Vorwort: Erst im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass der heutige Artikel mehr eine Art „Unboxing“ als ein wirkliches „Review“ ist. Ich hoffe ihr verzeiht es mir und könnt euch trotzdem an der kleinen Reise in die Vergangenheit erfreuen – ich kann bei dem Spiel einfach nicht ganz objektiv sein, da schwingt zu viel Nostalgie mit! 😉
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Erinnert sich noch jemand an Artikel 12? Ich weiß – lang lang ist’s her! 😉
Zur Erinnerung: Damals haben wir es geschafft, ein DOS-Spiel über ein USB-Diskettenlaufwerk auf einem Smartphone in einer DosBox-App zum Laufen zu bekommen! 😀
Wenn ich mich recht erinnere habe ich euch „damals“ schon was über das zum Testen verwendete Spiel („Electro Body“) erzählt. Trotzdem möchte ich die Zeit heute nutzen nochmal etwas ausführlich darüber zu berichten. Ähm, ok – und woher kommt die spontane Idee, bzw. der plötzliche Drang das Teil nochmal auszugraben? Tatsächlich fing alles an, als ich vor einigen Tagen folgendes Stück auf eBay ersteigert habe:
Eine originalverpackte (und noch verschweißte) Kopie von „Electro Body“! Seit vielen Jahren suche ich nach dem Teil und jetzt habe ich endlich ein Exemplar gefunden. Na, wenn das kein Anlass ist, einen genaueren Blick auf „Electro Body“ zu werfen! Wann hat man schon mal die Gelegenheit ein knapp 30 Jahre altes Spiel auszupacken? 😉
Bisher besitze ich das Spiel leider nur als „digitale Sicherheitskopie“. Diese wurde aber tatsächlich vor vielen Jahren mal als Kopie von der Originaldiskette erstellt. Auch das Handbuch ist noch da, aber die Verpackung mit der originalen Spiel-Disk ist wohl irgendwann mal abhandengekommen…
Fun Fact: Ernsthaft – selten habe ich mich so gefreut, nach ewiger Recherche doch noch fündig zu werden. Ich würde mal vermuten, dass von dem Spiel damals nur wenige Exemplare überhaupt nach Deutschland importiert wurden. In den letzten 10 Jahren wurden nur drei Angebote auf eBay verkauft – uff! Frei nach dem Motto: Nicht wertvoll, aber selten… 😉
Zur Erinnerung: „Electro Body“ ist ein 1992 erschienenes Jump ‘n‘ Run für DOS. Popularität, bzw. einen Kultstatus erlangte das Spiel, weil es in Polen sehr erfolgreich war und als „erstes professionelles polnisches PC-Spiel“ angesehen wird. Electro Body wurde 1993 von ADAMIK für den deutschen Markt portiert.
