#249 – RtMI

Ich habe mich in letzter Zeit häufig gefragt, für was ich mich eigentlich noch so richtig begeistern kann. Früher (als Kind oder Teenager) war es irgendwie einfacher, wegen irgendetwas „gehyped“ zu sein. Heute kann ich diese Frage nicht mehr so leicht beantworten. Ist es ein neuer Kinofilm? Ein gutes Abendessen? Etwas Sport zu treiben, um sich gut zu fühlen? Ein fauler Sonntag auf dem Sofa? Zeit mit anderen Menschen verbringen? Manchmal habe ich den Eindruck, dass in der heutigen Zeit alles so „überladen“ wirkt und es mir entsprechend schwerfällt, mich auf etwas zu konzentrieren.

Doch nicht nur das Überangebot an Optionen (seien es nun Konsumgüter, Medien oder sonstige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung), sondern auch die eigene Entwicklung spielt wohl eine große Rolle. Eines ist mal klar – je älter man wird, desto mehr verschieben sich die Prioritäten. Während ich mittlerweile (dank zahlreichen „Erwachsenen-Themen“ wie z.B. Arbeit, Haushalt und Schulden) viel mehr „die Ruhe“ (sei es nun beim Basteln, Schreiben von Blogartikeln oder bei einem guten Essen mit kühler Hopfenkaltschale) genieße, gab es unbeschwertere Zeiten, in denen das wichtigste auf der ganzen Welt ein neues Computerspiel war! 🙂

Es ist sicher kein Geheimnis und ihr wisst das vermutlich bereits, aber ich glaube es gibt wenig Medien (sei es nun Bücher, Filme, TV-Serien oder Spiele) für die ich mich so begeistern kann wie für Adventure-Spiele auf dem PC oder einer Spielkonsole. Die Möglichkeit in eine virtuelle Welt abzutauchen und sich dort mit einem vermeintlichen Antihelden zu identifizieren hat mir schon immer gut gefallen. Das ruhige, auf Rätsel bedachte Spielgeschehen und der meist in hoher Dosis vorhandene Humor geben mir persönlich viel mehr, als eine wilde Ballerei im Online-Multiplayer.

Fun Fact: Gerade die Werke von LucasArts aus den Neunzigern haben einen schweren Eindruck hinterlassen und prägen mich auch heute noch z.B. bei der Auswahl von neuen Indie-Adventures für PC und Nintendo Switch! 😉

Somit ist es kein Wunder, dass ich ungläubig meine Augen rieb, als am 04.04.2022 ein Trailer für ein neues Spiel der Monkey Island Reihe auf YouTube für mich vorgeschlagen wurde. Moment mal! Ein neues Monkey Island?! Und das angeblich sogar von „Terrible Toybox, Inc.“ – dem Entwicklungsstudio von Serienschöpfer Ron Gilbert höchstpersönlich?! Das kann nicht sein…

Aber retrololo – warum bist du da so skeptisch? Es ist doch nur ein neues Videospiel? Tja Leute, so einfach ist das nicht. Die Tatsache, dass tatsächlich ein neuer Teil der Monkey Island Serie erscheint, gleicht nicht weniger als einem Wunder. Nicht nur ist die Rechtslage der Monkey Island Lizenz (dank Übernahme von Disney) extrem kompliziert, auch hat Ron Gilbert selbst noch 2013 auf seinem Blog gesagt, dass er nur einen weiteren Serienteil produzieren würde, sofern er nicht zu einhundert Prozent die Rechte am geistigen Eigentum der Marke „Monkey Island“ besitzen würde.

Fun Fact: Die Anmerkung vom sprechenden Schädel Murray im Trailer („Ron Gilbert told me he’d never make another Monkey Island unless…“) ist eine Anspielung darauf! 😉

Da dies nicht der Fall ist und die Rechte immer noch bei Disney liegen, ist bzw. war es nahezu ausgeschlossen, dass es jemals ein weiteres Abenteuer um den Antiheld-Piraten Guybrush Threepwood geben wird. Nun soll es also 31 Jahre nach dem letzten Teil, an dem Serienschöpfer Ron Gilbert mitgewirkt hat (Monkey Island 2), also ein neues Monkey Island erscheinen, welches die Story direkt nach Teil 2 weiterspinnt. Das Spiel trägt den passenden Titel „Return to Monkey Island“ (RtMI) und sollte angeblich sogar noch 2022 erscheinen. Ich kann es nicht glauben?!

