Vorwort: Eigentlich sollte es heute nochmal um den Raspberry Pi samt RetroPie Software gehen. Das ist auch so, aber erst in der Nachbearbeitung des Artikels ist mir aufgefallen, dass das Vorhaben eher in eine Art „Geschichtsstunde der Videospiele“ abgedriftet ist! 😀
Tja, was soll ich sagen? So ist das eben manchmal, wenn man recht „dynamisch“ (böse Zungen würden sagen „ohne Ziel oder richtige Planung“) arbeitet. Mir macht das nichts aus, denn so entstehen meist recht kurzweilige Beiträge mit Ergebnissen, welche sogar ihren Autor überraschen! 😉
Fun Fact: Bevor ihr beim Wort „Geschichte“ jetzt gleich zurückschreckt – ich habe versucht, die einzelnen Punkte mit zahlreichen „Fun Facts“ anzureichern, vielleicht liest es sich so etwas leichter.
In diesem Sinne – viel Spaß bei der kleinen Zeitreise durch die Geschichte der Videospiel-Konsolen! 🙂
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Wisst ihr noch? Beim letzten Mal haben wir einen wundervollen Himbeerkuchen gebacken…
Ich weiß – der Backvorgang ist, bzw. war prinzipiell schon interessant, aber sind wir mal ehrlich – nichts geht über die Verkostung des guten Stücks! 😉
Und genau das wollen wir heute tun! Nachdem die letzten beiden Artikel recht technisch waren, wollen wir heute gemeinsam „Stück für Stück“ (Emulator für Emulator) den Kuchen verspeisen. So kann ich euch hoffentlich möglichst magenschonend – und vor allem leicht verdaulich – einen Überblick geben, welche Systeme wir mit dem kleinen Raspberry jetzt letztendlich emulieren können.
Fun Fact: Um die ganzen technischen Notwendigkeiten der einzelnen Emulatoren haben ich mich bereits gekümmert. Das bedeutet konkret: Pro emuliertem System gibt es nur einen kurzen Absatz (etwas Geschichte oder ein paar Fakten), ein Spiel und jeweils auch nur ein Bild. Dieses Limit musste ich mir setzen, weil sonst wäre auch dieses Vorhaben wieder vollends ausgeufert! 😛
Beginnen möchte ich ganz klassisch mit dem Atari 2600. Kaum eine Konsole verkörpert mehr den Kultfaktor der Heimkonsolen der Achtziger Jahre wie das „Atari Video Computer System“, obwohl das Gerät bereits in den USA 1977 erschienen ist. Die Vielzahl an Umsetzungen von bekannten Titeln aus der Spielehalle trug ihren Beitrag zum Erfolg des Atari 2600 bei, wenn auch die meisten qualitativ nicht ansatzweise an ihre Vorbilder aus den Arcades rankamen. Einer meiner persönlichen Favoriten ist „Kaboom“ aus dem Jahre 1981. Ziel des Spiels ist es, die herunterfallenden Bomben des „Mad Bomber“ aufzufangen. Das einfache und mega intuitive Spielprinzip ist für jeden sofort greifbar und macht einfach unglaublich viel Spaß!
Über den technischen Kampf mit seinem Nachfolger, dem Atari 5200, habe ich bereits im letzten Artikel ausführlich berichtet. Der 5200 konnte 1982 seinem Vorgänger (dem Atari 2600) in Sachen Popularität und Verkaufszahlen – nicht zuletzt dank qualitativ minderwertigen Controllern – nie das Wasser reichen, wenn es auch ein paar gute Spiele für das System gab. Ein Vertreter ist z.B. „Dig Dug“ (1983). Die ungewöhnliche Kombination aus „grab dich durch die Höhle“ und „pumpe Gegner auf, bis sie platzen“ oder „lass Steine auf sie fallen“ funktioniert prima und spielt sich erstaunlich gut.
Bessere Joysticks, Abwärtskompatibilität zum Atari 2600 und ein erschwinglicher Preis – mit dem 7800 versuchte Atari 1984 alles besser zu machen und alle wesentlichen Mängel des 5200 zu beheben. Die Spiele für den Atari 7800 können sich definitiv sehen lassen. Hier spiele ich z.B. gerade „Choplifter“ (1987). Ziel ist es, Kriegsgefangene mit einem Hubschrauber aufzusammeln und bei einer nahen Basis wieder abzusetzen.
