Ich glaube es gibt wenige Objekte, welche solch einen Kultstatus erreicht haben wie der erste „Game Boy“…
Wer hinter dem Mond lebt und keine Ahnung von Videospielen hat bekommt jetzt eine kostenlose Auffrischung:
Der „Game Boy“ ist eine tragbare 8-Bit-Handheldkonsole aus dem Hause Nintendo. Er ist mit knapp 120 Millionen verkauften Geräten eine der meistverkauften Spielekonsolen überhaupt. Er gilt als der Pionier unter den tragbaren Konsolen (auch wenn bereits einige Jahre zuvor andere Hersteller versucht haben diesen Markt zu erschließen). Da der Game Boy so erfolgreich war hat Nintendo einige (technisch verbesserte) Nachfolger produziert:
Fun Fact: Aufgrund der vielen erschienenen Folgemodelle (z.B. Color, Pocket, Advance, etc.) wird der erste Game Boy umgangssprachlich auch häufig „Game Boy Classic“ genannt.
Doch heute wollen wir uns mit dem Originalmodell beschäftigen. Das gute Stück kam 1989 in den Handel (in Europa erschien der Game Boy ein Jahr später). Für uns eine perfekte Gelegenheit den gut 30 Jahre alten Knaben etwas genauer zu begutachten.
Auf der Rückseite befindet sich neben der Seriennummer und dem Batteriefach eigentlich nichts weiter Spannendes. Auf der linken Seite des Geräts findet sich der Netzteilanschluss sowie ein Regler für den Kontrast des Displays.
Auf der rechten Seite befindet sich der Lautstärkeregler des verbauten Lautsprechers. Unter der kleinen Plastikabdeckung ist der Link-Port (Ext. Connector) versteckt. Mit diesem ist es möglich den Game Boy über ein Link-Kabel mit einem weiteren Game Boy zu verbinden, um Spiele gegeneinander zu spielen. Auch lässt sich über diesen Weg ein „Vier-Spieler-Adapter“ anschließen.
Fun Fact: Wer kennt es nicht? Sich im Sommer mit den Kumpels auf der Straße zu treffen um Pokémon zu tauschen. Ach ja, gute Kindheitserinnerungen – Nostalgielevel 100! 😀
Die Oberseite des Geräts ist die Wichtigste, denn hier befindet sich neben dem Einschaltknopf auch der Modulport über welchen der Game Boy mit diversen Spielen gefüttert werden kann.
Auf der Unterseite befindet sich eine Klinkenbuchse. Damit ist es möglich einen Kopfhörer an den Game Boy anzuschließen – ein absoluter Segen für Eltern auf langen Autofahrten! 🙂
Fun Fact: Tatsächlich ist ein Kopfhörer grundsätzlich eine gute Idee, denn dann kann man den piepsigen Sound in Stereo genießen, der verbaute Lautsprecher ist nur Mono!
Apropos Spiele – diese kamen in Form von kleinen ROM-Steckmodulen, welche in ein Plastikgehäuse eingearbeitet wurden. Offiziell wurden die Dinger „Game Paks“ genannt, aber umgangssprachlich sind die Spiele wohl eher als „Cartridges“ oder „Module“ bekannt. Die meisten Module waren grau, aber es gab auch einige farbige Spiele (wie z.B. die erste Generation der Pokémon-Reihe). Die kleinsten Game Boy Spiele sind nur 32kB groß und selbst die größten offiziell erschienenen Titel sind mit 1024kB extrem winzig.
Fun Fact: Die schwarzen Module sind Spiele, welche eigentlich bereits für den Game Boy Color entwickelt wurden, aber gleichzeitig abwärtskompatibel zum „alten“ Game Boy sind.
Was die Steuerung angeht hat Nintendo das bekannte Konzept des Nintendo Entertainment System übernommen – alle bekannten Komponenten (Steuerkreuz, A- und B-Button, Select und Start) sind da!
Fun Fact: Wieso Nintendo allerdings die Farbe der A- und B-Knöpfe von Rot auf ein dunkles Pink geändert hat kann ich nicht nachvollziehen… 😀
Technisch gesehen besitzt der Game Boy einen vergleichsweise relativ schwachen Z80-Prozessor und einen Schwarzweiß-LC-Bildschirm (eigentlich eher „grün-schwarz“) welcher vier Grünstufen mit einer Auflösung von 160×144 Pixeln darstellen kann. Selbst zum damaligen Zeitpunkt (also vor 30 Jahren) war das technisch nicht gerade „High-End“ und wurde von vielen Fachleuten kritisiert.
Punkten konnte der Game Boy dagegen mit seiner – für die damalige Zeit – kompakten Größe, den geringen Anschaffungskosten (169 DM) sowie dem sehr sparsamen Batterieverbrauch (ca. 20 Stunden Laufzeit mit 4 AA-Batterien).