Doch jetzt schnell zurück zu der Verpackung. Das Logo auf der Seite weckt Erinnerungen… 😉
Auch auf der Rückseite gibt es so einiges zu entdecken. Besonders witzig finde ich die Symbole für „Tastatur“, und „Joystick“ auf der linken Seite. Ebenso finden sich hier Schlagwörter wie z.B. „Sound Blaster“, „EGA“, „CGA“ oder die gute alte Hercules-Grafikkarte – alles Begriffe aus einer längst vergangenen Ära… 🙂
Fun Fact: Daumen hoch für das ehrliche Marketing: Von wegen Cutscenes – alles echte Gameplay-Screenshots! So etwas gibt es heutzutage nicht mehr, oder erinnert ihr euch an den letzten Trailer den ihr gesehen habt, der wirklich nur Gameplay zeigt? 😉
Na, bei so einer Beschreibung bekommt man doch direkt Lust den Rechner anzuschmeißen und Electro Body einzuwerfen. Habt ihr das Zeug dazu zusammen mit „Jack“ die über 620 Räume zu überstehen? 😉
Wenn euch die Story nicht als Anreiz reicht, dann wird euch doch hoffentlich die „phantastische VGA-Grafik“ mit 256 Farben überzeugen? Also mehr kann man sich wirklich nicht wünschen! 😛
Und für die audiophilen Freunde unter uns gibt es „realistische Soundeffekte“ dank innovativer Technologien wie dem „Sound Blaster“ oder der „AdLib“ Soundkarte. Wer das alles nicht hat, kann sich natürlich auch an den piepsigen Klängen des PC-Speakers erfreuen… 😀
Fun Fact: Sogar das längst vergessene Covox-Soundmodul (Covox Speech Thing) ein Adapter mit welchem sich Boxen oder Stereoanlagen via Parallelport an den PC anschließen lassen wird unterstützt – das nenne ich mal Service! 😉
Besonders schön finde ich die Hardware-Anforderungen. 16 MHz CPU und HD-Diskettenlaufwerk. Na das sollte doch kein Problem sein! 😉
Fun Fact: „HD“ steht hierbei nicht für „high definition“ sondern für „high density“. Damit ist die Aufzeichnungsdichte (Sektoren pro Spur auf der magnetisierbaren Schicht) in welcher die Daten auf die Diskette geschrieben werden gemeint.
So, lang genug geschwafelt, es wird Zeit die Büchse der Pandora zu öffnen und endlich einen Blick in die Verpackung zu werfen…
Entfernt man den Umschlag kommt ein weißer Karton zum Vorschein:
Darin befindet sich der eigentliche Inhalt:
Mal sehen… Da wäre zum einen natürlich die Diskette mit den Spieldaten.
Fun Fact: Man sieht, dass das ganze etwas „improvisiert“ veröffentlicht wurde. Anstatt ein passendes Diskettenetikett drucken zu lassen wurde einfach ein länglicher (wesentlich größerer) Aufkleber „um die Diskette“ herum geklebt. Kann man so machen… 😀
Etwas irritiert bin ich darüber, dass der Schreibschutz gar nicht aktiviert ist. Ich war immer der Meinung, dass der Schieber bei gekauften Disketten geöffnet ist. Wieder ein Indiz dafür, dass hier keine Profis am Werk waren! 😉
Fun Fact: Das Loch auf der gegenüberliegenden Seite der Diskette ist das Erkennungsmerkmal für das Diskettenlaufwerke, ob es sich um eine HD- oder eine DD (double density) Diskette handelt.
Ebenso ist eine Anleitung mit dabei. Mir persönlich hat das unterschiedliche Farbdesign der Vorder- und Rückseite schon immer sehr gut gefallen.
Ein Blick in die Anleitung verrät die wichtigsten Details. Neben einer interessanten Vorgeschichte (die sich fast wie ein SciFi-Roman liest) finden sich hier auch Installationsanweisungen, ein Troubleshooting-Guide sowie die Seite mit Informationen zur Steuerung:
Alleine die beigelegte Umfragekarte hat es in sich… „W.- Germany“?! Eigentlich waren die Zeiten von „West-Germany“ 1993 doch auch schon vorbei… 😀
Fun Fact: Die ADAMIK Import & Export GmbH gibt es natürlich seit Jahren nicht mehr. Um ehrlich zu sein habe ich im Internet absolut nichts über das Unternehmen gefunden! Verrückt, dass man nichts darüber im Netz findet, wenn man bedenkt, dass heutzutage Haustiere eigene Internetauftritte (in Form von Facebook-, Snapchat- oder Instagramaccounts) besitzen! 😛