Fun Fact: Choplifter zählt zu der Minderheit von Spielen, die zunächst auf einem Heimcomputer erschienen und später (auf Grund ihres massiven Erfolges) in der Spielhalle veröffentlicht wurden.
Der Atari Lynx war global betrachtet die erste Handheldkonsole mit einem Farbbildschirm. Die Konsole erschien Ende 1989, ein paar Monate nach dem Game Boy, erreichte jedoch aufgrund des hohen Preises, des hohen Batterieverbrauchs, der vergleichsweise voluminösen Abmessungen und nicht zuletzt des schlechten Marketings seitens Atari nicht ansatzweise dessen Verkaufszahlen. Schade eigentlich, denn was die Spiele angeht, gibt es ein paar beeindruckende Aracade-Umsetzungen. „RoadBlasters“ aus dem Jahre 1990 ist ein gutes Beispiel dafür.
Damit genug von Atari – als nächstes möchte ich euch ein paar Titel aus dem Hause Sega vorstellen. Den Anfang macht das SG-1000, ein bei uns in Europa größtenteils unbekanntes System. Es wurde 1983 veröffentlicht und ist Segas allererste Videospielkonsole. Auf dem SG-1000 erschienen überwiegend Arcade-Umsetzungen wie „Choplifter“, „Lode Runner“ oder „Pitfall“, aber es gab auch explizit für das System entwickelte Titel. Mit „Girl’s Garden“ habe ich das Erstlingswerk eines gewissen Yuji Naka gewählt. Falls ihr den Mann nicht kennt – Herr Naka ist Leiter des „Sonic Team“. Er leitet nicht nur ein Entwicklerteam, sondern gilt selbst als der Erfinder des blauen Igels Sonic!
Machen wir weiter mit dem Master System (in Japan SG-1000 Mark III genannt), Segas erste im Westen veröffentlichte Heimkonsole aus dem Jahr 1985. In Europa ist das Master System zwar erst 1987 angekommen, konnte aber schnell Fuß fassen und war bis 1994 die Konsole mit der größten Installationsbasis. Ich vermute es liegt daran, dass Nintendo bis dato in einigen europäischen Ländern gar keine Konsolen (wie das Nintendo Entertainment System) zum Verkauf anbot und Sega sich in diesen Märkten somit ohne Probleme etablieren konnte. Das wohl erfolgreichste Spiel ist „Alex Kidd in Miracle World“, ein von Sega selbst entwickeltes Jump ‘n Run von 1986.
Das Sega Mega Drive (in Amerika Genesis genannt) erschien 1988 (1990 in Europa) und läutete den Erfolg der 16-Bit-Heimkonsolen ein. Neben der Konsole selbst schuf Sega mit Sonic ein Maskottchen, welches es mit Mario aufnehmen konnte. Die beiden Protagonisten stehen sinnbildlich für den Kampf „Sega vs. Nintendo“. Welches Spiel würde sich daher besser als Aushängeschild für das Mega Drive eignen als Sonics erster Auftritt in „Sonic the Hedgehog“ aus dem Jahre 1991? 😉
Kurz nach der Veröffentlichung des Mega Drive wollte Sega auch in den Markt der Handheld-Konsolen einsteigen und veröffentlichte das „Sega Game Gear“. Die tragbare Konsole litt unter den gleichen Problemen wie der Atari Lynx (hoher Batterieverbrauch, hoher Preis, klobiges Design), konnte aber mit seinem beleuchteten Farbdisplay punkten. Aus seiner eher kleinen Spielebibliothek habe ich für euch „Ristar“ rausgefischt. Der gleichnamige Protagonist (ein gelber Stern mit Armen und Beinen) muss seinen Vater aus den Klauen von Kaiser Greedy retten und hüpft hierfür durch zweidimensionale Levels. Dabei kann er Gegner greifen und durch die Gegend schleudern oder sogar deren Waffen abnehmen und verwenden – fast wie ein gewisser pinkfarbener Ball namens Kirby! 🙂
Sega erkannte früh, dass die Zeit der modulbasierten Speichermedien vorbei war und entwickelte Ende 1991 ein CD-ROM-Laufwerk als Erweiterung für das Mega Drive. Das Mega-CD-Add-on (in Amerika Sega CD genannt) wird unten an das Mega Drive angesteckt und bot für Spielentwickler ungeahnte Möglichkeiten – auf einmal hatte man so viel Speicherplatz zur Verfügung! Häufig wurde dieser dann für FMV-Sequenzen genutzt, so entstanden zahlreiche interaktive Spiele. Ein – zugegeben – etwas trashiges Beispiel ist „Sewer Shark“. Hier müssen mutierte Hai-Kreaturen in Abwasserkanälen abgeballert werden! Ich verspüre irgendwie starke „Sharknado“-Vibes… 😀
Mit dem Sega 32X veröffentlichte Sega Ende 1994 ein weiteres Add-on für das Mega Drive. Das 32X erweitert das Mega Drive um einen 32-Bit-Prozessor und weitere Hardwarekomponenten. Leider kam die Veröffentlichung viel zu spät und die Verkäufe blieben aus. Die Spielergemeinde war nicht überzeugt und dementsprechend erschienen nur 40 Titel, welche ausschließlich mit dem 32X-Add-on funktionierten. Immerhin gibt es unter den wenigen Spielen einen echten Kracher: In „Knuckles‘ Chaotix“ begleiten wir Sonics einstigen Rivalen (jetzt Freund) Knuckles, den Ameisenigel, bei seiner Mission Dr. Robotnik von seinen finsteren Plänen abzuhalten. Ein echt tolles Jump ‘n‘ Run was sich kein Sonic-Fan entgehen lassen sollte.
