der Rückseite der Schalter passen.

Wer hart drauf ist, verlötet die Taster einfach an entsprechenden Kontaktpunkten auf der Platine. Ich fände es allerdings schön, wenn wir die Möglichkeit beibehalten könnten, die obere Gehäusehälfte bei Bedarf über eine Steckverbindung trennen zu können. Leider kann dafür die vorhandene Flachbandkabelbuchse nicht verwendet werden, aber wie es der Zufall will, habe ich aber in der Elektroschrottkiste noch einen Stecker samt Buchse gefunden, die wir prima für unser Vorhaben „missbrauchen“ können! 🙂

Da wir nur drei Adern für die beiden Knöpfe benötigen (die Masseleitung wird zwischen beiden Schaltern geteilt), können wir zwei Adern am Stecker entfernen. Diese können wir dann gleich wieder zur Aufteilung der Masseleitung für beide Taster verwenden. Recycling und so! 😉

Als letztes müssen wir eigentlich nur noch die Adern entsprechend an den Tastern verlöten und diese dann unterhalb der Plastikschalter verbauen. Besonders gut an der Lösung gefällt mir, dass wir nichts verkleben müssen, da die Taster von selbst in der Aussparung auf der Rückseite der Schalter halten.

Schon sind die Select- sowie die Reset-Taste repariert. Und nicht nur das: Das Gefühl beim Druck auf die klickenden Mikroschalter ist tausendmal besser, als der schwammige Druckpunkt der Schaumstoff-Folienlösung. Mit dem Ergebnis bin ich echt zufrieden! 🙂

An dieser Stelle habe ich überlegt, ob ich der Konsole auch einen AV-Mod (Ausgabe eines Composite-Videosignals über Cinch-Buchsen) wie damals in Artikel 225 spendieren sollte. Tatsächlich gefällt mir aber das Bild des Atari am alten Sony Trinitron Fernseher über das Antennensignal recht gut, so dass ich mich gegen einen Mod entschieden habe. Man muss nicht alles auf die Spitze treiben! 😉

Bleibt abschließend nur noch eine Frage zu klären: Wir haben ja immer noch das Problem, mit den abgebrochenen Nasen am Modulport, was zur Folge hat, dass wir nur Spiele ohne Staubschutz-Mechanismus spielen können. Auch hierfür habe ich eine gute Lösung gefunden:

Dieses kleine Stück Plastik kommt aus England von einem Atari-Enthusiasten und wurde über Jahre hinweg weiterentwickelt (Druck- und Gusstechnologien, Farben, etc.), um möglichst perfekt die Funktion der abgebrochenen Plastiknasen zu übernehmen und dabei optisch nicht zu sehr vom Rest der Konsole herauszustechen. Mit auf der Rückseite befindlichen Klebestreifen lässt sich der Adapter sehr einfach am Modulport befestigen. Wenn man es nicht weiß, fällt einem gar nicht auf, dass das Stück Plastik eigentlich nicht zu der Konsole gehört. Wirklich eine gute Lösung!

Schön zu sehen, dass zumindest diese letzte Reparatur vergleichsweise einfach war. Endlich kann unser Trash-Atari wieder sämtliche Module abspielen. Zeitweise war ich mir nicht sicher, ob wir das Ding retten können, aber schön zu sehen, dass am Ende eine voll funktionsfähige Konsole auf dem Fernseher steht! 🙂

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!