#251 – retro PC madness – Sysline SLT450 – I

Was ist ein Computer? Würde man 100 Personen befragen, so würde diese Frage wohl von jedem etwas anders beantwortet werden. Für viele ist ein klassischer „PC“ (also ein Desktop-Rechner) das tägliche Arbeitsgerät, sei es nun im Büro oder privat zu Hause. Dann gibt es Leute, welche nur noch einen Laptop, ein Tablet oder gar ein Smartphone besitzen und ganz auf einen stationären Rechner verzichten. Egal mit welchem Gerät ihr am liebsten arbeitet, im Endeffekt sind diese Gegenstände alles nur Computer, welche auf den gleichen technischen Prinzipien basieren.

Und, lieber retrololo, was ist denn für dich ein Computer? Ich für meinen Teil möchte diese Frage mit einem Bild beantworten: DAS ist ein Computer! 😛

Alter, was für eine Maschine! 😀 Dieses Monstrum ist ein Modell „Sysline Targa SLT450“ der Firma Actebis aus dem westfälischen Soest. Anhand der vierstelligen Postleitzahl auf dem Typenschild ist schon mal klar, dass das System (oder zumindest der Aufkleber) vor Juli 1993 erschienen sein muss, denn ab diesem Zeitpunkt gibt es erst die fünfstelligen Postleitzahlen! 😀

Tatsächlich habe ich online einen Artikel von 1994 gefunden, in welchem berichtet wird, dass die Firma „Actebis Computerhandelsgesellschaft mbH“ ein Abkommen mit IBM zur Abnahme diverser PC-Komponenten getroffen hat, um diese dann nach Kundenwunsch zu PC-Systemen zusammenzustellen und zu verkaufen. Ob unser Rechner damals auch nach Kundenwunsch zusammengebaut wurde? Im dümmsten Fall steht hier ein echtes Unikat! 😉

Fun Fact: Mittlerweile wird die Firma unter dem Namen „Also Deutschland GmbH“ geführt.

Wird Zeit, das gute Stück mal etwas genauer zu untersuchen. Auf der Vorderseite finden sich eine klassische Siebensegmentanzeige (ich vermute zur Anzeige der aktuellen CPU-Taktfrequenz) sowie drei Knöpfe (Reset, Turbo und Power) zur Bedienung des Systems.

Was die Laufwerke angeht, haben wir ein 5,25“-Diskettenlaufwerk, ein 3,5“-Diskettenlaufwerk (in einem 5,25“-Einbaurahmen) sowie ein vierfach CD-Laufwerk (ganz reißerisch mit „Quad Speed“ betitelt). Es sieht so aus, als hätte der Vorbesitzer die Laufwerksbuchstaben als Aufkleber auf die einzelnen Geräte gepappt. Gerade für die Diskettenlaufwerke ist das gar keine schlechte Idee, so behält man leicht den Überblick unter welche Buchstaben nun welches Gerät erreichbar ist.

Fun Fact: Die Angabe „vierfach“ bezieht sich im Übrigen auf die Lesegeschwindigkeit des Laufwerks. „Normale“ CD-ROM-Laufwerke (mit einfacher Geschwindigkeit) können 153,6 kB pro Sekunde an Daten lesen. Unser Laufwerk schafft ca. 614 kB pro Sekunde – also vierfach so schnell! 🙂

Natürlich darf auch das obligatorische Schloss zum Sperren der Tastatureingaben nicht fehlen. Eines ist mal klar – das System strahlt in jeglicher Hinsicht einen maximalen „Retro-Flair“ aus! 😉

Auf der Rückseite findet sich ein Netzteil, welches zusätzlich (analog dem DTK-Rechner aus Artikel 233) einen Ausgang zum Stromanschluss für einen Monitor bietet.

Hm, sieht so aus als könnte man das System mit einer Vielzahl von seriellen Schnittstellen (neun- oder fünfundzwanzigpolig) erweitern. Wozu das gut sein soll (bzw. gut gewesen sein soll) entzieht sich leider meiner Kenntnis. Vielleicht wurde das überdimensionierte Gehäuse häufig auch im Serverumfeld oder für Industrieanwendungen verwendet?

