Könnt ihr das glauben? Sechs – doch sehr unterschiedliche – Blüten zieren bereits unseren Switch-Blumenstrauß. Eines ist mal klar – voll ist der Strauß noch lange nicht und es ist definitiv noch Platz für ein paar weitere Blumen! 😉
Als erstes möchte ich dem Strauß eine ganz kleine, zarte Blüte namens „Behind the Frame: Das schönste Bild“ hinzufügen.
In Behind the Frame begleiten wir eine aufstrebende Künstlerin, die kurz davorsteht, ihr größtes Werk zu vollenden und in einer Galerie auszustellen. Erst im Nachhinein stellt sich heraus, dass unsere Protagonistin mutmaßlich ihr Gedächtnis verloren hat und versucht, dieses durch die Malerei sowie Eindrücke aus ihrer Umgebung wiederherzustellen.
Fun Fact: Das Spiel wurde vom taiwanesischen Entwicklerstudio „Silver Lining Studio“ 2021 entwickelt und 2022 für die Switch portiert. Für meine Verhältnisse spielen wir also ausnahmsweise mal was ungewöhnlich „aktuelles“ 😛
Die melancholische Geschichte wird dabei linear erzählt und meist lediglich durch ein paar Suchaufgaben unterbrochen. Moment mal – um was geht es denn in dem Spiel jetzt eigentlich? Nun, letztendlich müssen wir Bilder ausmalen, hin und wieder ein paar passende Farben im eigenen Apartment suchen, bzw. finden und zwischendurch auch ein paar kleine Routinearbeiten (Frühstück zubereiten, Kaffee kochen) erledigen. Hm, klingt ja hoch spannend! 😛
Ich gebe es ja zu – das Spiel spielt sich mehr wie eine interaktive Geschichte, als wie ein echtes Adventure. Zwar gibt es ein paar klassische Rätseleinlagen, welche allerdings recht leicht zu durchschauen sind. Das eigentliche „Gimmick“ des Spiels, nämlich das Ausmalen verschiedener Bilder habe ich persönlich als etwas monoton empfunden. Das wirkt irgendwie wie „Malen nach Zahlen“ für Sechsjährige und erinnert mich fast etwas an „Mario Paint“ vom Supernintendo – nur deutlich primitiver! 😀
Auch das hin und wieder geforderte Erstellen von Skizzen erinnert vom Gamplay her eher an das Freirubbeln eines Rubbelloses, als an wirkliche Kunst. Ich gebe es offen zu – die Steuerung wirkt in diesen Passagen leider manchmal etwas hakelig und ungenau.
Selbst mit rosaroter Kunst-Brille kann man nicht verleugnen, dass diese „Routinearbeiten“ (sei es nun das Malen oder das Zubereiten von Kaffee und Frühstück) einer der schwächsten Punkte des Spiels sind. Es ist zwar einmalig ganz nett, Toast zu toasten oder Spiegeleier zu braten, aber spätestens beim fünften Mal wirkt das doch arg repetitiv. Wozu das alles? Im echten Leben nervt doch das Zubereiten von Essen schon gerne mal, warum soll ich jetzt also auch noch digitale Eier braten? xD
Fun Fact: Vielleicht lässt sich das Problem mit der Steuerung durch die Tatsache erklären, dass das Spiel eigentlich für eine Maussteuerung mit dem PC entwickelt wurde. Selbst mit einem guten analogen Controller, lässt sich eine Maussteuerung halt nicht zu hundert Prozent imitieren.
