#23 – Sagem Software – Challenge Accepted!

Im letzten Artikel habe ich euch ja mein Sagem X-6 schon etwas vorgestellt. Heute möchte ich den kleinen Rückblick mit einer gehörigen Portion Nostalgie-Faktor abschließen. Damit es aber nicht nur (bzw. nicht wieder) ein langweiliges Runterrattern von Zahlen, Daten und Fakten wird, habe ich mir selbst eine kleine Challenge auferlegt: Ziel des heutigen Beitrags soll sein, ein Bild vom Handy auf den PC zu übertragen und ggf. ein MIDI-File oder einen polyphonen Klingelton auf das Handy zu bringen. Ob das unter Windows 10 noch etwas wird? #ChallengeAccepted! 😉

Fun Fact: Jeder der ein Smartphone besitzt (also so ziemlich jeder), kann jetzt wohl nur müde lächeln. Wer nutzt denn heutzutage noch PCs um Daten auf ein mobiles Endgerät zu übertragen? Bilder liegen doch schon lange in der Cloud und Klingeltöne lädt man sich auch nicht mehr herunter. Musik gibt’s über Streamingdienste und Daten werden über Chatmessenger oder Bluetooth getauscht. Der technologische Fortschritt hat all das überflüssig gemacht, schon klar… Aber dreht die Uhr doch mal um 15 Jahre zurück. Das 21. Jahrhundert hat gerade erst angefangen. MP3 war auf „mobilen Telefonen“ größtenteils noch ein Fremdwort und die überteuerten Abofallen und damit verbundenen WAP-Downloads waren nichts für den schmalen Geldbeutel. Da musste man noch selbst ran, wenn man coole Tunes auf seinem Mobiltelefon haben wollte… 😉

In einem guten Haushalt geht ja bekanntlich nichts verloren, so habe ich noch die entsprechenden Anleitungen, Ledertasche, Ladekabel und sogar ein USB-Datenkabel mit Software auf CD!

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Eigentlich sollte das USB-Datenkabel mit der originalen Sagem-Software „My Pictures and Sounds“ verwendet werden, allerdings lief diese – gerade in den frühen Versionen – nicht besonders stabil, weshalb Sagem bei den späteren Modellen eine neue Software namens „Wellphone“ beilegte. Doch genug Theorie – erst mal das Handy an den PC anschließen. Zumindest wird das Kabel von Windows erkannt:

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Die Anzeige von „COM3“ im Gerätemanager lässt meine positive Stimmung dagegen in den Keller fallen:

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Egal, vielleicht ist das ja nur das Label und der Treiber funktioniert trotzdem? Es gibt nur einen Weg das herauszufinden! 🙂 Also fix erst mal die mitgelieferte Software Wellphone installieren.

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Der Installationsdialog würde wohl heutzutage in jeglicher Hinsicht durchfallen. Auswählen in welches Verzeichnis die Software installiert wird? Fehlanzeige. Stattdessen wird im Hintergrund Musik abgespielt und man bekommt ein paar merkwürdige Auswahlmöglichkeiten.

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Der „Zusammenfassungs-Dialog“ ist auch nicht sehr hilfreich:

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Fun Fact: Die Software wirkt fast genauso wie das Handy selbst. Dessen Menüführung und Farbgestaltung sind auch gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig und erinnern etwas an einen Mix aus Windows XP und Vista – bunt und unübersichtlich. Man könnte meinen die beiden stammen vom selben Hersteller… 😉       

Natürlich wird auch ein Lizenzschlüssel verlangt. An sich kein Problem, denn der steht auf der Rückseite der CD-Hülle, von welcher ich ja das Original besitze:

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Blöd nur, dass dieser nicht erkannt wird und ich habe auf die Schnelle auch keine „Alternativen“ im Internet gefunden. Ich würde mal vermuten, dass ggf. die Server zur Lizenzprüfung mittlerweile offline sind – Mist!

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Ich bin mir sicher, dass sich die Software irgendwie (und sei es durch Manipulation der Install.exe) überlisten lassen würde, aber so viel Zeit mich da jetzt tiefer reinzudenken kann und will ich nicht investieren. Bleibt also nur noch der Weg über die eigentlich unzuverlässigere Software „My Pictures and Sounds“.

Fun Fact: Gut dass ich mir das Installationsprogramm 2006 noch gesichert habe, denn im Internet gibt so nur noch wenige inoffizielle Ressourcen, da der Hersteller 2005 fusionierte und sich auf die Herstellung von Verteidigungs- und Sicherheitstechnik spezialisierte. Erst Handys und jetzt Nachtsichtgeräte, Navigationssysteme für U-Boote & Flugzeuge – krasse Firma! 🙂

Immerhin klappt die Installation von „My Pictures and Sounds“ reibungslos. Mit 539 kB ist diese nicht gerade üppig, wenn man bedenkt, dass heutzutage Drucker- oder Grafikkartentreiber schon oft aus mehreren hundert MB bestehen. Auch ein erster Startversuch ist erfolgreich:

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Leider kommt bei der Erkennung des Handys ein Fehler. Ich vermute, dass es am inkompatiblen Windows-Standardtreiber für serielle Schnittstellen liegt.

