#259 – IBM Model M 122

Ich gebe es zu – es ist gefühlt eine Ewigkeit her, dass wir uns mit unserem Mini-Mainframe (Artikel 171) beschäftigt haben. „Damals“ haben wir es geschafft, eine Datei anzulegen und mit Hilfe eines Batch-Jobs zu sortieren (Artikel 172) sowie auf den Transaktionsmonitor CICS (Artikel 173) zuzugreifen und den Großrechner im Miniaturformat abschließend sauber herunterzufahren.

Schön und gut, aber was veranlasst mich denn bitte, dieses Thema gerade jetzt wieder auszugraben? Nun, das fing alles – so wie eigentlich immer – recht harmlos bei einer Internetrecherche über Tastaturen an. Bitte was?! 😀

Wie ihr ja bereits wisst, bin ich ein Fan von älterer Hardware und versuche hin und wieder in die Jahre gekommene Geräte zu restaurieren oder sogar noch im täglichen Gebrauch aktiv einzusetzen. Auf der Suche nach einer stabilen, zuverlässigen Tastatur bin ich über die alten IBM-Modelle gestolpert, welche in den Augen vieler Nutzern zu den besten, jemals hergestellten Tastaturen gehören. Gerade das Model „M“ genießt dank seiner mechanischen Knickfeder-Technologie einen gewissen Kultstatus und wird auch heute noch von „Vielschreibern“ verwendet.

Ach retrololo – was soll denn das? Willst du uns wirklich weiß machen, dass eine uralte Tastatur besser als aktuelle Modelle ist? Glaubt mir, ich bin da auch eher skeptisch, allerdings würde es mich nicht wundern. Heutzutage werden überwiegend günstige Rubberdome-Tastaturen mit Gummimembranen hergestellt. Lediglich in hochpreisigen Modellen kommen auf Mikroschaltern basierende, mechanische Tasten zum Einsatz. Diese halten für gewöhnlich deutlich länger und erlauben eine präzisere Eingabe als Membran-Tastaturen. Gerade Tastaturen, in denen die mechanischen Cherry MX-Schalter verbaut sind, sind bei Vielschreibern und Gamern sehr beliebt.

Fun Fact: In Artikel 219 haben wir uns sogar eine alte Cherry-Tastatur angesehen, bzw. durch eine einfache Reparatur vor dem Müll gerettet! Leider war das auch bereits ein neueres, deutlich günstiger hergestelltes Modell mit Gummimembran anstatt mechanischen Tasten samt Mikroschaltern.

Leider macht die Kosteneffizienz (und die damit verbundenen Sparmaßnahmen) auch vor den hochpreisigen Modellen keinen Halt. So werden heutzutage in vielen modernen, mechanischen Keyboards leider häufig nur noch sehr günstige Mikroschalter verbaut, welche bei weitem nicht an die Qualität der Schalter vor einigen Jahren heranreichen. Traurig, aber so ist die Welt. 🙁

He, nicht ablenken! Das alles erklärt aber immer noch nicht, warum die alten IBM-Tastaturen jetzt so toll sein sollen. Ist ja gut! 😛 Im Gegensatz zu „normalen“ mechanischen Mikroschalter-Tastaturen kommen bei den alten IBM-Tastaturen Knickfedern zum Einsatz. Durch diese Springfedermechanik bietet die Tastatur einen relativ harten Tastenanschlag, welcher wiederum für einen präzisen Druckpunkt und letztendlich für ein geniales Schreibgefühl sorgt. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Tastaturen durch ihren Aufbau nahezu unkaputtbar sind! 🙂

Fun Fact: Diese „buckling spring“ genannte Technologie hat IBM sich sogar patentieren lassen.

Einer der Nachteile ist, dass so eine Tastatur gut und gerne mal 2kg Gewicht auf die Waage bringt und durch die mechanischen Tasten beim intensiven Schreiben auch entsprechend laut ist. Für ein Großraumbüro ist so eine Tastatur also eher weniger geeignet – außer man möchte seinen geschätzten Kollegen so richtig auf den Sack gehen! 😛

Fun Fact: Ein weiteres Merkmal einer Model-M-Tastatur ist, dass sich die Tastaturkappen vollständig auswechseln lassen. So kann man jede Kappe einfach einzeln abziehen und austauschen. Genial!