Für viele ist es bis heute dennoch ein absolutes Wunder, dass sich der Game Boy trotz seiner primitiven Technik so deutlich gegen seine Konkurrenten (z.B. „Sega Game Gear“ oder „Atari Lynx“) durchsetzen konnte.
Meiner Meinung nach trugen die starke Softwarebibliothek (also die Spiele) und die unkomplizierte Bedienung zum Erfolg des Game Boys bei. So kann eigentlich jeder Mensch unabhängig von Alter oder Hintergrundwissen einen Game Boy in die Hand nehmen und eine Runde „Tetris“ spielen! 🙂
Selbstverständlich ist nicht nur Tetris alleine für den Erfolg verantwortlich. Beste Beispiele für sehr populäre Titel sind „Super Mario Land 1 & 2“, „Mega Man“, „Donkey Kong“, die „Pokémon“-Reihe und last but not least „The Legend of Zelda – Link’s Awakening“ (wir erinnern uns an Artikel 19).
Fun Fact: Tetris ist mit knapp 500 Millionen verkauften Einheiten das meistverkaufte Computerspiel aller Zeiten! 🙂
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Während explizit für den Game Boy entwickelte Spiele hoch gelobt wurden, gab es heftige Kritik an Spielen welche nur von anderen Plattformen (z.B. NES oder SNES) portiert wurden. Auf Grund der technischen Limitationen musste auf viele Spielelemente und Grafiken verzichtet werden – das kam nicht gut an. Gerade einige sehr dürftige Filmumsetzungen (z.B. „Terminator 2“, „Alien 3“, „Godzilla“, „Mighty Morphin Power Rangers“, „Mortal Kombat“, „Home Alone“ etc.) schlagen in diese Kerbe.
Anstatt die Stärken des Systems auszuspielen wurden hier nur halbherzig vermeintlich bessere Spiele anderer Plattformen hergenommen und so weit kastriert, dass man sie mit Ach und Krach auf ein Game Boy Modul quetschen konnte. Als einziges Verkaufsargument dient der Name, bzw. das Franchise – pfui!
Fun Fact: Der kleine süße Dino im Bild links unten soll tatsächlich Godzilla darstellen – ist klar! 😀
So, genug Theorie für heute – es wird Zeit für die Praxis. Bevor wir loslegen können, muss ich nur noch schnell Batterien in den Game Boy einlegen:
Na dann schalten wir das gute Stück mal an… Oha, was ist das?! Da tut sich ja gar nichts. Die Status-LED leuchtet nicht und der Bildschirm bleibt schwarz. Ob unser treuer Game Boy nach 30 Jahren den Geist aufgegeben hat? 🙁
Sieht für mich irgendwie nach einem Problem mit der Energieversorgung aus. Vielleicht haben die Batterien einfach keinen Kontakt. Im Batteriefach lässt sich erkennen, dass die Kontakte schon etwas korrodiert sind. Um dem Problem entgegenzuwirken habe ich die Kontakte mit Isopropanol und Wattestäbchen etwas gereinigt. Ob das geholfen hat?
Schon besser – it’s alive! 🙂
Naja, zumindest geht der Game Boy jetzt an und wir hören auch den ikonischen Startup-Sound samt Nintendo-Logo. Doch was ist das? Der Bildschirm hat einige vertikale Linien, die nicht korrekt angezeigt werden. Das ist nicht schön. 🙁
Glücklicherweise ist das ein relativ bekanntes Problem. Schuld daran sind gebrochene Lötstellen, welche das Flachbandkabel vom Mainboard mit dem Display verbinden. Ein Austausch ist sehr komplex, aber wir können versuchen die Verbindungen zu reparieren!
Hierzu müssen wir den Game Boy erst mal öffnen. Das Gehäuse ist natürlich in typischer Nintendo-Manier mit sechs Tri-Wing-Schrauben verschraubt, für welche man einen speziellen Schraubenzieher benötigt.
Fun Fact: Vier der Schrauben befinden sich auf der Rückseite, zwei im Batteriefach.
Hat man diese gelöst, kann man die Gehäusehälften auseinandernehmen. Der Game Boy beinhaltet zwei Platinen, welche über ein weiteres Flachbandkabel miteinander verbunden sind. Für unsere „Operation“ ist glücklicherweise nur die „obere Hälfte“ (die Platine auf welcher das Display befestigt ist) relevant. Damit wir an das Display herankommen, müssen die zehn Kreuzschlitzschrauben, welche die Platine im Gehäuse halten, gelöst werden.