Der Adventure-Teil dagegen, also das Durchsuchen der eigenen Wohnung nach weiteren Farben sowie das Lösen kleiner Rätsel, hat da bei mir schon mehr Anklang gefunden. Während wir zu Beginn nur einfache Suchrätsel („suche eine grüne Farbe und finde diese in der Schublade“) lösen müssen…
…erwarten uns im Spielverlauf einige kreative Rätsel wie z.B. das Umsehen und Finden von Gegenständen in einer Art „stillen Zwischensequenz“. Es ist schwer zu beschreiben, aber für mich wirkt das fast so, also würde man sich auf einem 360°-Panoramabild mit einer VR-Brille nach Hinweisen umsehen! 🙂
Wo das Spiel definitiv punkten kann, sind die Optik und die Atmosphäre. Die Charaktere, Grafiken und Hintergründe sind toll in Szene gesetzt und auch der unaufdringliche Soundtrack integriert sich ideal in den eher ruhigen Spielablauf.
Ganz klares Highlight sind meiner Meinung nach die kleinen Zwischensequenzen, welche uns nach jedem Abschnitt mit einem weiteren Teil der Hintergrundgeschichte belohnen. Diese erinnern mich irgendwie an die Filme des japanischen Zeichentrickstudios „Studio Ghibli“ und tragen einen Großteil zum Charme des Spiels bei.
Fun Fact: Vielleicht kennt ihr ja sogar den ein oder anderen Film des Studios und wisst es nicht mal? Zu den prominentesten Werken zählen die Animes „Prinzessin Mononoke“, „Chihiros Reise ins Zauberland“ sowie „Das wandelnde Schloss“! 😉
Ich denke viel mehr möchte ich über „Behind the Frame“ auch gar nicht verraten. Für mich ist das Mini-Adventure ein ganz klarer Kandidat für ein Spiel zur Entspannung für zwischendurch. Die Rätsel sind einfach zu lösen und es geht mehr um die Präsentation und die Geschichte, als um ausgereifte Gameplay-Mechaniken. In gewisser Hinsicht erinnert mich das Spiel etwas an „Minute of Islands“ aus Artikel 214! Wer grundsätzlich mit dieser Art von Spielen etwas anfangen kann, der kann sich ruhig auf den recht kurzen Ausflug (ca. 2-5 Stunden Spielzeit) in die Welt der Künstlerin einlassen. 🙂
Wenn wir uns schon im Bereich der interaktiven Adventures befinden, dann nutze ich doch gleich die Gelegenheit um euch ein vermutlich recht unbekanntes Kleinod vom Entwicklerstudio „Sketchy Logic“ vorzustellen. Ein Spiel mit dem etwas merkwürdigen Titel „Aviary Attorney“:
„Vogelkäfig-Rechtsanwalt“? Was soll das denn bedeuten? Nun, in „Aviary Attorney“ schlüpfen wir in die Rolle des Anwalts „JayJay Falcon“, welcher mit seinem Sparringspartner „Sparrington“ (kein Witz, der heißt wirklich so) als Pflichtverteidiger Tatorte besucht, Beweisstücke sammelt und anschließend im Gerichtssaal einen Klienten verteidigen muss. Hm, wo haben wir das nur schon mal gehört?
Nicht nur der Titel, sondern auch das Gameplay, die Dialoge sowie der Humor erinnern frappierend an „Ace Attorney“ (siehe Artikel 167). Man merkt ganz klar, dass das Spiel von der Visual Novel Reihe rund um das Anwaltsass Phoenix Wright inspiriert wurde. Wenn ich es mir also einfach machen wollen würde, könnte ich sagen: „Aviary Attorney“ ist wie „Ace Attorney“ nur mit Tieren anstatt Anime-Charakteren. Damit ist eigentlich schon alles gesagt! 😀
Na, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Zum einen sollte euch bereits aufgefallen sein, dass der Grafikstil etwas ganz Besonderes ist. Für die gezeichneten Charaktere wurden echte Lithographien des französischen Künstlers „J. J. Grandville“ übernommen und durch ein paar einfache Animationen zum Leben erweckt. Ob einem nun der Stil gefällt oder nicht – das Ergebnis ist definitiv etwas Außergewöhnliches, was man so vermutlich nur ganz selten in einem Videospiel findet!