Fun Fact: Sega hat sogar einige „Mega CD 32X“-Spiele veröffentlicht. Diese benötigen neben der Basiskonsole (dem Mega Drive) beide Add-ons (also das Mega CD und das 32X) um zu laufen. Eine sehr merkwürdige Geschäftsstrategie, wenn man bedenkt, dass gerade das 32X gefloppt ist und kaum Leute das Zubehör überhaupt hatten! 😀
Segas letztes „Hurra“ im Hardwaremarkt war die Dreamcast, welche Ende 1998 erschienen ist. An sich eine gute Konsole, die leider (nicht nur) am Erfolg der PS2 zugrunde gegangen ist. Schlechtes Marketing, finanzielle Misswirtschaft und fehlender Support von Drittherstellern (Entwicklerstudios) trugen ihren Teil zum Untergang der Dreamcast bei. Dennoch sind ein paar sehr innovative und beeindruckende Titel für die Dreamcast erschienen, ganz vorne dran natürlich die beiden „Shenmue“-Spiele und der nur in Japan erschienene Shooter „Ikaruga“:
Kommen wir nun zu ein paar Exoten – angefangen mit dem Vectrex aus dem Jahre 1982! Der Vectrex ist eine stationäre Spielkonsole mit eingebautem Hochformat-Schwarz-Weiß-Vektorbildschirm. Die Spiele waren – gelinde gesagt – ambitioniert. Einige Spiele kamen mit „Overlays“, also Folien, welche man über dem Bildschirm legen konnte um Farbeffekte zu erzeugen oder Spielelemente zu kennzeichnen. Wenn ich mir „Scramble“ so ansehe, glaube ich, dass die Leute damals einfach mehr Vorstellungskraft hatten! 🙂 Seht es mir nach, dass ich das Schwarz-Weiß-Spiel nicht besser abfotografieren konnte – ich habe mein Bestes gegeben, ernsthaft. 😀
Darf es noch etwas älter sein? Im Angebot hätte ich den Philips Videopac G7000 aus dem Jahre 1978! Zu sagen, die dafür veröffentlichten Spiele waren primitiv, wäre eine Untertreibung. Mich erinnert das System und seine Spiele irgendwie an den Atari 2600, allerdings erschienen einige exklusive Titel, die sich auch auf dem Emulator noch erstaunlich gut spielen lassen. Es war eine Zeit, in der es Spiele wie „Golf“, „Frogger“, „Laser War“ oder „Baseball“ gab. Das nenne ich mal einfache Titel, nicht so ein moderner Schnickschnack wie „MVP Baseball 2005“ oder „Tiger Woods PGA Tour 2004“! 😛 Wie simpel die Spiele wirklich sind? Schaut euch nur mal „Gunfighter“ von 1982 an! 🙂
Ebenfalls gerade noch in den Siebzigern (1979) erschienen, ist das von Mattel nur in den USA (und später noch in Japan) veröffentlichte Intellivision. Tatsächlich war das Intellivision technisch gesehen die erste 16-Bit-Konsole, auch wenn man das den Spielen (hier als Beispiel die Spielhallen-Umsetzung von „BurgerTime“ von 1982) nicht anmerkt. Es gab sogar ein Add-on namens „System Changer“ mit welchem Spiele des Atari 2600 auf dem Intellivision abgespielt werden konnten – irre! Stellt euch so ein Stück Zubehör mal heutzutage vor: Eine Erweiterung, mit der man Nintendo Switch Spiele auf der PS5 spielen kann. Aus heutiger Sicht absolut undenkbar – der Hersteller so eines Teils würde vermutlich bis auf sein letztes Hemd verklagt werden! 😀
Fun Fact: Zu Beginn gab es nur wenige, von einer externen Firma entwickelte Spiele für das Intellivision. Mattel wollte logischerweise ihren Profit erhöhen und gründete eine hauseigene Spieleentwicklungsabteilung. Um zu verhindern, dass Konkurrent Atari die Programmierer abwarb, wurden deren Identität und Arbeitsaufenthaltsort streng geheim gehalten. In der Öffentlichkeit wurden diese Programmierer meist als „Blue Sky Rangers“ bezeichnet – abgefahren! 😀
