Das Super Nintendo Entertainment System – vielen von euch vermutlich eher unter den Begriffen Super Nintendo, Super NES oder SNES bekannt – war Nintendos Antwort auf SEGAs zwei Jahre zuvor erschienenes Mega Drive. Die aufmüpfige Konkurrenz aus Tokio versuchte mit einem stylischen Igel namens Sonic und provokanten Werbespots an der Marktmacht Nintendos zu rütteln und konnte für kurze Zeit auch (vor allem in Europa) ein paar Achtungserfolge erzielen. Letztendlich setzte sich das Super Nintendo aber dank besserer Softwareunterstützung sowie der Stärke der hauseigenen Franchises (Zelda, Mario, Donkey Kong, etc.) deutlich gegenüber dem Mega Drive durch.
Doch nicht nur die Hardware der Konsole selbst, sondern auch ein kleines Zubehörteil wird gerne für den Erfolg des SNES gegenüber dem Mega Drive verantwortlich gemacht. Während sich SEGA mit seinen Erweiterungen Mega-CD und 32X verzettelte, hatten die in Kyoto ansässigen Japaner mit dem roten N im Logo einen cleveren Schachzug in Petto: Um Nintendo-Jünger bei der Stange zu halten, kamen sie auf die geniale Idee, einfach einen Adapter zum Abspielen von Game Boy Modulen auf der Heimkonsole Super Nintendo anzubieten. Geboren war der „Super Game Boy“.
Dank diesem Adapter hatten Spieler auf einmal die Möglichkeit, ihre bereits für die tragbare Konsole erworbenen Spiele auf dem großen Bildschirm zu spielen – und das sogar in Farbe. Nicht nur war das wesentlich angenehmer für die Augen, auch hatte man so die Möglichkeit am exakt gleichen Spiel zu Hause oder unterwegs auf dem Game Boy weiter zu spielen. Aus heutiger Sicht ist das völlig normal (Stichwort Nintendo Switch), aber für die damalige Zeit war es ein Novum.
Bereits in vergangen Beiträgen haben wir uns schon – zugegeben recht skurriles – Zubehör für das Supernintendo angesehen. Ich erinnere mich da z.B. an die „Super Wild Card“ aus Artikel 29, oder das „Action Replay Pro“ aus Artikel 58. Zu guter Letzt war da noch der „Tristar“ aus Artikel 94. Eine Sache hatten all diese Zubehörteile für das SNES gemeinsam – es sind alles Produkte irgendwelcher Dritthersteller, ohne offizielle Lizenz von Nintendo. Beim Super Game Boy ist das anders. Der 1994 veröffentlichte Adapter wurde nämlich direkt von Nintendo selbst produziert und vertrieben.
Fun Fact: Der Super Game Boy Adapter kostete bei Erscheinung 99 DM, was inflationsbereinigt heute ca. 90€ entsprechen würde. Kein Schnäppchen, aber wenn man bedenkt, dass man dadurch hunderte von Game Boy Spielen auf dem großen Bildschirm spielen konnte, war so ein Ding schon eine lohnenswerte Investition für SNES-Besitzer.
Rein technisch betrachtet sind in so einem Super Game Boy Modul ein kompletter Game Boy (ohne Bildschirm und Link-Port) sowie ein paar zusätzliche Chips verbaut, welche das Videosignal an die Supernintendo-Konsole weiterleiten und dem Adapter ein paar neue Funktionen spendieren. Um die Spiele in Farbe auszugeben, werden z.B. die vier Graustufen der Game Boy Spielgrafiken in entsprechende Farbschattierungen umgerechnet. Das ist das gleiche Prinzip wie beim Game Boy Color, wenn man versucht damit alte Game Boy Spiele abzuspielen. Ebenso besteht die Möglichkeit, die über das SNES dargestellte Farbpalette nach Belieben anzupassen und so jedem Spiel ein ganz eigenes Aussehen zu verleihen.
Fun Fact: Speziell für den Super Game Boy programmierte Game Boy Spiele konnten sogar einen eigenen Grafikmodus ausnutzen, der bis zu 16 Farben gleichzeitig darstellt. Bei „normalen“ Game Boy Spielen (also welche, die nicht für die Super Game Boy Hardware optimiert wurden), sind es nur vier Farben gleichzeitig.
Genug der Theorie – es wird Zeit, den Super Game Boy in der Praxis zu sehen. Dafür habe ich meine SNES-Konsole heraus gekramt und angeschlossen. Das Super Game Boy Modul ist bereits eingelegt und ein Game Boy Spiel steckt auch schon im Schacht des Adapters:
Um nicht mühsam einzelne Bilder vom Fernseher abfotografieren zu müssen, habe ich das SNES über den USB Video Grabber, welchen ihr vermutlich schon aus zahlreichen anderen Beiträgen kennt, angeschlossen. Mit Hilfe der Software „DScaler“ lässt sich das Videosignal dann empfangen und wir können ganz bequem Screenshots auf dem PC erstellen.