Das IBM Model M wurde in zig unterschiedlichen Ausführungen im Zeitraum von 1984 bis 1999 gefertigt. Während des Produktionszeitraums wurden allerdings nicht nur unterschiedliche Materialien verbaut, auch gab es Ausführungen mit diversen Tastatur-Layouts. Macht Sinn, denn schließlich müssen ja länderspezifische Tastaturbelegungen berücksichtigt werden. Auch die Anzahl der Tasten hat sich im Lauf der Zeit immer wieder geändert. Während die ersten Modelle 84 Tasten (angelehnt an die alten IBM PC-AT-Tastaturen) verbaut hatten, kam in den meisten Model-M-Keyboards der Enhanced Personal Computer Keyboard-Standard (101-104 Tasten), wie man ihn auch noch von heutigen Tastaturen kennt, zum Einsatz. Ebenso gab es Tastaturen mit noch mehr Tasten für spezielle Anwendungsgebiete (z.B. Terminalbedienung oder Sitzplatzreservierung im Flugzeug).

Warum erzähle ich euch das alles? Wie es der Zufall will, bin ich durch einen Zufall an eine Model-M-Tastatur gekommen. Der Verkäufer war sehr nett und hat mir die Retro-Tastatur zu einem fairen Kurs überlassen. Man müsste meinen, dass durch den langen Produktionszeitraum und die solide Bauweise solche Tastaturen noch in großer Stückzahl existieren und man problemlos eine erwerben kann, aber dem ist leider nicht so. Die Tastaturen werden von Sammlern auf Grund der beliebten Springfedermechanik gesucht und wechseln meist nur für mehrere hunderte Euros den Besitzer.

Mann, was für ein Gerät – das nenne ich mal eine Tastatur! Die Größe des Keyboards fällt erst auf, wenn man es neben einen modernen Vertreter der Gattung der Eingabegeräte stellt! 😀

Fun Fact: Ich habe die Tastatur gewogen – sie wiegt tatsächlich 2.225 Gramm! xD

Auch ist der Höhenunterschied zwischen den beiden Modellen nicht zu übersehen:

Fun Fact: Nanu? Befindet sich da im Hintergrund etwa ein Stück Hardware für einen zukünftigen retrololo-Beitrag? Wer weiß… 😉

Was sofort auffällt: Die Tastatur hat deutlich mehr Tasten als ihr „kleinerer Bruder“. Kein Wunder – bei diesem Model-M vom Typ „1394312“ handelt es sich um eine Terminaltastatur samt 122-Tasten-Layout, welche wohl vor langer Zeit mal zur Bedienung von alten IBM-Maschinen (z.B. Mainframe, Display-Terminals, AS400, etc.) verwendet wurde. Diese „großen“ Tastaturen mit 122 Tasten wurden von IBM unter dem Namen „Battleship“ oder „Battlecruiser“ vertrieben – zurecht wie ich finde! 😀

Fun Fact: Besonders beeindruckend finde ich, dass es sich sogar um ein Modell einer Terminaltastatur mit deutschem Tastaturlayout handelt. Ich könnte mir vorstellen, dass es davon nicht mehr viele gibt!

So finden sich auf dem Keyboard z.B. 24 Funktionstasten anstatt der üblichen 12. Ebenso wurden die Bearbeitungstasten (Entf und Einfg) sowie die Tasten zur Steuerung des Cursors (Bild auf, Bild ab, Pos 1, Ende) durch diverse Spezialtasten ersetzt. Und dann gibt es an der linken Seite der Tastatur gleich nochmal einen ganzen Block an Tasten für Spezialfunktionen. Wow, so viele Sondertasten für irgendwelche kryptischen Funktionen – ist das nicht abgefahren? 😀

Laut Aufkleber auf der Rückseite wurde das gute Stück 1993 in England produziert. Ob das Keyboard allerdings wirklich direkt bei IBM gefertigt wurde, lässt sich nicht mehr sagen. Theoretisch könnte das Teil auch nur im Auftrag von IBM bei Lexmark produziert worden sein, da IBM ab 1991 Teile seiner Hardwarefertigungsanlagen (und so auch die Tastaturproduktion) ausgliederte und die Firma „Lexmark International“ gründete. Wer weiß. 🙂

Der Zustand ist für die Tatsache, dass das gute Stück schon 30 Jahre alt ist, noch wirklich gut. So finden sich (im Vergleich zu deutlich günstiger produzierten Tastaturen) keine verblichenen Tasten oder Gehäusehälften. Die Tastaturkappen sind aus hochwertigem PBT-Plastikmaterial gefertigt und damit resistenter gegenüber Verschleiß und Vergilbung als andere Materialien wie z.B. ABS (übliches Material bei aktuellen Keyboards).