1982 veröffentlichte die Firma Coleco das ColecoVision in Amerika und Europa. Im Kontrast zum Atari 2600 und Intellivision entsprachen Grafik und Sound etwa dem Standard damaliger Arcade-Spiele. So konnte man die Spielhallen-Hits fast originalgetreu wiedergeben – ein klarer Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Die mitgelieferten Controller konnten im Gehäuse verstaut werden und waren so jederzeit aufgeräumt. Mit „Gorf“ aus dem Jahre 1983 habe ich ein typisches Space Shoot ‘em up gewählt, weil es den Zeitgeist meiner Meinung nach perfekt einfängt. Ganz unabhängig davon macht es natürlich auch Spaß! 😉
Fun Fact: Auch Coleco bot mit dem „Expansion Module #1“ einen Adapter an, mit dem sich Atari 2600 Spiele auf dem ColecoVision abspielen ließen – wirklich verrückt! Es war einfach eine andere Zeit… 🙂
Eine teils ebenso recht unbekannte, „Arcade-nahe“ Konsole ist das Neo Geo von 1990. Über die starke Hardware habe ich ja bereits in Artikel 197 berichtet. Eins ist mal klar, ich habe selten so hübsche und vor allem flüssig laufende Grafiken und so viel Action in einem Shooter erlebt. Würde ich es nicht besser wissen, könnte ich meinen, ich stehe in einer Spielehalle an einem Automaten. Ernsthaft – eigentlich wollte ich „Blazing Star“ für diesen Beitrag nur kurz anspielen, bin aber dann doch erschreckend lang hängen geblieben… 😀
Von der Firma SNK (Entwickler des Neo Geo) gab es auch Konsolen in portabler Form. Zum einen ist da das Neo Geo Pocket aus dem Jahr 1998. Seine relativ kurze Lebenszeit verdankt das NGP vermutlich hauptsächlich seinem Monochrom-Display. Was 10 Jahre zuvor im Falle des GameBoy noch eine kluge Entscheidung seitens Nintendo gewesen war, um Batterie-Laufzeiten und Produktionskosten gering zu halten, war Ende der Neunziger einfach nicht mehr zeitgemäß. Zumindest war das Gerät relativ günstig und wurde für knapp 70 Dollar angeboten. Mit „Pocket Tennis“ habe ich eines dieser typischen „Handheld-Spiele“ ausgegraben. Auf einem Emulator spielt sich das Spiel sogar ganz angenehm! 🙂
Da sich das – lediglich mit einem Schwarz-Weiß-Bildschirm ausgestattete Modell – Neo Geo Pocket schlechter verkauft hat als erwartet wurde bereits 1999 (also nur ein Jahr später) das Neo Geo Pocket Color samt Farbbildschirm ins Leben gerufen. Eigentlich sollte der NGPC ein Konkurrent zum Game Boy Color sein, doch leider blieb er in Europa und Amerika nahezu unbekannt. Uncool, denn es gab einige exklusive, durchaus gelungene Spiele für das Gerät! Einer dieser – auch nur in Japan erschienenen – Titel ist „Rockman: Battle and Fighters“, ein zur Mega Man Reihe gehörendes Action-Videospiel bei dem es verschiedene Roboterendgegner zu erledigen gilt.
Uff – ich hatte gehofft, dass wir den Kuchen heute ganz aufessen, aber leider scheint immer noch ein kleines Stück übrig zu sein. Na, macht nichts – spätestens nächstes Wochenende gibt es ja wieder Kaffee und Tee und dann muss das Gebäckstück endgültig dran glauben…
In diesem Sinne – bis die Tage!