So langsam füllt sich unser Switch-Blumenstrauß, aber ganz komplett ist er noch nicht. Mir fehlen da noch ein paar Farbakzente…
Als erstes sollten wir dem Strauß eine kleine Point-and-Click-Adventure-Blüte namens „Willy Morgan and the Curse of Bone Town“ hinzufügen.
Fun Fact: Ich weiß – wir haben uns erst beim letzten Mal (in Artikel 249) mit Return to Monkey Island ein Point-and-Click-Adventure angesehen. Ich schwöre es euch – es war keine Absicht, dass sich der heutige Beitrag wieder (zumindest teilweise) um ein Adventure dreht, aber im Endeffekt hat es sich jetzt so einfach so ergeben. Sorry, aber da müsst ihr jetzt durch! 😉
Das Spiel erschien bereits 2020 für den PC, wurde aber erst ein Jahr später für die Nintendo Switch portiert. Laut Beschreibung handelt es sich um ein „traditionelles Point-and-Click-Adventure mit einer einzigartigen 3D-Grafik“. Geboten werden uns außerdem eine „verträumte Atmosphäre, viel Humor und die Freiheit, die Umgebung zu erforschen, wie sie für zeitlose Klassiker typisch ist.“. Klingt spannend – ich bin dabei! 😉
Fun Fact: Um ehrlich zu sein war ich beim Punkt „Point-and-Click-Adventure“ schon überzeugt! 😀 Heutzutage gibt es einfach viel zu wenige Spiele solcher Art und wenn dann sind es meist nur Produktionen von kleinen Indie-Studios. Schade eigentlich! 🙁
Ihr schlüpft in die Rolle des nerdigen Teenagers Willy Morgan, welcher die Geschichte rund um seinen vor zehn Jahren verschwundenen Vater aufklären muss. Die Hintergrundgeschichte bekommen wir vom rothaarigen Sommersprossen-Streber selbst im Schnelldurchlauf erklärt: Vater bei archäologischen Nachforschungen nach einem Piratenschatz verschwunden, Mutter derzeit selbst auf Expedition, Kevin, ähm ich meine natürlich Willy, allein zuhaus. Plötzlich flattert ein mysteriöser Brief unseres Vaters herein, welcher uns in die heruntergekommene Piratenstadt Bone Town lockt…
Zu Beginn des Spiels werden wir in die grundlegenden Spielmechaniken eingeführt. Für geübte Adventure-Spieler ist das kalter Kaffee. Mit Gegenständen interagieren, Hotspots anzeigen lassen, Item-Menü aufrufen. Um ehrlich zu sein wirkt das Tutorial für mich etwas „aufgesetzt“. Zum einen hat es nicht viel mit dem Rest des Spiels zu tun und andererseits wird auch nicht wirklich erklärt, warum zur Hölle jedes Teil von Willys Fahrrad (welches wir natürlich wieder zusammensetzen müssen, um nach Bone Town zu radeln) im ganzen Haus verstreut und sogar zweckentfremdet (z.B. Fahrradreifen als Traumfänger, Zahnräder im Sparschwein, Pedale im Schlafzimmerschrank) wurde?!
Aber egal – die fehlenden Teile sind recht schnell im Haus zusammengesucht und die Geschichte kann beginnen. Erst mal in Bone Town angekommen entwickelt sich das Spiel aber in ein waschechtes Piratenabenteuer samt einer düsteren Umgebung, schrulligen Charakteren und dem aus alten LucasArts-Adventures bekannten und lieb gewonnenen Humor. Ganz an das Witz-Niveau der legendären Adventure-Vorlagen kommt das Spiel leider nicht heran, aber ich konnte mir dennoch an vielen Stellen ein Schmunzeln über Willys freche Aussagen und Anspielungen nicht verkneifen.
Apropos Anspielungen – das Spiel ist vollgepackt davon! Es wird kaum eine Gelegenheit ausgelassen, mit meist witzigen Anmerkungen auf die zahlreichen Adventure-Perlen längst vergangener Tage (zur Hochzeit des Adventure-Genres) anzuspielen. Nicht nur der Untertitel („The Curse of Bone Town“), sondern auch ein paar der im Spiel vertretenen Schauplätze wie z.B. das Hotel, der Friedhof oder der Leuchtturm erinnern mich stark an „The Curse of Monkey Island“, eines meiner absoluten Lieblingsspiele. Für Nostalgiker ist das schön, aber die Gefahr ist bei so etwas immer, die eigene Identität zu verlieren. Das ist bei Willy Morgen teilweise leider auch der Fall.