Was die Anschlüsse am Mainboard (bzw. durch eingesteckte ISA-Erweiterungskarten) angeht, stehen uns eine fünfundzwanzigpolige sowie eine neunpolige serielle Schnittstelle, ein Parallelport, eine VGA-Buchse (vermutlich von einer alten Grafikkarte) und die typischen Anschlüsse einer Soundkarte (Line-In, Line-Out und Mikrofon) zur Verfügung. Die Soundkarte besitzt sogar einen fünfzehnpoligen Gameport, über welchen MIDI-Geräte oder natürlich alte Joysticks und Gamepads angeschlossen werden können – cool! 🙂

Not so fun Fact: Für was dagegen die Karte ganz unten im Rechner (die mit den beiden Cinch-Buchsen) gut sein soll, kann ich aus dem Stegreif leider nicht sagen! 🙁

Soviel zur Theorie, bzw. den Daten des Systems. Bleibt nur die Frage zu klären, ob wir den Monster-PC nach all den Jahren auch zum Laufen bekommen. Mal überlegen – was benötigen wir um das herauszufinden? In jedem Fall eine Tastatur. In Artikel 239 habe ich noch gescherzt, dass ich die alte DIN-Tastatur (Modell „LT-7300G GER 105“) besser mal aufhebe, da ich sie für ein zukünftiges Rechnerprojekt ja nochmal brauchen könnte. Heute ist ihr großer Tag gekommen! 🙂

Fun Fact: Trotzdem bin ich skeptisch, dass auf dem Computer bereits ein Betriebssystem läuft, bei welchem wir Gebrauch von der Windows-Taste machen könnten! 😀

Auch an einer Maus soll es nicht mangeln. Ich finde diese leicht vergilbte, seriell (neunpoliger D-Sub-Stecker) angeschlossene Kugelmaus mit drei Tasten passt prima zu unserem Retro-PC:

Jetzt fehlt nur noch ein Bildschirm. Nicht kleckern, sondern klotzen heißt hier die Devise! Was haltet ihr von diesem extrem verfärbten, 17“-Röhrenbildschirm? 😀

Rein optisch betrachtet hat das gute Stück schon bessere Tage gesehen, aber solange es funktioniert, ist mir das egal. Richtig viel kann ich über das Teil nicht sagen, ich weiß (dank Typenschild) nur, dass der Monitor wohl im April 1998 von der taiwanesischen Firma KFC (Smile International) hergestellt wurde und dass es sich um das Modell „KFC Smile CA6738SL“ handelt.

Not so fun Fact: Mit 1,5A zieht der Bildschirm vermutlich etwas zu viel Strom, um über das PC-Netzteil mit angeschlossen werden zu können, dementsprechend habe ich ihn sicherheitshalber über ein eigenes Kaltgerätekabel an den Strom gehängt. Ist vermutlich besser so – selbst wenn es funktionieren würde, sollten wir das betagte Netzteil nicht unnötig belasten.

Na, das nenne ich doch mal ein Retro-Setup! 😀

Jetzt heißt es beten und hoffen, dass nichts in die Luft fliegt! xD Sobald wir den Power-Knopf drücken, passiert leider nicht viel. Der PC startet nicht und das Bild am Bildschirm bleibt dunkel, aber immerhin leuchten ein paar Lichter und auch der Lüfter des Netzteils läuft an.

Erst habe ich vermutet, dass es am Bildschirm oder an einem Kabel liegen könnte, aber auch mit weiteren, getesteten Monitoren konnte ich dem Monster-PC kein Bild entlocken. Ich denke wir kommen nicht drum herum, das gute Stück mal aufzuschrauben.

Auf den ersten Blick wirkt zwar alles recht geräumig aber trotzdem geht es an ein paar wenigen Stellen (gerade im Bereich der ISA-Karten) recht eng zu.

Ja spinn ich denn?! Ich glaube, ich traue meinen Augen kaum – da steckt doch tatsächlich eine ISA-Controllerkarte vom Typ „LCS-6623 REV.D1“ (an welcher das Diskettenlaufwerk sowie eine IDE-Festplatte angeschlossen sind) auf dem Mainboard. Exakt das Modell, welches wir extra für den DTK-Rechner in Artikel 235 gekauft haben! Ich fass es nicht, was für ein Zufall! Hätte ich das mal vorher gewusst, dann hätte ich vielleicht diese Karte verwenden und mir kein zweites Modell kaufen müssen! Tja, so ist das Leben… 😀

Die Kabelführung sowie die Auswahl der einzelnen Komponenten ist an manchen Stellen etwas merkwürdig gelöst finde ich. Warum wurde z.B. das CD-Laufwerk nicht mit an den IDE-Bus des LCS-ISA-Controllers geschlossen? Könnte es sein, dass das optische Laufwerk mit einem proprietären Anschluss arbeitet und dafür eine eigene Einsteckkarte benötigt?