Not so fun Fact: So langsam wird es immer schwieriger, den ollen USB Grabber noch an einen PC anzuschließen. Die Treiber für das Gerät sind aus Windows XP-Zeiten und ich musste ganz schön tricksen, um das Ding an einem Windows 11 Rechner zum Fliegen zu bekommen! 😀
Der Super Game Boy Adapter spielt Game Boy Spiele in ihrer nativen Auflösung von 160 × 144 Pixeln ab. Da diese aber innerhalb der Auflösung der Konsole selbst (239×256 bei PAL-Geräten) dargestellt werden müssen, wirkt das Bild im Vergleich zum originalen Game Boy auf Grund des unterschiedlichen Seitenverhältnisses etwas gestreckt.
Ebenso bleibt dadurch auf dem Bildschirm (um das eigentliche Spielgeschehen herum) noch etwas Platz, um einen Rahmen anzuzeigen. In den meisten Fällen – wie z.B. hier bei „Kirby’s Dream Land“ – ist das eine schlichte, der Optik des Game Boys nachempfundene, graue Umrandung.
Trotz dieser Veränderungen wirkt das Bild gefühlt tausendmal besser, als auf einem originalen Game Boy. Zum Vergleich habe ich das Spiel in einen Game Boy Pocket eingelegt und gestartet. Was für ein krasser Unterschied!
Fun Fact: Langjährige Leser des retrololo-Blogs könnten den Game Boy Pocket noch aus Artikel 189 kennen. Dort wurde das Gerät im Rahmen der Analyse der EverDrive-Flashkarte kurz erwähnt.
Ein weiterer, klarer Vorteil des Super Game Boys ist, dass nahezu alle Game Boy-Spiele individuell dargestellt werden können. Über die Tastenkombination „L + R“ gelangt man in ein Menü, in welchem sich die vier Farben zur Anzeige des Spiels aus einer Auswahl von 32 verschiedenen Farbpaletten je nach Geschmack auswählen lassen. Hier nur ein paar Beispiele:
Wer ganz mutig ist, kann sogar eine eigene Farbpalette definieren, welche in Form eines etwas kryptischen Passworts bei Bedarf (z.B. nach Neustart der Konsole) wieder hergezaubert werden kann.
Fun Fact: Über diesen Weg lassen sich insgesamt 53.654.497.280 unterschiedliche Paletten erstellen. Ist das nicht abgefahren?! 😀 Es gibt sogar eigene Programme im Internet, mit denen sich aus RGB-Werten Farbpaletten für den Super Game Boy erstellen lassen.
„But wait, there’s more“ – wie ein amerikanischer Verkäufer beim Versuch, euch Artikel über den Werbekanal anzudrehen, vermutlich sagen würde. Auch auf den rund um das Spiel herum angezeigten Rahmen können wir Einfluss nehmen. So bietet der Super Game Boy beispielsweise ein paar vordefinierte Umrandungen zur Auswahl:
Fun Fact: Was die gestalterischen Möglichkeiten angeht, erinnert mich der Super Game Boy Adapter vom Funktionsumfang her etwas an die Game Boy Camera (siehe Artikel 208 bis 211), findet ihr nicht?
Ebenfalls lassen sich eigene Rahmen designen. Bitte nicht lachen – ich weiß, dass mir das Thema „Grafik“, bzw. „Design“ nicht wirklich liegt. Die Optik des Rahmens ist auch gar nicht so wichtig, es geht ja eher darum, euch die Möglichkeiten des Super Game Boys zu zeigen! 😉
Fun Fact: Dieser spezielle „Design-dir-einen-Rahmen-Modus“ würde sogar die „Super NES Mouse“, welche dem Mal- und Musikprogramm „Mario Paint“ beilag, unterstützen!
Einige – nach Veröffentlichung des Super Game Boys – produzierte Game Boy Spiele gingen sogar noch einen Schritt weiter und nutzten die erweiterte Hardware des Adapters. So gibt es z.B. Games, welche Spiel-spezifische Rahmen (und eventuell wechselnde Einfärbungen der Spielgrafik) anboten, welche nur sichtbar wurden, wenn man das Spiel mit Hilfe des Super Game Boy Adapters auf einem SNES spielte. Ein populäres Beispiel sind die Pokémon-Spiele (hier z.B. Pokémon Blau):
Andere Games nutzten die 60 zusätzlichen, in den Adapter eingebauten Soundeffekte, um die Audioqualität zu verbessern und z.B. Sprachsamples auszugeben. Auch gab es Titel, welche mit Hilfe des Super Game Boys einen 2-Spieler-Modus hinzufügten. Welche Tricks der Adapter einem Spiel entlocken kann, ist dabei höchst unterschiedlich und hängt vom jeweiligen Spiel ab.
