Mann, eigentlich wollte ich euch beim letzten Mal etwas mehr über die Final Cartridge erzählen, aber leider ist die ganze Zeit mit den Tests der Ladezeiten draufgegangen – schlimm! 😀
Egal. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Dann werfen wir eben heute einen kurzen Blick auf die Funktionen des Moduls. Mal überlegen, was wissen wir bereits? Ach ja, beim letzten Mal haben wir ja schon etwas auf dem Desktop herumgeklickt und die Schnelllader-Funktion verwendet! Zur Erinnerung – direkt nach dem Einschalten des C64 erscheint mit angestecktem Final Cartridge Modul der Desktop:
Dort lassen sich einige Informationen wie z.B. die Versionsstände vorhandener Softwarekomponenten einsehen. Ebenso kann man von hier aus über das Menü zurück in das normale C64-BASIC-Frontend springen:
Im Reiter „Project“ findet sich das Notepad, ein einfacher Texteditor wie wir ihn auch von Windows kennen. Damit lassen sich simple Textaufzeichnungen erstellen, auf Diskette speichern und wieder laden. Schon verrückt – es gab Zeiten, in denen war die Verfügbarkeit eines Texteditors tatsächlich etwas Besonderes! 😀
Fun Fact: Die Befehle „DLINK“ und „TLINK“ machen laut Handbuch in der aktuellen Version der Final Cartridge nichts und sind reserviert für eine zukünftige Erweiterung des Disketten- oder Kassettenbetriebs – was auch immer das heißen mag?! 😀
Ich habe mir den Spaß gemacht und die „NOTE.PRG“-Datei via XUM1541 auf einen Windows-PC zu schieben, umzubenennen und mit einem Texteditor zu öffnen. Das Ergebnis ist verblüffend – es sieht so aus als wäre die Groß- und Kleinschreibung vertauscht, aber die Sonderzeichen (zumindest das Ausrufezeichen) bleiben einwandfrei erhalten. Ebenso finden sich zu Beginn der Datei einige kryptische Steuerzeichen.
Der C64 besitzt zwei Zeichensätze, einen mit Großschrift plus Grafikzeichen (Zeichensatz 1, Standard) und einen mit Groß- und Kleinschrift (Zeichensatz 2). Für mich sieht es so aus als würde das Notepad Zeichensatz 2 (PETSCII „text mode“ shifted) verwenden. Im normalen Betrieb (BASIC-Prompt) wird Zeichensatz 1 (CBM-ASCII) ohne Kleinbuchstaben verwendet. Ein Blick in die Binärdaten (mit einem Hexeditor) bestätigt die Theorie:
Fun Fact: Es gibt sogar eine Webseite, auf der man sich die Zeichen samt Konvertierungen in ASCII und Unicode anzeigen lassen kann – irre! 😀
Ob der Weg anderes herum auch funktioniert? Ich habe testweise eine „pc.txt“ erstellt, diese umbenannt (pc.prg) und auf eine Diskette überspielt. Am C64 hat sich die Datei mit dem Notepad tatsächlich öffnen lassen! Das Ergebnis ist erwartungskonform – die Buchstaben wurden verdreht und einige Sonderzeichen werden falsch umgesetzt. Immerhin, besser als nichts! 😉
Bevor wir noch weiter in die Theorie abdriften, sollten wir lieber schnell nachsehen, was die Final Cartridge noch so draufhat. Über den Reiter „Utilities“ lassen sich diverse grafische und technische Einstellungen wie z.B. Schrift-, Rahmen- und Cursorfarben sowie Gerätetreiber für Joystick und Maus setzen. Auch findet sich hier eine kleine Taschenrechner-Anwendung! 🙂
Fun Fact: Richtig gelesen – es gab sogar eine Maus für den C64. Allerdings war diese mit nicht besonders viel Software kompatibel und kam überwiegend bei Malprogrammen oder dem alternativen Betriebssystem GEOS zum Einsatz.
Etwas unsinnig ist meiner Meinung nach der Menüpunkt „Clock“. Damit lässt sich oben rechts am Bildschirmrand eine Digitaluhr einblenden und einstellen. Die Zeit wird dabei nicht von einer Batterie im Computer gehalten, d.h. man muss sie jedes Mal neu einstellen, wenn man den PC wieder startet! 😀
Das interessanteste Menü ist definitiv der „Tools“-Reiter. Darin befinden sich zahlreiche praktische Anwendungsprogramme, mit denen sich Routinearbeiten wesentlich komfortabler erledigen lassen.
