#208 – Game Boy Camera – I – basics

Ach ja, der gute alte Game Boy…

Ich glaube es gibt wenig Menschen auf der Welt, die nicht schon mindestens einmal einen Game Boy in der Hand hatten. Für viele Leute ist der graue „Backstein“ nicht nur ein Kultobjekt, sondern gleichzeitig ein Symbol, welches stellvertretend für die eigene Kindheit steht. Ein technisches Relikt aus einer unbeschwerten Zeit, in der man nicht ständig online sein oder einem Beruf nachgehen musste. Taschengeld gab es von Mama und Papa und das reichte für das ein oder andere Videospiel (oder alternativ die vier AA-Batterien, welche zum Betrieb der Konsole benötigt werden).

Über Nintendos tragbare Kult-Konsole habe ich euch ja in Artikel 76 bereits berichtet. Auch haben wir uns in Artikel 92 bereits seinen Nachfolger (den Game Boy Color) sowie etwas lustiges Zubehör für die Konsole angesehen. Zubehör ist genau das richtige Stichwort, denn heute möchte ich euch ein ganz spezielles Stück Hardware für den Game Boy vorstellen – die Game Boy Camera!

Moment – was? Eine Kamera – für den Game Boy? Was zur Hölle? Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein, oder? Tief durchatmen, liebe Kinderchen, der Papa klärt euch doch gleich auf! 😛

Die Game Boy Camera kam 1998 in den Handel und ist tatsächlich eine – wenn auch sehr einfache – digitale Schwarzweißkamera mit welcher man digitale Fotos auf seinem Game Boy aufnehmen kann. So – jetzt ist es raus! Wer es mir immer noch nicht glaubt, kann sich den kultigen – wenn auch technisch sowie optisch extrem übertriebenen – 90er-Jahre-Werbespot reinziehen! 😀

Einfach gesagt ist die Game Boy Kamera ein großes Game Boy Modul an dem eine Kameralinse angeflanscht wurde. Diese ist – ähnlich wie bei alten Webcams aus der Zeit – mit einem Kugelgelenk ausgestattet und lässt sich so um bis zu 180 Grad drehen. Ist das nicht verrückt? Somit könnte die Game Boy Camera tatsächlich eine der ersten Kameras sein, die einen „Selfie-Modus“ hat! 😉

Fun Fact: Zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bzw. ein Jahr später (1999) war die Game Boy Camera die kleinste digitale Kamera der Welt und hat es sogar in das Guinnessbuch der Rekorde geschafft! 🙂

Aufgrund der technischen Limitationen des Game Boys kann die Kamera nur Bilder in vier Farbtönen (vier Graustufen, welche auf dem Game Boy Display mit vier Grüntönen dargestellt werden) und mit einer Auflösung von 128×112 Pixel aufnehmen, was ca. 0,014 Megapixel entspricht. Puh, das ist echt wenig. Selbst mein altes Sagem-Handy (siehe Artikel 22) hat bereits eine 0,3-Megapixel-Kamera und selbst auf damit geschossenen Bildern lässt sich so gut wie nichts erkennen! xD

Fun Fact: Das Cover von Neil Youngs Album Silver & Gold wurde von Neils Tochter Amber mit einer Game Boy Camera aufgenommen – kein Witz! 😀

Immerhin – intern hat die Game Boy Camera einen Mitsubishi M64282FP CMOS-Bildsensor verbaut, welcher in Echtzeit Bildkorrekturen durchführen kann. Dank verbauter Knopfzelle und 128kB SRAM können sogar bis zu 30 Fotos auf dem Modul gespeichert werden. Absolute Raketentechnologie! 😉

Und was macht man jetzt mit diesen aufgenommenen Bildern? Nun zum einen könnte man die digitalen Fotografien mit Hilfe eines Link-Kabels an einen Freund, welcher ebenso eine Game Boy Camera besitzt tauschen. Richtige Freaks schauen sich die Bilder im Großformat mit Hilfe des Super Game Boy (SNES) oder dem Game Boy Player (GameCube) im Großformat auf dem TV an! 😀

 

Fun Fact: Ich korrigiere – richtige Freaks verwenden die Game Boy Camera als Webcam für Zoom Meetings – what the actual fuck?! 😀

Alternativ kann man sich die Bilder auch mit Hilfe eines weiteren obskuren Stück Hardware, dem „Game Boy Printer“, in einem ca. 2,7×2,3cm kleinen Format auf selbstklebendem Thermopapier ausdrucken. Leider gab es kaum Spiele, die das Gerät unterstützen und zu allem Überfluss war die Qualität der Mini-Ausdrucke meist recht mies, dementsprechend habe ich mir die Anschaffung so eines monochromen Druckers gespart. Vermutlich macht auch die Tatsache, dass die verwendeten Thermopapierrollen mittlerweile 25 Jahre alt sind, die Sache nicht besser! 😀