Fun Fact: Die Tasten waren für 25 Millionen Tastenanschläge spezifiziert, was bei einem Vielschreiber mit 100 Anschlägen pro Minute, Acht-Stunden-Tag und 250 Arbeitstagen sogar für die am häufigsten verwendete Taste „E“ mehr als 10 Jahre Lebensdauer bedeuten würde. Abgefahren! 😀

Anhand der RJ45-Buchse am Ende des Kabels würde ich mal vermuten, dass die Tastatur in grauer Vorzeit an IBM InfoWindow-Displaystationen angeschlossen wurde. Leider ist mir kein PC bekannt, an dem man so eine Tastatur samt RJ45-Stecker auch heute noch anschließen könnte! 🙁

Das ist aber kein Problem, denn tatsächlich wurde das gute Stück bereits mit einem „Soares Converter“ ausgestattet. Letztendlich ist das eine spezielle Firmware, welche auf einen ATmega32U4-USB-Mikrocontroller (z.B. Teensy 2.0 oder Arduino Pro Micro) geflashed wird. Das Projekt ist kein Hexenwerk und so etwas könnte man problemlos selbst machen, aber der Vorbesitzer war so nett und hat die Tastatur bereits entsprechend umgebaut. So können wir das Teil bequem per USB an jedem modernen PC anschließen! 🙂

Not so fun Fact: Gerade beim Flashen der Firmware ist einiges zu beachten. Da bin ich gar nicht böse drum, dass ich mir das erspare! 😉

Und es kommt noch besser: Eine der (wenigen) Schwachstellen der Model M Tastaturen ist, dass die Plastikauflage (auf welcher die einzelnen Tasten angebracht sind) mit der darunterliegenden Metallplatte lediglich durch ein paar Plastikstifte verbunden ist. Nach langjähriger Nutzung brechen diese Nieten durch Materialermüdung im Lauf der Jahre ab. Das hat zur Folge, dass das Schreibgefühl deutlich schwammiger wird und sich einige Tasten gar nicht mehr bedienen lassen, da der darunterliegende Springfedermechanismus verrutscht.

Abhilfe schafft der sog. „bolt mod“, bei welchem die Kunststoffnieten zwischen der Plastikauflage und der darunterliegenden Metallplatte durch ca. 50 kleine Metallschrauben und -muttern ersetzt werden. Dadurch wird die Tastatur deutlich stabiler und bietet auch für die nächsten Jahre (bzw. Jahrzehnte) ein sehr gutes Tippgefühl. Und was soll ich sagen – auch diese Modifikation hat der Vorbesitzer bereits durchgeführt. Gott sei Dank, denn das ist eine echte Sisyphusarbeit!

Puh, eigentlich wollte ich nur kurz etwas über die Tastatur erzählen und schon sind wieder drei Seiten Text geschrieben! Ich muss an meiner Punktualität arbeiten! 😛 Hatte ich nicht zu Beginn des Beitrags erwähnt, dass es heute um unseren „Mini-Mainframe“ geht, bzw. gehen soll? 😀 Um ehrlich zu sein, war das der eigentliche Grund, wieso ich die Tastatur überhaupt gekauft habe! xD

Es wird höchste Zeit, dass wir das Keyboard endlich im Einsatz sehen. Tatsächlich wird das Ding direkt von meinem PC erkannt und wir können es für mehr oder weniger sinnvolle Eingaben verwenden.

Und wie schlägt sich das Keyboard an unserem Mini-Mainframe?