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Doch nicht verzagen – der im Datenkabel verbaute Chip zur Umsetzung von seriellen Signale auf USB wurde wohl auch in einigen anderen Geräten verwendet. So finden sich im Netz diverse Kollegen mit dem gleichen Problem (aber vermutlich mit anderen technischen Szenarien ;)). Angeblich soll man einfach eine alte Version des Treibers installieren. Gut, dass noch einige Downloadquellen existieren. Nach der Installation kann der alte Treiber im Gerätemanager ausgewählt werden:

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Schon sieht auch der Eintrag im Gerätemanager etwas freundlicher aus:

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Jetzt können wir nochmal die Software starten und versuchen, eine Verbindung zum Handy aufzubauen:

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Na das sieht doch schon sehr gut aus! Ob ich jetzt wohl schon Daten empfangen kann? Beginnen wir mit den Fotos:

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Letztes Mal haben wir ja bereits einen „Schnappschuss“ von einem SNES-Controller erstellt. Dieser lässt sich auf den PC übertragen…

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…und sieht gar nicht mal so schlecht aus:

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Grundsätzlich muss bei der Aufnahme eines Bildes immer ausgewählt werden, ob das Foto im Handy-Modus (128 x 160) oder PC-Modus („Hohe Auflösung“, 480 x 640) gespeichert werden soll. Aus heutiger Sicht ist die Qualität natürlich nicht gerade ein Knüller, aber für eines der ersten Farb-Fotohandys war das damals ein absolutes Novum! 🙂

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Warum nach der Aufnahme das Bild allerdings noch für ca. 12 Sekunden „analysiert“ werden muss, ist mir auch ein Rätsel – sind wir im Fotolabor? 😉

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Lustig sind auch die überschaubaren Bearbeitungsoptionen, die das Handy bietet – Instagram kann einpacken 😉

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Selbst im „PC Modus“ (480 x 640) hat das Bild gerade mal um die 30 kB – Wahnsinn! Viel mehr Speicherplatz dürften die Fotos aber auch nicht benötigen, denn für Telefonbuch, Fotos und Klingeltöne steht insgesamt nur ein Speicher von 2,3 MB zur Verfügung – süß. 😀

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So können z.B. nur maximal 115 SMS gespeichert werden, davon 15 auf der Sim-Karte!

Fun Fact: Das Sagem denkt meist „verkehrt herum“, im gezeigten Bild können z.B. nur noch drei SMS gespeichert werden – strange 😉

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Kommen wir nun zur zweiten Aufgabe: Einen Klingelton auf das Handy bringen. Ich befürchte, das könnte schwieriger werden… Beim Versuch eine MP3 zu übertragen bekommt man einen Fehler und auf dem Handy Display steht „Abgewiesen“:

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Eigentlich logisch, denn neben einem proprietären Wave-Format, Midi-Files sowie AMR-Dateien unterstützt das Sagem keine weiteren Dateitypen. Kein Problem, denn die MP3s können ja glücklicherweise konvertiert werden. Ich habe hierfür einen Online-Converter verwendet, aber vermutlich würde man das auch mit diverser Audiosoftware gebacken bekommen.

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Siehe da. Kaum macht man es richtig, klappt’s auch mit den Nachbarn! 😀

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Ist die Datei zum Handy übertragen, kann man einsehen, wie viel Speicherplatz sie belegt.

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Anschließend könnte man den Dateinamen noch anpassen:

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Schade, dass ihr das jetzt nicht hören könnt…

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Fun Fact: Leider sieht es so aus als würde der Treiber bei jedem Neustart wieder durch den neueren – von Windows präferierten – ersetzt werden. Windows muss man nicht verstehen… 😀 An sich ist das aber kein Problem, weil man den Treiber einfach wieder über den Gerätemanager abändern kann und nicht zuletzt, weil man vermutlich eher selten Klingeltöne auf sein über 15 Jahre altes Handy lädt. 😉

Egal, Challenge completed! Was bleibt nun abschließend noch zu sagen…?

Ich denke ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass Sagem my X-6 wäre ein technologischer Meilenstein vergleichbar mit dem Nokia 3310 oder den ersten iPhones. Zugegeben – für mich spielt wohl auch eine gehörige Portion Nostalgie eine Rolle. Aber wer kann es mir verübeln? Wer erinnert sich nicht an die zahlreichen SMS, die er mit seinem ersten Handy via T9 (oder noch besser „blind“ im ABC-Modus) schreiben konnte? Wer erinnert sich nicht an die großartigen Zeiten von polyphonen Klingeltönen welche maßlos überteuert aus nahezu unkündbaren Jamba Sparabos bezogen werden konnten? Es war eine gute Zeit ohne Sorgen und mit vielen skurrilen Eindrücken wie Schnuffel, der „i like to muuh it muuuh it“ Kuh und last but not least dem Crazy Frog…

Fun Fact: Jamba existiert auch heute noch! Wer sich einen Spaß machen möchte, geht mal auf deren Webseite – ein Nostalgietrip in die frühen 2000er ist garantiert – Schnuffel wird sogar noch zum Download angeboten! 😀

 In diesem Sinne: Auf die nächsten 15 Jahre kleines Sagem!!! 🙂

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