Fun Fact: Einen Vorteil hat der Game Boy Printer aber: Mit dem Teil kann man sich – sofern man es tatsächlich geschafft hat einen perfekten Pokémon-Spielstand samt 151 (in der 2. Generation 251) gefangenen und im Pokédex registrierten Pokémon zu erlangen ein kleines Zertifikat ausdrucken! 😀

So – Schluss mit der vielen Theorie, wir wollen das Teil endlich in Aktion sehen! Analog einem normalen Game Boy Modul wird die Kamera einfach in den Modulschacht eines Game Boys gesteckt:

Fun Fact: Zu Demonstrationszwecken verwende ich wieder den (bereits aus Artikel 189 bekannten) Game Boy Advance mit umgebauten, beleuchteten Display. Die Kamera würde auch mit einem Game Boy Classic, Color oder Pocket funktionieren, aber so könnt ihr auch was auf den Bildern erkennen! 😉

Tatsächlich befinden sich auf dem Modul deutlich mehr Funktionen als man vermuten würde! Neben einem Modus zum Aufnehmen von Bildern, gibt es auch ein Menü zum Bearbeiten der Bilder sowie eine mysteriöse „Play“-Option.

Darunter findet sich ein einfaches Spiel namens „Space Fever II“, welches mich doch sehr stark an „Space Invaders“ oder „Galaga“ erinnert! 😉

Fun Fact: Tatsächlich ist es aber der Nachfolger des Arcade-Automaten „Space Fever“, welcher bereits 1979 von Nintendo veröffentlicht wurde!

Aber das war noch nicht alles! Durch das Abschießen eines der drei Raumschiffe („B“, „?“, oder „D“) zu Beginn des Spiels können drei weitere Minispiele gestartet werden! Kreativ, aber umständlich! 😛

Zum einen wäre da „Ball“, ein Remake des 1980 erschienenen gleichnamigen Game & Watch Spiels von Nintendo. Im Endeffekt muss man lediglich drei Bälle durch leichtes hin- und her bewegen der Spielfigur jonglieren. Viel mehr gibt es echt nicht zu sagen, schaut es euch doch an! xD

Fun Fact: Die Game & Watch-Konsolen waren sozusagen die Vorreiter des Game Boys. Jede tragbare Konsole hatte fest ein Spiel verbaut und war mit einem einfachen LCD-Display ausgestattet. Mann, das waren definitiv einfachere Zeiten! 🙂

Das ist euch zu langweilig? Viel besser wird es leider nicht, denn im Titel „Run! Run! Run!“ müsst ihr einfach nur rennen und über Hürden springen. Seht ihr, jetzt wünscht ihr euch „Ball“ zurück! 😛

Fun Fact: Bei jedem dieser Spiele könnte man vorab sein Gesicht abfotografieren und anstatt der merkwürdig aussehenden Gestalten hinterlegen. Ob das die einzelnen Mini-Spiele aber besser machen würde wage ich zu bezweifeln! 😉

Das letzte Spiel im Bunde ist „DJ“. Damit lassen sich mit Hilfe ein paar weniger Einstellungen am unteren Bildschirmrand sehr einfache Beats erstellen und abspeichern. Es ist sogar ein Sequenzer mit an Bord, aber, um ehrlich zu sein, habe ich echt nicht den Nerv mich weiter damit zu beschäftigen. Für faule Leute wie mich gibt es auch einfach ein paar Beispieltracks zum Anhören! 🙂

Kommen wir nun zum technischen Highlight der Kamera, dem Aufnahme-Modus („Shoot“). Endlich – schließlich heißt das Teil ja „Game Boy Camera“ und nicht „Game Boy Minigame-Sammlung“! 😛 Ein Bild lässt sich einfach per Knopfdruck schießen. Hier habe ich z.B. versucht ein Bild einer PC-Maus aufzunehmen. Wer es erkannt hat bekommt 100 Punkte! 😀

Uff – das ist ja nicht gerade ein berauschendes Ergebnis! xD Tatsächlich glaube ich gar nicht, dass die geringe Auflösung daran schuld ist. Viel mehr ist das Problem, dass der Kamera nur vier Farbtöne zur Verfügung stehen. Man kann zwar versuchen an den Helligkeits- und Kontrastreglern herumzuspielen aber meist liefern die von der Kamera je nach Motiv automatisch gewählten Einstellungen (dauert ggf. ein paar Sekunden bis sich die Kamera an die jeweiligen Lichtverhältnisse gewöhnt) das beste Ergebnis. In jedem Fall sollten die abzulichtenden Objekte gut ausgeleuchtet sein! 😉

Fun Fact: Die aufgenommenen Bilder sind alles Aufnahmen von bisherigen Bastelprojekten. Ein kleiner Tipp: Es handelt sich um Basteleien aus den Artikeln 41, 164, 184 und 193. Wer alle Gegenstände dem jeweiligen Beitrag zuordnen kann hat sich ein kühles Bier auf meinen Nacken verdient! 😉

Ähnlich wie bei einer „richtigen“ Digitalkamera sind auch ein paar Sonderfunktionen zum Aufnehmen von Bildern mit an Bord. So gibt es z.B. einen Selbstauslöser (1-25 Sekunden) oder sogar eine Zeitraffer-Funktion mit welcher mehrere Bilder hintereinander in einem bestimmten zeitlichen Abstand (1-60 Sekunden) geknipst werden können!