Fun Fact: Preisfrage: Auf welches Spiel spielt Willy beim Betrachten der Standuhr an? 😉
Was ich persönlich schön finde ist, dass das Spiel vollständig auf (in zahlreichen Genrevertretern leider häufig eingebaute) Mini-Spiele verzichtet. So müssen wir weder schlecht funktionierende Geschicklichkeitseinlagen absolvieren oder nervige Schieberätsel lösen und können uns stattdessen voll und ganz auf die Dialoge mit allen Charakteren, das Sammeln von Gegenständen und dem damit verbundenen Lösen von Rätseln konzentrieren. Ganz klassische Adventure-Kost eben! 🙂
Apropos Rätsel – diese sind alle logisch und abwechslungsreich, Frust kommt eigentlich nie auf. Häufig wird man, sei es nun durch Anmerkungen von Willy selbst oder durch die Hinweise von Schildern oder Charakteren, ganz ohne groß zu suchen, in die richtige Richtung geführt. Das ist einerseits schön für den Spielfluss, andererseits ist das Spiel dadurch auch nicht wirklich fordernd und so ergibt sich die extrem knappe Spielzeit von nur gut fünf Stunden – meiner Meinung nach ein ganz klares Manko des Spiels.
Dennoch – für ein kurzweiliges, nicht zu kompliziertes Adventure macht Willy Morgan einiges richtig. Die Grafiken und Hintergründe sind liebevoll designet und auch die Akustik sowie die englisch gehaltene Sprachausgabe wirken stimmig. Klar – das Spiel ist eine sehr kleine Produktion eines vierköpfigen italienischen Entwicklerstudios und dementsprechend sind definitiv keine Orchester-Ohrwürmer à la John Williams zu erwarten, aber dennoch gibt es das ein oder andere Stück, das mir im Gedächtnis geblieben ist.
Zwischen den einzelnen Abschnitten kommt man in den Genuss einiger weniger Zwischensequenzen. Während diese, sowie die Charaktermodelle, in 3D animiert wurden…
…ist die restliche Umgebung in klassischer, handgezeichneter 2D-Grafik gehalten. Der einzigartige Grafikstil wirkt frisch und hat definitiv einen modernen Touch. Alle Schauplätze sind aufwändig animiert und laden zum Erkunden ein. Praktischerweise lassen sich sämtliche Orte über eine integrierte Übersichtskarte (in Form einer Postkarte der Stadt Bone Town) erreichen.
Ich denke viel mehr möchte ich über den guten Willy auch gar nicht verraten. Für ein kurzes Abenteuer für zwischendurch ist Willy Morgan and the Curse of Bone Town genau das richtige. Fans des „Piratensettings“ finden in Bone Town einen willkommenen Zufluchtsort in einer Welt, in der Point-and-Click-Adventures noch einen ganz anderen Stellenwert hatten! 😉
Hm, welche Blüte könnten wir unserem Switch-Blumenstrauß noch hinzufügen? Um ehrlich zu sein, ist die Anzahl an Indie-Spielen für die Switch so groß, dass es mir persönlich manchmal schwer fällt zu entscheiden, was man denn eigentlich spielen möchte. Ebenso wird die Zeit mit zunehmendem Alter (samt den Verpflichtungen, die das Leben so mit sich bringt) nicht mehr und so muss ich mir schon genau überlegen, welches Spiel ich anfasse. Ein Spiel, auf welches ich mich trotzdem einfach mal komplett blind (ohne vorher groß zu recherchieren) eingelassen habe, ist „Famicom Detective Club: The Missing Heir & Famicom Detective Club: The Girl Who Stands Behind“:
Hinter dem sperrigen Titel (was für ein Zungenbrecher) verstecken sich genau genommen zwei Spiele aus der „Famicom Detective Club“-Reihe, welche 1988 (The Missing Heir) und 1989 (The Girl Who Stands Behind) exklusiv in Japan für das „Famicom Disk System“ – ein nur in Japan erschienenes Zubehör, bzw. Laufwerk für das „Famicom“ (also das japanische Gegenstück zum Nintendo Entertainment System) zum Abspielen von Disketten – veröffentlicht wurden.
Fun Fact: Im Vergleich zu den üblichen „ROM-Cartridges“ von NES- bzw. Famicom-Modulen aus der Zeit erschienen die Spiele auf 3“-Disketten, welche jeweils Platz für 112kB Speicher boten!
Japan, Japan, immer nur Japan. Das hilft mir leider nicht, denn zum einen kann ich kein japanisch und andererseits besitze ich auch keine Famicom-Konsole (samt Disk-System-Adapter). Das macht aber überhaupt nichts, denn im Jahr 2021 wurden die beiden Spiele für die Switch neu aufgelegt, als Doppelpack (mit einigen Goodies wie z.B. Soundtrack-CDs und einem Artbook) zusammengepackt und endlich in englischer Sprache für das westliche Publikum lokalisiert. Nice! 🙂
In beiden Spielen schlüpfen wir in die Rolle eines namenlosen Jungdetektivs, dessen Aufgabe es ist, ein paar mysteriöse Todesfälle aufzuklären. Damit das gelingt, müssen wir ganz klassischer Detektiv-Arbeit nachgehen. Dazu gehören so Dinge wie das Besuchen von verschiedenen (Tat-)Orten, das Befragen von (meist verdächtig wirkenden) Personen, sowie das Sammeln von Hinweisen. Die zusammengetragenen Informationen müssen dann messerscharf kombiniert werden, um den jeweiligen Mörder zu finden und letztendlich die geheimnisvollen Mordfälle aufzuklären zu können.