Die Charaktere sind aber – nicht nur dank ihrem einzigartigen Grafikstil – besonders und fallen durch allerlei ironische und zynische Bemerkungen auf. Gerade die stichelnden Gespräche zwischen Anwalt Falcon und seinem Sidekick Sparrington sind für mich ein Highlight und haben immer wieder für laute Lacher gesorgt. Es ist überraschend, dass die Entwickler trotz des überwiegend ernsten und teilweise sogar tristen Settings eine gewisse Leichtigkeit in den Dialogen beibehalten haben, welche dem Spiel seinen ganz eigenen Charme verleiht.
Apropos Setting – das Spiel basiert auf der französischen Geschichte des 19. Jahrhunderts und thematisiert die Julirevolution 1830 sowie die zahlreichen Attentatsversuche auf König Louis-Philippe I. Man merkt förmlich, wie die sich der Mob in den Gassen Paris zusammenrafft, um eine erneute Revolution gegen den König anzuzetteln. Natürlich spielt dabei auch unser Anwaltsduo eine Rolle! 😉
Fun Fact: Der König wird im Spiel durch einen abgehobenen, recht sorgenfreien und vor allem realitätsfremden Pinguin dargestellt. Meiner Meinung nach gut getroffen! 😀
Dementsprechend wundert es nicht, dass als Ort des Geschehens die Stadt Paris gewählt wurde. Dem Spieler gibt das die Möglichkeit einige bekannte Schauplätze wie z.B. den „Pont des Arts“ oder den „Palais du Louvre“ zu erkunden. Diese lassen sich bequem über einen Kartenbildschirm ansteuern. Jeder besuchte Ort verschlingt dabei einen Tag Zeit und man muss taktisch vorgehen, um mit der begrenzten Anzahl an Tagen zwischen den Gerichtsverfahren genügend Beweisgegenstände zu sammeln.
Fun Fact: Der Eiffelturm fehlt übrigens im Spiel. Das liegt aber nicht daran, dass die Entwickler dieses monumentale Bauwerk etwa übersehen hätten, sondern vielmehr an der Tatsache, dass es erst 40 Jahre später gebaut wird! 😉
Die Story leitet uns dabei zu Beginn recht linear durch Paris, wird aber im Verlauf der Geschichte immer komplizierter und vertrackter. Wer sind die „Guten“, wer die Durchtriebenen? Was ist richtig, was ist falsch? Wer übt Gerechtigkeit, wenn die Staatsführung versagt? Unterstützt man die Rebellen bei der Revolution oder bleibt man den etablierten Machtverhältnissen treu? Aviary Attorney manövriert uns in einige moralische Zwickmühlen, bei denen ich kurz innehalten und mir ernsthaft Gedanken machen musste, was ich in der jeweiligen Situation als „gerecht“ empfinde.
Als Gegenspieler dient uns im Übrigen ein – wortwörtlich – eitler Gockel namens Séverin Cocorio. Er tritt als Staatsanwalt im Gerichtssaal auf und lässt keine Gelegenheit aus uns als unfähigen Clown abzustempeln und uns in der Öffentlichkeit zu blamieren. Wie auch sein Vorbild „Miles Edgeworth“ (der Staatsanwalt in Ace Attorney) ist er ein sehr selbstsicherer und recht arrogant wirkender Charakter, welcher im Lauf des Spiels die größte Charakterentwicklung durchmacht.
Fun Fact: Um das Potpourri an Anspielungen zur Ace Attorney Reihe komplett zu machen, tritt Inspektor „Juste Volerti“ in die Fußstapfen von Detektiv „Dick Gumshoe“. Er verhält sich häufig etwas naiv und inkompetent, hat aber ein gutes Herz und steht für die richtige Sache.