Von Diagnoseutilities wie dem bereits bekannten Cassette Azimuth für die Datassettenjustierung, 1541 ALPS Drive Checker für Diskettenlaufwerke oder Programmen zur allgemeinen Überprüfung von C64-Hardware (64 Doctor) ist mit Turbo 250 auch ein Schnelllader für die Datassette an Bord.
Ebenso finden sich einige praktische Tools zum Kopieren von Dateien zwischen Kassetten und Disketten (z.B. Copy 190 oder Copy-Q 2.0). Zur Erstellung von Grafiken (Logos und Sprites, also Grafikelementen) gibt es die Anwendungen Logo Editor und Super Spriter.
Mit Hilfe geeigneter PC-Software (Final Cartridge III+ Editor) und einem EEPROM-Brenner könnte man sich sogar ein eigenes ROM mit weiteren Programmen zusammenstellen, brennen und mit der Final Cartridge verwenden! Seht es mir bitte nach, dass ich das nicht tun werde. Nicht nur fehlt mir ein EEPROM-Brenner, sondern auch Zeit und Lust für weitere Experimente! 😀
Neben dem eigenen grafischen Interface in Form des Desktops bietet die Final Cartridge auch zahlreiche Verbesserungen für den normalen BASIC-Prompt des C64 (sog. BASIC-Erweiterungen). Um vom Desktop zum BASIC-Prompt zu kommen, wählt man einfach über das „System“-Menü den Punkt BASIC aus.
Tatsächlich geht es aber noch einfacher: Wenn man nicht möchte, dass die Final Cartridge im Desktop-Modus startet, hält man einfach beim Einschalten des C64 die „RUN/STOP“-Taste gedrückt. So landet man direkt im (verbesserten) BASIC. Diese Funktion ist wirklich Gold wert, denn das ewige Navigieren über das Desktop-Menü mit dem Joystick nervt, wenn man genau weiß, was man laden möchte!
Sofern man sich bereits im BASIC-Modus befindet, kann man auch zurück in den Desktop-Modus springen. Das geht, in dem man beim Neustart des PCs die Commodore-Taste gedrückt hält.
Fun Fact: Leider besitzt der C64 von Haus aus keinen Reset-Knopf, aber das Final Cartridge Modul hat rechts oben einen Reset-Schalter, mit welchem sich der Commodore innerhalb einer Sekunde zurücksetzen lässt. Das ist eine echt praktische Funktion, die ich bei der Erstellung der letzten paar Blogartikel schmerzhaft vermisst habe! 😀
Ok, und welche Verbesserungen gibt es jetzt für BASIC? Dank des Steckmoduls könnte man (sofern man einen Drucker besitzt) über die Tastenkombination CTRL + RETURN Bildschirmausdrucke (Hardcopys) erstellen. Ebenso kann mit der Final Cartridge innerhalb eines BASIC-Listings gescrollt werden und es stehen 30 zusätzliche BASIC-Befehle zur Verfügung. Diese können direkt über die Tastatur eingegeben oder in einem Menü mit dem Joystick (sofern man vorher den Befehl „BAR ON“ eingegeben hat) ausgewählt werden.
Fun Fact: Gerade die zusätzlichen BASIC-Befehle sind eine echte Erleichterung. Normalerweise müsste man z.B. zum Formatieren einer Diskette den Befehl „OPEN 1,8,15,”N:NAME,ID”:CLOSE 1“ eingeben. Dank der Erweiterung lässt sich der Formatierungsvorgang mit einem „DOS”N:NAME,ID”“ durchführen – sehr praktisch! 🙂
Ein weiterer gravierender Punkt ist, dass das Steckmodul die Funktionstasten (F1-F8) mit neuen Funktionen belegt. Dadurch lässt sich z.B. der Ladevorgang von Software deutlich vereinfachen. Anstatt mühsam Befehle einzutippen, um sich das Directory einer Diskette anzeigen zu lassen („LOAD“$“,8“ + „LIST“) kann man das mit einem entspannten Druck auf die F7-Taste erledigen!
Fun Fact: Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass ein ggf. bereits im Speicher (BASIC-RAM) befindliches BASIC-Programm durch den Directory-LOAD nicht zerstört wird!
Anschließend navigiert man einfach mit den Cursor-Tasten auf den entsprechenden Eintrag, den man laden möchte und drückt die F5-Taste. Das Programm (in unserem Fall Tetris) wird in den Speicher geladen.
Mit einem abschließenden Druck auf F3 wird der RUN-Command ausgeführt und das geladene Programm gestartet. Mann, ist das geil – über diesen Weg muss man tatsächlich keinen einzigen Befehl mehr eintippen um ein Spiel zu starten – sehr cool! 🙂
Fun Fact: Natürlich greifen auch über den BASIC-Weg die Schnellladeroutinen der Final Cartridge und Tetris wurde innerhalb von acht Sekunden geladen!