Verzeiht mir meine Skepsis, aber damit bin ich nicht allein. Selbst bis zum Tag der Veröffentlichung am 22. September 2022 glaubten nicht wenige Fans, dass es sich nur um einen ausgedehnten Prank handelt. Wer will es ihnen auch verübeln? Die Ankündigung des neuen Serienteils erfolgte am 01. April – kein Scherz! 😀 Bereits in den vergangenen Jahren hatte Ron Gilbert auf seinem „Grumpy Gamer“ Blog die Leute immer wieder gerne an diesem Datum getriggert und durch den Kakao gezogen. Und – sind wir mal ehrlich – wie realistisch ist es, so ein Projekt vor der Allgemeinheit für Monate (oder Jahre) der Entwicklung geheim zu halten? In Zeiten des Internets ist es nur schwer vorstellbar, dass da nicht vorab irgendwelche Infos durchsickern…

Fun Fact: Dabei hätten wir doch nur alle gut zuhören müssen! Tatsächlich hat Mr. Gilbert selbst vor Jahren auf Twitter erwähnt, dass er – sofern er denn tatsächlich mal einen neuen Teil machen würde – diesen am 01. April ankündigen würde. Unfassbar! 😀

Um das mal für euch „Nicht-Fans“ der Spieleserie in eine Perspektive zu setzen: Das wäre so, als würde George Lucas einen neuen Star Wars Film (samt Musik von John Williams) machen, in welchem – auf magische Art und Weise sämtliche Darsteller der ersten Filme (die das Franchise großgemacht haben), wieder mit am Start wären. Verrückte Vorstellung, oder? 😉

So, genug der Schwärmerei. Schließlich ist das Spiel in der Zwischenzeit tatsächlich erschienen und wurde von Kritikern und Spielern überwiegend positiv aufgenommen. Natürlich habe ich das Adventure mittlerweile durch und kann sagen, dass ich die positive Meinung teile. Das Spiel schafft meiner Meinung nach prima den (schwierigen) Spagat zwischen „beinhartem Retro-Abenteuer“ und „modernem, leicht zugänglichem Adventure“.

Ein (besonders im Vorfeld) sehr stark kritisierter Punkt ist die Grafik des Spiels. Insbesondere die Darstellung der einzelnen Charaktere in ihrer recht kantigen Form sorgte bei einigen Fans für Stirnrunzeln und stieß größtenteils auf Unverständnis.

Not so fun Fact: Viele haben sich zum ersten Gameplay-Trailer so negativ geäußert, dass Ron Gilbert kurzerhand die Kommentarsektion auf seinen Blog deaktiviert hat. Manchmal verstehe ich die Leute einfach nicht. Egal ob man etwas gut oder schlecht findet, wie kann man verbal nur so extrem eskalieren? Bei aller Liebe – es geht trotzdem nur um ein Computerspiel! 🙁

Ich gebe es zu – auch ich gehör(t)e eher zu der skeptischen Fraktion, muss aber sagen, dass ich mich mittlerweile mit dem Grafikstil angefreundet habe. Klar – die unförmigen Charaktere sind nicht jedermanns Sache, aber die gezeichneten Gegenstände, Hintergründe und Animationen sind extrem bunt und liebevoll gemacht. Ebenso ist die Monkey Island Reihe dafür bekannt schon immer mal etwas „Neues“ ausprobiert zu haben, sei es nun der Comic-Stil von The Curse of Monkey Island (Teil 3) oder gar die 3D-Optik des (leider völlig missratenen) vierten Teils.

Wie es sich eben für ein neues Monkey Island Spiel gehört, lässt sich vorab der Schwierigkeitsgrad auswählen. Um möglichst viel vom Spiel mitzunehmen, habe ich natürlich gleich zur schwierigen Stufe gegriffen. Um ehrlich zu sein, fand ich das Spiel auch gar nicht so schwer. Erfahrene Adventure-Hasen werden sich schnell hineinfuchsen und viele Rätsel ohne groß nachdenken zu müssen lösen können. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es für eiserne Serienfans ggf. etwas zu einfach ist, aber das ist schon ok so. Die Zeiten, in denen man tagelang an einem Rätsel geknobelt hat, oder sich gar ein Lösungsbuch kaufen musste, sind wohl einfach vorbei…