Wirklich gut, denn einige der Funktionen verstecken sich hinter den Funktionstaten F13-F24. Diese sind auf einer „normalen“ Tastatur nur über das Drücken von SHIFT+F1-F12 erreichbar. Dank der größeren Tastatur mit mehr Tasten können wir diese Spezialfunktionen direkt ansteuern. Geil! 🙂

Viele der Tasten mit Sonderfunktionen haben allerdings keinen Effekt – kein Wunder, schließlich ist die Tastatur ja auch für ein echtes IBM-Terminal vorgesehen und nicht für den Betrieb an einem modernen PC. Doch auch diese Tasten können wir uns zu Nutze machen, denn ein weiterer Vorteil des „Soarer‘s Converters“ ist es, dass wir die Tastenbelegung beliebig verändern können!

Fun Fact: So ein „echtes“ 3270-Terminal (Röhrenmonitor mit 8 Farben) wäre schon eine feine Sache und würde mich auch reizen, aber leider kosten solche Bildschirme samt Anschlussstation viele hunderte Euros. Und selbst wenn man so ein Ding hätte – ein 3270-Terminal anzuschließen ist aus heutiger Sicht leider auch alles andere als einfach. Das geht nicht einfach über VGA, sondern es besitzt spezielle Ein- und Ausgänge (BNC-Koax-Stecker) zum Anschluss an einem Mainframe. Um so ein Terminal an unserem Mini-Mainframe zu betreiben, bräuchte es weitere, teure und aufwändig gebastelte Adapter. Nein Danke – man muss wissen, wann Schluss ist! xD

Dazu hat ein findiger Bastler ein Programm geschrieben, mit welchem sich die einzelnen Werte pro Taste sogar grafisch anpassen und anschließend auf den verbauten Arduino flashen lassen.

Um die Tastatur etwas weiter in Richtung „normaler Tastatur-Standard“ zu bringen, habe ich nicht nur die jeweiligen Tastenfunktionen verändert, sondern zusätzlich auch ein paar Ersatztasten von einer defekten Model M Tastatur bestellt:

Damit können wir ein paar der „skurrilsten“ Tasten (wie z.B. den Sechserblock mit Funktionstasten oberhalb der Pfeiltasten) sowie die Sondertasten rund um den Nummernblock austauschen.

Fun Fact: Da ich keine „+“-Taste hatte (und es auch keine kleine Plus-Taste für Model-M-Tastaturen gibt), habe ich sie einfach durch die „Dup“-Taste ersetzt. Nicht ideal, aber manchmal muss man eben Kompromisse eingehen. Die darunterliegende, zusätzliche Taste „E-Lö“ habe ich mit der ESC-Taste belegt. Das hat den Vorteil, dass man z.B. im Taschenrechner, in welchem ich überwiegend den Nummernblock verwende, bequem die Eingabe per Tastendruck mit einer Hand löschen kann! 🙂

Mit den nun übrig gebliebenen Tasten können wir die Sondertasten auf der linken Seite der Tastatur noch etwas aufwerten. Deren Beschriftung macht leider nicht mehr wirklich viel Sinn, da ich sie größtenteils mit speziellen Funktionen belegt habe, aber mir gefällt der ungewöhnliche Look des seitlichen Zehnerblocks. Der passt optisch einfach super zum Rest der Tastatur! 🙂

Fun Fact: Der Pfeil links oben ist die ESC-Taste, daneben findet sich das Windows-Dateimenü. Der darunterliegende Pfeil ist die Pause-Taste und mit allen weiteren Tasten lassen sich Spezialfunktionen (z.B. Windows-Explorer oder Internet-Browser öffnen, Systemlautstärke verändern) aufrufen.

Da ich sehr häufig die Windows-Taste z.B. zum Aufrufen des Explorers oder der Eingabeaufforderung verwende, habe ich mir unterhalb der Pfeiltasten einen Windows-Key angelegt:

So, viel mehr kann und will ich eigentlich auch gar nicht über die Tastatur sagen. Das Model M ist schon ein feines Stück Technik, welches dank der Modifikationen (wie dem Soarer Converter oder dem Bolt Mod) noch besser wird.

Ich könnte mir vorstellen, dass das Teil noch das ein oder andere Jahrzehnt überlebt und auch dann immer noch aktiv verwendet werden kann. Ich weiß – unvorstellbar in Zeiten, in denen dank geplanter Obsoleszenz die Geräte keine 2 Jahre mehr halten! 😉

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!