Ebenso ist die Final Cartridge mit dem SD2IEC kompatibel. So kann aus BASIC heraus mit F7 das Directory angezeigt, und anschließend mit F5 und F3 der FILEBROWSER gestartet werden. Auch hier greifen die Schnellladeroutinen, d.h. wir können Tetris (nach Navigation ins entsprechende Verzeichnis) innerhalb von vier Sekunden laden!
Zu guter Letzt kommen wir zur beeindruckendsten Funktion des Moduls. Links oben auf der Platine befindet sich ein weiterer Schalter, mit welchem sich die „Freezer“-Funktion auslösen lässt. Mit Hilfe des Freezers können laufende Programm eingefroren und der aktuelle Speicherinhalt auf Diskette oder Datasette abgespeichert werden. Über diesen Weg lassen sich z.B. Sicherheitskopien von Spielen (auch mit Kopierschutz) erstellen – klingt fast zu gut um wahr zu sein!
Na das wollen wir doch gleich mal testen, ob das funktioniert! 🙂 In Artikel 151 haben wir ja bereits eine Sicherheitskopie von „Maniac Mansion“ angefertigt. Bisher gescheitert bin ich an „Cobra Force“ aus Artikel 146, welches ich lediglich auf einer originalen Diskette besitze. Zur Erinnerung: Originale Spiele konnten wir nicht mit dem XUM1541 sichern!
Fun Fact: Natürlich könnte man auch ein beliebiges Programm von Datassette oder MP32C64 in den Speicher laden, aber wir wollen es mal nicht übertreiben! 😉
Als erstes müssen wir eine Diskette vorbereiten, auf der wir die Sicherheitskopie später speichern möchten. Ich habe hierzu die Rückseite der retrololo-Diskette verwendet. Diese musste natürlich erst mal formatiert werden:
Anschließend kann „Cobra Force“ ganz normal von der Diskette geladen und gestartet werden:
Jetzt geht’s ans Eingemachte. Durch einen Druck auf den Freezer-Taster wird Cobra Force angehalten (der Bildschirm verpixelt) und es erscheint das Freezer-Menü. Hier können ein paar Spieloptionen wie z.B. ein paar proprietäre Schummelfunktionen um Sprite-Kollisionsabfragen auszuschalten („Unverwundbarkeits-Modi“) oder eine „Dauerfeuer“-Funktion eingestellt und zurück ins Spiel gesprungen werden. Für uns interessanter ist das Menü „Backup“, denn darin lässt sich mit der Auswahl „DISK“ eine Kopie des Spiels auf Diskette erstellen. Ist der Sicherungsvorgang (ca. 90 Sekunden) beendet, landet man wieder im Desktop-Ausgangsmenü.
Mal sehen… Tatsächlich wurden zwei Dateien („FC“ und „-FC“) auf Diskette geschrieben. Die erste Datei (FC) enthält den Schnelllader und Starter für die eigentliche Backup-Kopie (Datei -FC). Über einen „LOAD“FC“,8,1“ samt RUN-Befehl (oder alternativ über die Funktionstasten) lässt sich das Spiel ohne Probleme (auch ohne dass die originale Diskette eingelegt ist) starten – läuft!
Fun Fact: Der Freezer ist schon eine sehr coole Funktion, dennoch gibt es einige Einschränkungen. So darf das Spiel z.B. nicht aus mehreren Programmdateien bestehen oder im Laufe des Spiels Programmdateien nachladen. Trotzdem – damit lässt sich echt viel anstellen, gefällt mir! 🙂
Ok, ich denke viel mehr gibt es über die Final Cartridge nicht zu erzählen. Das Teil ist definitiv eine Bereicherung für den C64 und sollte in keiner Commodore-Sammlung fehlen! Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein passendes Gehäuse für die Platine. Auch hierfür würde man ohne Probleme geeignete Druckdaten im Internet finden, aber ich hab mich diesmal für ein Acrylglasgehäuse entschieden. Der Zusammenbau war alles andere als einfach und an einer Stelle ist mir das Acrylglas leider etwas eingerissen. Shit happens, sieht trotzdem echt cool aus wie ich finde! 🙂
Fun Fact: Die Status-LED hatte ich beim letzten Mal absichtlich nicht verlötet, da ich noch nicht wusste ob (und wenn ja in welches) Gehäuse ich die Final Cartridge stecken werde.
So, und jetzt entschuldigt mich bitte, es wird Zeit ein paar Rettungsmissionen zu fliegen und dabei die feindlichen Geschütze in die Luft zu jagen! 😀
Bis die Tage!