Fun Fact: Wenn man sich Mühe gibt, kann das sogar ganz cool aussehen! 😉

Es gibt sogar einige – meiner Meinung nach – eher experimentelle Funktionen wie z.B. Montagen, Tricklinsen oder Panoramaaufnahmen. Schön und gut, aber wer wäre so verrückt und würde versuchen mit der Game Boy Camera eine saubere Panoramaaufnahme zu machen?! 😀

Alle angefertigten Schnappschüsse lassen sich dann im „View“-Menü betrachten:

Und nicht nur das – wir können die aufgenommenen Bilder sogar leicht modifizieren! So lässt sich das Foto z.B. mit einem neuen Rahmen versehen. Dabei stehen insgesamt 18 Rahmen zur Wahl. Ich weiß nicht woran es liegt, aber meiner Meinung nach ist einer hässlicher als der andere. Mir persönlich sagt die schwarze Standard-Umrandung am meisten zu.

Ebenso steht euch eine große Auswahl an unterschiedlichen Grafiken und Buchstaben (genannt Stempel) zur Verfügung, mit welchen sich die Aufnahmen verschönern lassen. Für ganz mutige Grafiker gibt es sogar einen Modus zum Freihandzeichnen!

Dank der Editieroptionen können wir der Maus z.B. ein paar Kulleraugen verpassen. Und ja – das soll ein Mund sein! 😀 Ich weiß, dass ich nicht gut malen kann aber zu meiner Verteidigung: Versucht ihr mal mit einem Steuerkreuz eine präzise, runde Form zu malen. Das ist gar nicht so einfach! xD

Neben den selbst aufgenommen Bildern (Album „A“) befinden sich im „View“-Menü auch einige vorab auf die Kamera aufgespielte Grafiken im Album „B“. Diese sind qualitativ recht hochwertig und wurden definitiv nicht mit der Game Boy Camera aufgenommen. Bearbeiten lassen sich die Werke leider nicht, aber zumindest kann man sie betrachten und bei Bedarf mit dem Printer ausdrucken.

Fun Fact: Tatsächlich gibt es noch weitere vorab aufgespielte Bilder, welche man erst durch erledigen verschiedener Aufgaben wie z.B. dem Erreichen eines Highscores in einem der Minispiele freischalten muss. Seht es mir nach, dass ich darauf verzichte – Lebenszeit und so… 😉

Was mir bei der Kamera irgendwie etwas negativ auffällt, sind die sehr unterschiedlich und vor allem ziemlich bizarr (wenn nicht sogar gruselig) gestalteten Menüs. Gerade bei Auswahl der augenscheinlich nutzlosen Option „Run“ im Aufnahmemenü erscheinen höchst merkwürdige Bilder. Ernsthaft – waren die Entwickler auf Drogen? Wie kommt man auf sowas?!

Naja, wir wollen mal nicht kleinlich sein. Insgesamt betrachtet ist die Game Boy Kamera schon ein faszinierendes Gerät. Ob das Teil Nintendos Versuch war im aufstrebenden Markt der Digitalkameras Mitte der Neunziger Fuß zu fassen? Wer weiß. Wenn man bedenkt, dass es bereits Mitte des Jahrzehnts zahlreiche, wesentlich bessere und erschwinglichere Digitalkameras auch im privaten Sektor gab, muss man sich schon die Frage stellen, wer auf die verrückte Idee gekommen ist, dem zu dem Zeitpunkt schon fast zehn Jahre alten Game Boy eine – vergleichsweise grottige – Digitalkamera zu spendieren! 😀

Dennoch – oder vielleicht genau aufgrund ihrer extremen Limitierungen – ist die Game Boy Camera auch nach so vielen Jahren noch ein sehr interessantes Stück Technik. Selbst heutzutage gibt es noch Enthusiasten, welche Foto-Aufnahmen mit der Game Boy Camera machen – verrückt!

So, ich denke damit sollten wir es für heute gut lassen. Ich hoffe ihr hattet bei dem kleinen Ausflug in die Welt der – sagen wir mal optimistischer Weise – „Amateurfotografie“ so viel Spaß wie ich.

In diesem Sinne, bis die Tage, ciao!

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