Dennoch gab es eine Stelle, an der ich mir einen Hinweis einholen musste. Eigentlich war die Lösung gar nicht so schwer zu erraten, aber manchmal ist man eben einfach in seiner Denkrinne gefangen. Spoiler Alarm – hättet ihr gewusst, dass es sich bei dem „Biss der tausend Nadeln“ um den Kopf einer fleischfressenden Pflanze handelt, welche man zufällig in einem Waldstück findet und mit einem Zeremonienmesser abschneiden muss?! Im Nachhinein erscheint es mir logisch, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Stunden damit verbracht die Spielwelt abzusuchen und sämtliche Gegenstände miteinander zu kombinieren. Den Wald hatte ich natürlich komplett vergessen… 😀

Gut, dass man sich direkt im Spiel selbst Tipps über ein integriertes Hinweisbuch geben lassen kann. Das ist einer der Punkte an denen man merkt, dass Return to Monkey Island ein modernes Adventure ist. In den Neunzigern hätte es solche Komfortfunktionen definitiv nicht gegeben! 😉

Um nicht den Überblick zu verlieren, führt Guybrush sogar Buch über die aktuell zu erledigenden Aufgaben. Hier finden sich – in grob gegliederter Form – so Dinge wie „Löse das Rätsel 4711“ oder „Finde den Gegenstand XY“. Ich gebe es offen und ehrlich zu – ich habe schon das ein oder andere Adventure gespielt, bei dem ich mir so eine Funktion gewünscht hätte! 🙂

Fun Fact: Im Endeffekt ist es das gleiche Prinzip, wie bei früheren Vertretern des Adventure-Genres mit dem einzigen Unterschied, dass das Spiel „digital“ den Überblick behält und man nicht händisch mit Bleistift und Papier sich Aufgaben merken muss. Ich weiß – aus heutiger Sicht ist das unvorstellbar, aber „damals“ war z.B. das händische Zeichnen von Karten der Spielwelt (um sich darin zurechtzufinden) völlig normal. Die Leute früher hatten wohl einfach mehr Zeit… 😛

Man merkt einfach, dass das Spiel mit extrem viel Liebe zum Detail entwickelt wurde. Noch ein Beispiel gefällig? Sofern man RtMI eine Zeit lang beiseitelegt und nicht spielt, wird man bei einem erneuten Spielstart von Guybrush in erzählerischer Form über die bisherigen Geschehnisse informiert. So kann man – auch nach längerer Abwesenheit – sofort wieder ins Spielgeschehen einsteigen und problemlos der Story folgen – echt clever!

Fun Fact: Apropos Liebe zum Detail – während des Spielens ist mir tatsächlich kein einziger Bug oder Fehler untergekommen. Hand aufs Herz – wann habt ihr das letzte Mal ein „modernes“ Spiel gespielt, welches von Haus aus ohne Probleme läuft und auf zahlreiche nachgeschobenen Patches verzichtet? Ebenso läuft das Spiel (auch auf der Switch) absolut flüssig und ohne erkennbare Lags. Ich bin begeistert, denn gerade letzterer Punkt ist mittlerweile – leider – alles andere als selbstverständlich!

Natürlich trifft man im Spielverlauf auf alte Bekannte wie z.B. die geheimnisvolle „Voodoo Lady“…

…oder den allseits beliebten Verkäufer „Stan“. Spoiler Alarm – diesmal müssen wir den geschäftstüchtigen Händler aus dem Gefängnis befreien, da er auf Grund von „marketing-related crimes“ für ein paar Monate weggesperrt wurde. Na, das ist aber auch Zeit geworden! 😀

Doch auch mit neuen Charakteren machen wir Bekanntschaft. Dazu gehören vor allem die drei neuen (und sehr zwielichtig wirkenden) Piratenanführer, deren Weg sich mit unserem im Verlauf der Story mehrfach kreuzen wird…

Apropos Story – die von Dave Grossmann und Ron Gilbert gesponnene Erzählung fügt sich erstaunlich gut in die bisherige Welt von Monkey Island ein. Irgendwie haben die Entwickler das Kunststück geschafft, die Geschichte rund um das Geheimnis der Affeninsel endgültig aufzulösen – aber gleichzeitig auch irgendwie nicht! Es ist schwer zu erklären und ich möchte an dieser Stelle nicht mehr verraten. Spielt das Spiel einfach selbst! 😉