Ok – der Super Game Boy ist ein tolles Teil. Aber hat es wirklich diesen Beitrag gebraucht, um uns das zu verklickern? Genug der Lobeshymnen, denn wo Licht ist, da ist auch Schatten. Ein Nachteil des Super Game Boys ist es, dass er lediglich Game Boy Spiele (graue Module) abspielen kann. Mit Game Boy Color (transparente Module) oder gar Game Boy Advance-Modulen kann der Adapter nichts anfangen. Zumindest kommt der Super Game Boy auch mit den sog. „Dual-Mode“-Modulen klar. Diese, meist in schwarz gekleideten Cartridges, stammen aus der Zeit zwischen Game Boy und Game Boy Color. Sie lassen sich auf beiden Systemen abspielen, werden aber auf dem Game Boy Color mit mehr Farben dargestellt (allerdings auch nicht so viele, wie bei transparenten, reinen Game Boy Color Spielen). Auf dem Super Game Boy hängt es wieder vom jeweiligen Spiel ab, welche Möglichkeiten (4 oder mehr Farben, erweiterte Modi, etc.) für solche Spiele zur Verfügung stehen.
Doch das ist nicht der einzige Nachteil des Super Game Boys. Ein weiteres Problem des Adapters ist, dass der CPU-Takt für die integrierte Game Boy CPU aus der Taktung der SNES-Hardware (21,477MHz bei NTSC-Modellen, 21,281MHz bei PAL-Geräten) berechnet (konkret durch fünf geteilt) wird. Dadurch ergibt sich eine Taktrate von 4,295 MHz bei NTSC und 4,256 MHz bei PAL-Konsolen anstelle der 4,194 MHz Taktung, mit welcher eine echte Game Boy Konsole operiert. Puh, klingt das alles langweilig. Ist das denn wirklich so wichtig?
Leider ja, denn das heißt konkret, dass Game Boy Spiele mit dem Adapter schneller als auf einem originalen Game Boy abgespielt werden. Bei NTSC-Versionen des Adapters sind es ca. 2,4%, bei PAL-Modulen immerhin 1,5%. Das hört sich erst mal nicht nach viel an, aber dadurch entstehen Ruckler bei der Grafikausgabe (besonders gut bei seitlich scrollenden Spielen sichtbar) und ebenso wird durch die erhöhte Laufgeschwindigkeit auch der Sound in einer etwas höheren Tonlage abgespielt.
Nintendo hat dieses Problem erkannt und 1998 mit dem „Super Game Boy 2“ ein Nachfolgemodell des Adapters herausgebracht. Dieses arbeitet mit der exakten Taktfrequenz wie eine Game Boy CPU (also 4,194 MHz). Entsprechend laufen die Spiele damit zu 100% analog einem originalen Game Boy. Ebenso haben die Japaner dem SGB2 einen Link Port spendiert. Dadurch können 2-Spieler-Spiele gespielt und so z.B. auch Pokémon über den Super Game Boy getauscht werden.
Na, das hört sich doch gut an. Dann müssten wir uns ja lediglich so einen „Super Game Boy 2“ anschaffen und all unsere Probleme mit dem initial veröffentlichten Modell wären behoben, oder? Tja, wenn die Welt doch nur so einfach wäre. Leider hat Nintendo den SGB2 nur exklusiv in Japan veröffentlicht. Das heißt im Umkehrschluss, dass alle, die nicht in Japan leben und Zugriff auf ein „Super Famicom“ (die fernöstliche Variante des Super Nintendos) haben, keine Möglichkeit haben, einen korrekt funktionierenden Super Game Boy Adapter zu erhalten.
Fun Fact: Mit etwas Trickserei (Einbau in ein anderes Modulgehäuse), würde man den Adapter wohl auch auf einer amerikanischen NTSC-Konsole zum Laufen bekommen. Aber auch das hilft uns nichts, weil wir ja in Europa leben und nur PAL-Geräte (samt anderer Auflösung, Farbcodierung und Bildwiederholfrequenz) zur Verfügung haben. Klar könnte man sich jetzt eine amerikanische oder japanische Konsole kaufen und mit einem speziellen, für 230 Volt angepassten Netzteil betreiben. Das wäre aber Quatsch, denn darauf würden sich ja dann wieder keine europäischen PAL-Spiele abspielen lassen. Was für ein Schlamassel! 😀
So ein Mist… So kann bzw. will ich das eigentlich nicht stehen lassen. Es muss doch irgendeine Lösung geben? Tja, noch ist nicht Hopfen und Malz verloren, denn wie so oft gibt es selbst für dieses recht nischige Problem Abhilfe. Wie die aussieht, wird allerdings nicht verraten, denn dafür ist heute leider keine Zeit mehr. Hihi, es geht doch nichts über einen guten Cliffhanger, findet ihr nicht? 😛
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!