Passend zum Grafikstil und Setting des Spiels ist die akustische Untermalung in Aviary Attorney überwiegend klassisch gehalten und es kommen ein paar bekannte Stücke wie z.B. „Act 3 – Entr‘act“ von Komponist George Bizet aus der Oper Carmen oder „Sinfonie Nr. 3“ von Charles Tournemire zum Einsatz. Die Soundeffekte sowie die Sprachausgabe der einzelnen Charaktere (welche nur aus ein paar Tönen und Geräuschen besteht), wirkt simpel, fügt sich aber gut in das Gesamtbild ein. Und wieder kann ich nur sagen, wie sehr mich Technik und Gameplay an Ace Attorney erinnern! 🙂
Das Spiel besteht aus insgesamt vier Kapiteln und lässt sich so innerhalb weniger Stunden durchspielen. Das klingt erst mal enttäuschend, aber ich kann euch beruhigen: In dem Abenteuer von Falke und Spatz findet sich definitiv einiges an Wiederspielwert. So gibt es nicht nur zig unterschiedliche Dialogoptionen, welche über jeweils alternative Wege zum Ziel führen, sondern auch drei verschiedene Enden. Welches ihr davon spielen dürft hängt davon ab, wie aufmerksam ihr das dritte Kapitel spielt und euch in der abschließenden Verhandlung anstellt. So wird dem Spieler die Möglichkeit gegeben, unterschiedliche Ausgänge der gleichen Geschichte zu entdecken – cool! 🙂
Hin und wieder gewährt das Spiel einen etwas tieferen Einblick in die Hintergründe der Geschichte, sowie die Motive der einzelnen Charaktere, indem es optionale Zwischensequenzen zum Ansehen anbietet. Das lockert den anstrengenden Arbeitsalltag als Ermittler, bzw. Strafverteidiger etwas auf und sorgt für besseres Verständnis der Motive einiger Charaktere. Wenn es nach mir geht, hätten es gerne noch viel mehr dieser Sequenzen sein dürfen! 🙂
Um mal auch etwas zu meckern – die Umsetzung von Kapitel 3 ist meiner Meinung nach nicht ganz ideal gelungen. Was mir persönlich nicht ganz so gut gefällt ist die Tatsache, dass man Gegenstände gänzlich verpassen kann und dadurch massiv den Ausgang (und somit auch den Fortgang der Geschichte) beeinflusst. Das ist zwar realistisch, bietet aber Frustpotential, denn so kann es z.B. sein, dass man das halbe dritte Kapitel spielt, nur um festzustellen, dass einem in der abschließenden Gerichtsverhandlung ein essentiell wichtiger Beweisgegenstand fehlt, welchen man zu Beginn des Kapitels irgendwo übersehen hat. Das erinnert mich fast etwas an Sierra-Adventures, bei welchen es üblich war, dass man sich in eine Sackgasse spielen konnte. Das hat mir noch nie gut gefallen und hat auch meiner Meinung in (modernen) Adventure-Spielen einfach nichts mehr verloren.
Immerhin – damit man nicht immer wieder von ganz vorne anfangen muss, kann man vom Hauptmenü aus zu verschiedenen Punkten (Tagen der Ermittlung) springen und von dort aus weiterspielen. Abhängig davon, wann man zum letzten Mal gespeichert hat, ist aber ggf. die Auswahl an Gegenständen, welche man dann bereits im Inventar hat, nicht vollständig. Besser man spielt also ein Kapitel nochmal von vorne.
Mal überlegen, was könnte man abschließend über Aviary Attorney sagen. Wer auf französische Geschichte, Schwarz-Weiß-Grafiken und prozessierende Vögel steht, der ist hier genau richtig! 😀 Ich weiß, das hört sich erst mal ziemlich nach „Nische“ an, aber ich denke das Spiel dürfte auch für „normale“ Adventure-Fans oder Liebhaber von Visual Novels ein Geheimtipp sein.
Auf der Webseite des Spiels steht „The hottest bird lawyering game to come out of 1840’s France.“. Dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen! 😀
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!