Auf der Rückseite soll man ausfüllen, wie die Konfiguration des eigenen PC-Systems ist. So sind Angaben zum Betriebssystem (also welche DOS-Version man einsetzt) oder zur Hardware des PCs (IBM AT/XT oder 386/486) zu machen. Besonders schön finde ich auch die Frage welche Spiele man bevorzugt. Na, steht ihr eher auf Simulationen, „Denkspiele“ oder „Ballerspiele“? 😀
Fun Fact: Hosen runter! Wie viel RAM habt ihr? 1MB? 2MB? Oder doch nur 640kB? Oh Mann, ich liebe solche Zeitdokumente… 😀
Last but not least befindet sich dann noch der Soundtrack des Spiels mit in der Box – auf Kassette! Ich habe das gute Stück natürlich gleich mal auf dem Autoradio aus Artikel 41 ausprobiert. Schon cool, dass das nach so langer Zeit noch funktioniert. Lustigerweise geht der Stil des Soundtracks in Richtung EBM (Electronic Body Music) – viel passender zum Titel geht’s ja fast gar nicht! 😀
Fun Fact: Es geht nichts über einen physikalischen Datenträger. Ein „MP3-Downloadcode“ wäre wohl schon längst verfallen (u.a. weil es die Plattform vermutlich nicht mehr geben würde)… 😉
So, jetzt wird es aber Zeit, dass wir das Teil noch zum Laufen bekommen. Also nichts wie rein mit der Diskette ins Laufwerk (siehe Artikel 17). Jetzt heißt es beten, dass das Teil noch funktioniert!
Fun Fact: Um ehrlich zu sein war ich etwas beunruhigt, weil das Laufwerk etwas länger als gewöhnlich auf der Diskette rumgenudelt hat, aber am Ende hat er die Daten noch einwandfrei lesen können… Wahnsinn – ich sag nur 30 Jahre alt! 😉
Natürlich hat es mich auch interessiert, was sich in dem „EB.ARJ“-Archiv befindet. Gut, dass das alte ARJ-Format noch mit WinRAR geöffnet werden kann! 😀 So richtig klar ist mir nicht, wieso die Entwickler ein paar Dateien in ein Archiv gepackt haben – zumal es diese nur um ca. 7kB komprimiert!
Natürlich läuft das Spiel nicht mehr nativ unter einem 32- oder 64-Bit-Betriebssystem, da es für DOS konzipiert wurde. Abhilfe schafft hier die DosBox, ein tolles Stück Software zur Emulation eines DOS-kompatiblen Betriebssystems! 🙂
Nachdem wir das Verzeichnis als C:\-Laufwerk gemountet haben…
…kann die eigentliche Installation losgehen:
Wurden alle Dateien entpackt kann man mit einem kleinen Konfigurationsprogramm noch Grafik- und Soundeinstellungen anpassen. Tatsächlich kann die DosBox sogar einen Sound Blaster emulieren – so können wir den Sound in bester Qualität genießen! 🙂
Versucht man nun das Spiel (durch den Aufruf der EB.EXE) zu starten, bekommt man einen kryptischen Hinweis. Die doch recht wortkarge Dialogbox (mit zugegeben echt fetzigem Sound) erwartet von mir die Eingabe eines bestimmten Wortes aus dem Handbuch als Bestätigung, dass ich auch das originale Spiel erworben habe – Kopierschutz und so… 😉
Also gut, dann sehen wir halt schnell im Handbuch nach, was das fünfte Wort auf Seite acht im ersten Absatz ist: „mal“
Kaum eingegeben lässt uns das Spiel auch schon ins Hauptmenü:
Fun Fact: In diesem Fall hatte ich Glück und es hat beim ersten Mal funktioniert. Leider schlägt die Eingabe – auch wenn man das Handbuch besitzt und das korrekte Wort gefunden hat – manchmal fehl. Häufig ist das der Fall, wenn z.B. Umlaute in dem Wort vorhanden sind, oder wenn das Wort länger als 10 Zeichen ist. Ob das nun an der etwas brüchigen deutschen Übersetzung des polnischen Handbuchs oder an der unsauber programmierten Kopierschutzprüfung liegt kann ich nicht sagen. 😉
Einen Tastendruck auf die Leertaste (mir gefällt der Ausdruck „Spacebar“ besser – das hört sich so abgespaced an) später sind wir auch schon im Spielgeschehen. Man startet ohne Munition in einer Weltraumstation und ist auf das Hüpfen beschränkt. Jack besitzt zwar eine „Superwaffe“, kann diese jedoch zu Beginn nicht verwenden, weil ihm „Energie“ dafür fehlt. Über die kleinen (gelb-orangen blinkenden) Teleporter kann Jack auch unüberwindbar wirkende Abschnitte bewältigen und sich an verschiedene Orte teleportieren.