Die „defekte“ Stelle befindet sich unterhalb des Displays. Hier endet das Flachbandkabel mit jeweils einem Kontakt pro vertikaler Bildschirmlinie. Normalerweise werden diese Kontakte mit Hilfe eines Gummistreifens (welcher selbst mit Klebstoff am Gehäuse befestigt ist) zur Stabilisierung nach unten gedrückt. In meinem Fall hat sich der Gummistreifen bereits selbstständig gemacht und ist auf der Gehäuseunterseite kleben geblieben (siehe unten im Bild). Das ist schön, denn das spart mir einen Arbeitsschritt! 😀
Um zu sehen, ob unsere Reparatur dann auch gleich Wirkung zeigt, habe ich die Batterien eingelegt, den Game Boy eingeschaltet und den Kontrastregler hochgedreht. Sofort lassen sich die defekten Linien wieder erkennen. Das war ja auch zu erwarten, wir haben schließlich noch nichts repariert! 😉
Fun Fact: Drückt man leicht auf die Stellen unter dem Display kann es sein, dass die ein oder andere Pixel-Zeile wieder kurzzeitig auftaucht – ein klarer Beweis für die gebrochenen Lötstellen.
Und wie bekommen wir das Display jetzt wieder hin? Die Idee ist es die einzelnen Lötstellen des Kabels zu erhitzen und anschließend abkühlen zu lassen sodass sie wieder eine saubere Verbindung herstellen. Bevor wir jedoch den Lötkolben rausholen können sollten wir zuerst die dünne Klebeschicht entfernen, da sonst der Kleber verbrennt und das riecht man auch noch Tage später in der Bude! 😀
Viel besser! Jetzt kommt der spannende Teil, denn nun müssen wir die Spitze des Lötkolbens mit leichtem Druck über das Flachbandkabel an den defekten Stellen streichen. Dabei braucht man etwas Geduld und man sollte möglichst wenig Hitze übertragen, da sonst das Kabel beschädigt werden könnte.
Auf der rechten Seite des Bildschirms ging das recht flott, aber auf der linken Seite hat das ganze Prozedere etwas länger gedauert, weil deutlich mehr Zeilen defekt waren. Aber was soll ich sagen? Es funktioniert! Bereits nach wenigen Minuten sind alle Displayzeilen wieder da und wir haben dem alten Game Boy wieder etwas Leben eingehaucht! 🙂
Fun Fact: Man sollte sich nicht verunsichern lassen, wenn die ein oder andere „gesunde“ Zeile durch das herumstochern mit dem Lötkolben auch kurzzeitig verschwindet. Spätestens wenn sich das Lot nach einigen Sekunden abgekühlt hat, kommen die Zeilen wieder zum Vorschein! 🙂
Da wir den Game Boy bereits geöffnet haben verpassen wir ihm doch noch eine kleine „Wellness-Kur“. Hierfür habe ich die Gehäusehälften von Staub und Dreck befreit und die Kontakte auf der Platine mit Alkohol gereinigt.
Fun Fact: Für diesen Schritt sollte man den Game Boy ausschalten und sicherheitshalber die Batterien herausnehmen. Wäre schade, wenn jetzt kurz vor Schluss noch was kaputtgeht!
Das Gleiche gilt natürlich auch für die mit Metallkontakten versehenen Gummipads, welche unter den Knöpfen angesiedelt sind. Schließlich wollen wir ja, dass jeder Knopfdruck sitzt! 🙂
Abschließend muss der Game Boy eigentlich nur noch in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammengebaut werden. Ist das geschafft wird es Zeit für einen letzten Test. Also, Batterien rein, Spiel einstecken und los geht’s… Läuft! 🙂
Fun Fact: Weiß jemand, was ich da gerade spiele? Für alle die nicht draufkommen: „Super Mario Land 2: 6 Golden Coins“
Hm, ja, was gibt es abschließend über den Game Boy zu sagen? Jeder kennt ihn, jeder liebt ihn. Viele Leute identifizieren damit eine glückliche Kindheit und lassen auch heute noch ihre Nostalgie in Form von Game Boy Merchandise (wie z.B. Spardosen, Uhren, Trinkbecher oder albernen Smartphone-Hüllen) aufleben.
Ich persönlich verbinde mit dem Game Boy Color noch mehr Nostalgie, weil es meine erste Konsole war, die ich als Kind bekommen habe. Dennoch kann ich den Hype um den guten alten „originalen“ Game Boy voll verstehen – das Teil ist einfach Kult. Besonders beeindruckend finde ich den langen Produktionszeitraum von vierzehn Jahren. Der Game Boy hat somit das SNES, den N64 und sogar die Anfangszeit des GameCube überlebt – absoluter Wahnsinn! Was die Spiele angeht bin ich bis heute verblüfft, wie viel Spielspaß (trotz der extrem kleinen Datenmenge auf den ROM-Chips) in so einem Game Boy Modul steckt. Auf die nächsten Dreißig lieber Game Boy! 🙂
So, ich bin dann mal weg. Es wird Zeit eine quietschende Prinzessin aus der Gefangenschaft eines wütenden Affen mit roter Krawatte zu befreien!
Cya! 🙂