Fun Fact: Was sich vom Spielstil her irgendwie nach „Ace Attorney“ (siehe Artikel 167) anhört, spielt sich tatsächlich auch recht ähnlich wie die Story rund um das Anwaltsass Phoenix Wright, wenn auch Famicom Detective Club mehr Fokus auf die Detektivarbeit legt. Eines haben jedoch beide Titel gemeinsam – es sind beides typische, japanische Mystery-Visual-Novels! 😉
Wie es sich für eine gute Geschichte gehört, ist unser Protagonist viel tiefer in die Handlung verstrickt, als es zu Beginn scheint. So kommt es, dass der junge Ermittler ganz nebenbei auch seine eigene Vergangenheit als Waisenkind aufarbeitet. Während sich das erste Spiel eher um die Themen Familienstreitigkeiten, Intrigen und dunkle Geheimnisse dreht, beschäftigt sich der zweite Teil (storytechnisch eigentlich ein Prequel) eher mit übernatürlichen Erscheinungen und einem Mord an einer Schule. Puh – und dabei ist doch eine Schule auch schon ohne Mord ein recht gruseliger Ort! 😛
Was die Aufmachung der Spiele angeht, haben die Entwickler viel Liebe in die Modernisierung beider Titel gesteckt. So wurde z.B. die Grafik (also so Dinge wie Hintergründe, Charakterdesigns und Animationen) gehörig überarbeitet und an moderne Standards (HD-Auflösung) angepasst. Kein Vergleich zum Original (links im Bild), findet ihr nicht? 😉
Fun Fact: Der Grafikstil erinnert mich von der Machart her etwas an die Animeserien aus den Neunzigern, welche in Dauerschleife im Nachmittagsprogramm von RTL II liefen. „Detektiv Conan“ wäre da ein gutes Beispiel, welches sogar thematisch prima zum Detektiv-Setting passt! 😉
Auch an der akustischen Untermalung wurde fleißig gefeilt. Zwar war der originale 8-Bit-Soundtrack schon recht stimmig, aber durch den modern (instrumental) arrangierten Soundtrack kommen die einzelnen Stücke nochmal deutlich besser zur Geltung und erzeugen zur jeweiligen Spielszene die passende Atmosphäre. Mein persönliches Highlight ist das „Investigation-Theme“ – das gefällt mir sogar in der 8-Bit-Version etwas besser! 😉
Fun Fact: Besonders schön finde ich, dass sich der Sound jederzeit zwischen der modernisierten Fassung sowie dem klassischen 8-Bit-Gepiepse umschalten lässt. Ein echt cooles Feature! 🙂
Um noch etwas mehr Atmosphäre zu erzeugen, wurde den einzelnen Charakteren eine japanische Sprachausgabe verpasst. Gut, dass es die englischen Untertitel gibt, ansonsten wäre man hier echt aufgeschmissen! xD Ebenso gibt es in der Neuauflage kurze Zwischensequenzen, welche das – überwiegend monotone – Gameplay etwas auflockern.
„Gameplay“ ist auch gleich das richtige Stichwort – das ist für mich persönlich der einzige wirkliche Kritikpunkt an den beiden Krimi-Spielen. Ich weiß – bei dieser Art von Games ist die Spielmechanik eher zweitrangig, aber sogar ich muss zugeben, dass aus heutiger Sicht die teils doch sehr sperrige Menüsteuerung schon irgendwie altbacken wirkt und ich denke, es hätte definitiv nicht geschadet, dem Spieler (zumindest alternativ) eine neue Steuerungsoption (z.B. via Hotspots) an die Hand zu geben. Stattdessen müssen wir uns teils mehrmals durch die gleichen Dialogoptionen klicken, um in der Story, bzw. einem Gespräch voranzuschreiten. Anhand solcher kleinen „Schwächen“ merkt man halt dann doch, dass die Spiele im Kern schon 35 Jahre alt sind! 😀
Dennoch kann ich die beiden „Famicom Detective Club“-Spiele jedem Visual Novel Fan uneingeschränkt empfehlen. Gerade im zweiten Teil wurden einige Gameplay-Schwächen ausgemerzt und was die Präsentation angeht, kann der Doppelpack auf der Switch allemal punkten. Die spannende Story (mit zahlreichen Wendungen) sowie eine packende Atmosphäre (nicht zuletzt dank überarbeiteter Grafik und instrumentalem Soundtrack) überzeugen und sind nicht nur für Hobby-Detektive ein kurzweiliges Rätselerlebnis für Zwischendurch! 🙂
In diesem Sinne – bis die Tage, ciao!