Natürlich kann unser Protagonist im Lauf des Spiels Energie für seine Schusswaffe (in Form von Batterien dargestellt) einsammeln. Je nachdem wie viele Upgrades man eingesammelt hat, ändert sich der Charakter der Projektile. Von Geschossen mit geringer Reichweite bis hin zu einem alles durchdringenden Strahl ist alles dabei.
Aber Vorsicht – die Munition ist begrenzt und bei jedem Tod sowie jeder Durchquerung eines „Jesus Points“ (Speicherpunkt) wird die Waffe wieder „auf null“ zurückgesetzt. Das ermutigt den Spieler taktisch und ggf. riskanter zu spielen. So muss man sich überlegen, ob man jetzt einen Speicherpunkt verwendet um auf Nummer sicher zu gehen, oder ob man die ausgebaute Waffe behalten möchte, den Speicherpunkt ignoriert (einfach drüber springt), dafür aber ein höheres Risiko eingeht im Falle eines Todes mehr Spielfortschritt zu verlieren – clever gemacht! 😉
Hintergrundmusik gibt es keine, dafür aber ein paar sehr prägnante Soundeffekte – z. B. wenn man ein paar Roboter abballert oder wenn diese selbst ihre Projektile verschießen. Mich erinnern die akustische Untermalung fast an ein Atari-Spiel (keine Musik dafür aber kernige Soundeffekte). Diese kommen erst so richtig zur Geltung, wenn man das Spiel mitten in der Nacht in einem dunklen Raum spielt! 😉
Fun Fact: Schon witzig – da legen sie extra eine Kassette mit dem Soundtrack bei, aber außer dem Titelthema kommen die anderen vier Stücke des Soundtracks gar nicht im Spiel vor! 😀
Ziel des Spiels ist es in jedem der insgesamt acht Level drei Interface-Module zu sammeln…
… welche den „Megaporter“ öffnen. Dieser teleportiert Jack in den nächsten Spielabschnitt.
Und so hüpft und ballert man sich von Level zu Level. Der Schwierigkeitsgrad steigt dabei moderat an. Es gibt einige knackige Stellen (gerade im dritten Level, der wie ein Labyrinth aufgebaut ist und in dem man teilweise große Strecken komplett ohne Munition zurücklaufen muss und dabei wenig Speicherpunkte zur Verfügung hat) aber für Fans des Genres sollte das kein Problem sein.
Die Meinungen über Electro Body gingen seinerzeit weit auseinander. Während PC Joker dem Spiel ein vernichtendes Urteil gab, waren die Kollegen der PC Games richtig begeistert. Eine eher gemischte Wertung gab es für das Spiel im PC Player Magazin. Mir persönlich gefällt Electro Body richtig gut und ich spiele es auch heute noch gerne. Mir gefällt besonders, dass „Hirn und Geschicklichkeit“ benötigt werden – eine Combo die man heutzutage in der Welt der Spiele nicht mehr ganz so oft antrifft! 😉
Fun Fact: Wer Lust auf das Spiel bekommen hat, kann es sogar kostenlos (und völlig legal) im Browser online ausprobieren! Die Entwickler haben das Spiel 2006 als Freeware zur Verfügung gestellt.
So, ich bin dann mal weg… Es gibt noch ein paar weitere Level in der Raumstation zu überstehen… In diesem Sinne – bis die Tage!