Fun Fact: Mich erinnert das Spiel, was das Storytelling angeht, etwas an „Deponia Doomsday“ (siehe Artikel 120)! 🙂

Wie zu erwarten, gibt es an der akustischen Untermalung nichts zu meckern. Das Spiel ist in englisch mit zahlreichen originalen Sprechern (u.a. Dominic Armato als Guybrush Threepwood) vertont und mit deutschen Untertiteln versehen. Spätestens die Musik lässt das Nostalgiker-Herz höherschlagen, denn wer die früheren Monkey Island Spiele gespielt hat, wird sich hier sofort zuhause fühlen. Kein Wunder – schließlich sind mit Michael Land, Clint Bajakian und Peter McConnell die originalen Komponisten der Serie am Start. Es ist schon verblüffend, wie perfekt sich die karibischen Klänge auch heute noch in das Ambiente einfügen. Meine persönlichen Highlights sind die Musik in der SCUMM Bar sowie das Hintergrundthema, welches auf LeChuck’s Schiff gespielt wird.

Fun Fact: Mittlerweile (leider erst nach der Erstellung des Blogbeitrags) wurde die deutsche Synchronisation des Spiels über einen Patch nachgereicht. Mit Norman Matt (vielen vermutlich als die deutsche Stimme von Special Agent Tony DiNozzo aus Navy CIS bekannt) ist ein alter Bekannter am Start, der dem Protagonisten Guybrush bereits seit Teil drei der Serie seine Stimme leiht! 🙂

Nicht nur anhand der Musik merkt man, dass hier die „originale Crew“ am Werk war. Das Spiel ist vollgepackt mit liebevollen Details und Anspielungen. Der Humor war sowieso schon immer eine der größten Stärken von Monkey Island und RtMI macht da keine Ausnahme. Es gab zahlreiche Stellen an denen ich mich amüsiert habe – von einem leichten Schmunzeln, einem breiten Grinsen bis hin zu spontan einfach mal lauthals loslachen war alles dabei! 😀

Für echte Nerds hält das Spiel dann auch noch ein paar Quizfragen bereit, welche im Lauf des Spiels in Form von Quizkarten zufällig an verschiedenen Orten gefunden werden können. Die Fragen drehen sich natürlich um Trivia rund um die Monkey Island Serie und sind dementsprechend recht unterschiedlich leicht, bzw. schwer zu beantworten. Während wir die Antworten auf einige Fragen (wie z.B. den Namen der Voodoo Lady) im Lauf des Spiels erfahren, zielen manche Fragen auf bestimmte Jahreszahlen ab und erfordern so ein recht umfangreiches „Nerd-Wissen“ zu der Spielereihe. Wusstet ihr z.B. dass Ron Gilbert im Jahr 1985 bei Lucasfilm Games angefangen hat zu arbeiten oder dass die Entwicklungszeit des ersten Monkey Island Spiels 9 Monate war? Ich nicht! 😀

So, bevor ich nun noch mehr wie ein schwärmendes Teenie-Girl auf einem Justin Bieber Konzert klinge, sollte ich schleunigst auch noch etwas kritisieren. Hm, mal überlegen. Das Spiel ist für meinen Geschmack mit 10 bis 15 Stunden Spielzeit definitiv zu kurz und auch bei einigen serientypischen Spielmechaniken wie z.B. dem Schwertkampf („Beleidigungs-Fechten“) haben die Entwickler einiges an Potenzial verschenkt, denn das kommt leider nur in extrem abgespeckter Form vor.

Aber das alles sind nur Kleinigkeiten, die euch definitiv nicht davon abhalten sollten, einen Blick auf das Spiel zu werfen. Für Serienfans ist Return to Monkey Island ein absolutes Muss, aber ich könnte mir vorstellen, dass auch Genre-Neulinge eine Freude daran finden könnten. Alles in allem ist es ein sehr rundes, sympathisches Adventure, welches ich uneingeschränkt empfehlen kann! 🙂

Fun Fact: Ich weiß – das heute war alles andere als ein wirklich objektiver Review, aber das seid ihr ja mittlerweile von mir gewohnt! 😛 Rückwirkend betrachtet, hätte ich vermutlich noch viel mehr auf Spieldetails eingehen können (oder sollen?), aber dafür ist es jetzt zu spät. Spielt das Spiel! 😉

So, bitte entschuldigt mich jetzt – es gibt da noch ein Geheimnis zu finden… 😉

In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!

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