Sieht fast so aus, denn tatsächlich hängt das Laufwerk an einer dedizierten ISA-Karte. Ironischerweise ist das exakt die Karte mit den beiden Cinchbuchsen, welche ich von außen nicht bestimmen konnte. Durch die Tatsache, dass ein vierpoliges CD-ROM-Audiokabel vom Laufwerk zu der Karte führt, würde ich schließen, dass über die beiden Buchsen auf der Rückseite des Rechners das analoge Audiosignal vom CD-Laufwerk abgegriffen wird, um dieses z.B. auf externen Lautsprechern auszugeben. Das ist aber nur eine Vermutung, richtig sicher bin ich mir nicht! 🙂

Fun Fact: Vermutlich könnte man anstatt der speziellen ISA-Karte alternativ sogar die Ports auf der Soundkarte zum Anschluss des CD-Laufwerks verwenden. Auf einigen dieser älteren ISA-Soundkarten (so wie auch bei unserem Modell) gibt es (meist mehrere) Steckplätze, welche zum Anschluss von CD-ROM-Laufwerken unterschiedlicher Hersteller verwendet werden können – abgefahren! xD

Mal sehen, was haben wir denn sonst noch an Hardware in der Kiste? Die CPU versteckt sich gut getarnt unter einem Kühlkörper. Somit kann ich auf den ersten Blick gar nicht sagen, welches Modell es ist. Im Vergleich zum 286er (siehe Artikel 233) haben wir hier keine 16-Bit-Architektur, sondern der Prozessor arbeitet bereits mit 32 Bit. Ich vermute, dass das gute Stück in einem Bereich zwischen 16, 25, 33, 50 oder 100 MHz getaktet ist.

Und wie sieht es mit dem Arbeitsspeicher aus? Man merkt sofort, dass der Computer etwas neuer als der 286er ist, denn diesmal haben wir es nicht mit einzelnen RAM-Bausteinen, sondern bereits mit Arbeitsspeicher in Form von acht SIMM-RAM-Modulen zu tun.

Schon abgefahren – diese acht Module besitzen jeweils 1MB und ergeben so die geballte Menge von acht Megabyte Arbeitsspeicher. The future is now! 😛

Puh – auch auf diesem Motherboard finden sich zahlreiche Jumper. Leider habe ich bisher kein Datenblatt (und nicht mal einen Hersteller) des recht schnöde betitelten Modells vom Typ „486DX/SX SC P/N: 20100 REV: A1“ finden können. Besser wir lassen erst mal alle Jumper so wie sie sind! 😀

Rechts unten auf dem Board finden sich dann doch noch ein paar steckbare RAM-Chips vom Typ „Winbond W24256AK-20“. Ich vermute, dass das SRAM (insgesamt 256 kB, bestehend aus acht Chips mit je 32 kB) ist, welcher als Second-Level-Cache (ausgelagerter L2-Cache) zur Zwischenspeicherung der Daten aus dem Arbeitsspeicher für die CPU benötigt wird. Eventuell werden auf einem dieser Chips auch die Bios-Einstellungen (im Zusammenspiel mit einer CMOS-Batterie) gehalten. Apropos Batterie – wo befindet sich die eigentlich? Ich habe im gesamten Rechner keinen Akku oder eine Knopfzelle gefunden! Sehr merkwürdig…

Ach, egal. Die Frage ist doch eher: Wie lösen wir jetzt unser Problem? Um sicherzugehen, dass sich nicht einfach irgendwelche Kontakte gelockert haben, habe ich alle Karten und RAM-Module nochmal ein- und ausgesteckt. Leider brachte auch das keinen Erfolg. Doch dann – nach ca. 10 Bootversuchen bekommen wir aus dem Nichts heraus doch tatsächlich ein Bild auf dem Schirm angezeigt! Wie geht denn sowas? Reiner Zufall?! 😀

Fun Fact: Tatsächlich werden nur 7.808kB RAM angezeigt (obwohl wir ja 8.192 kB, also 8x 1024 kB) haben müssten. Das liegt an der Tatsache, dass 384kB (der sog. „UMB-Bereich“) teilweise von ISA-Karten-IO-Adressen, dem BIOS, oder Erweiterungskarten mit eigenem BIOS verwendet werden.

Ein erster Erfolg, doch leider lässt sich das System nicht starten und wir bleiben auf dem Startbildschirm hängen. Fies grinsend schaut uns die „CMOS battery state low“-Meldung an, welche vermutlich für einen Großteil unserer Probleme verantwortlich ist. Also doch die verdammte BIOS-Batterie! Aber ich habe doch das ganze Mainboard bereits abgesucht, wo ist das Teil? Tja, erst bei ganz genauem Hinschauen habe ich das Ding gefunden, welches zum Erhalt der BIOS-Daten benötigt wird:

Oh nein – ich ahne schlimmes! Ist das etwa so ein blöder Chip, in welchem die Batterie fest mit eingebaut wurde? Ich bekomme da ganz böse Vibes aus Artikel 11. Wer sich erinnert: Damals hatten wir solche Probleme mit den Timekeeper-EPROMs der Spielautomaten, weil auch dort eine Knopfzelle mit in den Chip gegossen wurde. Was für ein Mist! 🙁

Um ehrlich zu sein, will ich da heute gar nicht mehr drüber nachdenken. Ich denke, um das Problem sollten wir uns beim nächsten Mal kümmern! 😉

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!

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