Seit einiger Zeit bin ich nun schon auf der Suche nach einem originellen Geschenk für eine Arbeitskollegin, welche bald ihren verdienten Ruhestand antritt.
Da sie früher selbst noch Lochkarten gestanzt hat und im IT-Bereich tätig ist, kam mir die ideale Idee: Eine gestanzte Lochkarte mit persönlicher Widmung! 🙂
Die Idee war da – soweit so gut. Jetzt der knifflige Teil: Wie macht man sowas? Leider ist mir kein Werkzeug bekannt, welches die schönen “IBM-typischen” rechteckigen Löcher in eine 80-stellige Lochkarte möglichst originalgetreu stanzen kann 🙁
Erste Versuche mit einem angeschliffenen Schraubenzieher lieferten prinzipiell gute Ergebnisse, leider war die Genauigkeit (gerade der Abstand zwischen den einzelnen Spalten) ein großes Problem. Die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Fehler “stanzt” war einfach zu groß und man müsste immer wieder nachschleifen.
Letztendlich blieb damit nur eine Lösung: Ein originaler elektromechanischer IBM Lochkartenlocher. Doch wo findet man sowas heutzutage noch außerhalb eines Museums? Leider kaum bis gar nicht. Selten wird ein Gerät auf eBay zu Mondpreisen (über 1.000€) angeboten – so viel ist mir die “Spielerei” dann doch nicht wert.
Tatsächlich scheint sich das Motto “wer suchet der findet” von Zeit zu Zeit zu behaupten! 🙂 In diesem Fall dauerte es mehrere Monate bis ich tatsächlich ein passendes Angebot gefunden hatte. Der Verkäufer erzählte mir er sei der Sohn eines ehemaligen IBM-Angestellten, welcher zum Ende der Lochkartenära das Gerät mit nach Hause genommen hatte. Nach einigem Hin- und Her (sowie einem netten Plausch über die gute alte Zeit) wurden wir uns einig und ich fuhr zu einer Oldtimershow wo die Übergabe stattfand. Lange Rede – kurzer Sinn:
Darf ich vorstellen? Eine IBM Type 011:
Der erste Eindruck ist soweit ganz gut. Das Teil braucht definitiv einiges an “Liebe”, der Zahn der Zeit hat natürlich seine Spuren hinterlassen, aber insgesamt ist nichts verbastelt oder notdürftig repariert. Und es ist fast vollständig, lediglich eine Taste fehlt. Das Baujahr lässt sich nur schwer erahnen – es gibt online kaum Infos darüber. Die Seite des Computer History Museums sagt dazu 1928, jedoch ist diese Angabe sehr ungenau, da erst 1928 die 80-stelligen Lochkarten von IBM etabliert wurden (vielen Dank an die Columbia University in New York).
Da ich es ganz genau wissen wollte, habe ich noch einige Anfragen an IBM-Museen in Übersee, England und good ol’ Germany gestartet. Leider konnte keine Institution ein exaktes Baujahr ermitteln, bzw. selbst die ältesten – noch nicht verstorbenen 😉 – Spezialisten der IBM konnten den Zeitraum nur auf 1928 – 1939, (ich zitiere “wahrscheinlich irgendwann vor dem 2. Weltkrieg”) eingrenzen. 😀
Auf der Suche nach weiteren Informationen war mir ein Mitarbeiter der IBM in England behilflich. Er verwies mich auf ein – in den (Un)tiefen des Internet verstecktes – “Service Manual” hin, welches einige interessante Informationen, Skizzen und Fehlerbeschreibungen enthält.
Aber wer hat schon Lust zu lesen, wenn er eine Maschine vor sich stehen hat? 😉 Also ran an den Speck: Bei einer ersten Erkundung des Geräts bin ich auf eine Plakette an der Vorderseite gestoßen:
Die “71” steht hierbei für den Ländercode von Deutschland (vielen Dank an die Spezialisten vom IBM-Labor in Hursley). Eine weitere Plakette auf der Unterseite verrät, dass das Gerät wohl ursprünglich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gebaut wurde:
Gut, dass ein europäisches Netzteil mit eigener Plakette dranhängt:
Ein kurzer Funktionstest ergab, dass sich da nicht mehr viel bewegen lässt. Scheint fast so als säße die Schiene, welche die einzelnen Spalten der Lochkarte rückwärts “abfahren” soll, fest:
Auch das beste Öl ist nach einigen Jahrzehnten nicht mehr flüssig 😀 Problem erkannt und beseitigt, Schiene – mit viel Geduld – gesäubert:
Der anschließende Funktionstest hat mich dann umgehauen: Tatsächlich ließen sich alle 80 Spalten einwandfrei stanzen und das Ergebnis kann sich echt sehen lassen! So dürfte die Erstellung der Karte für meine Kollegin kein Problem mehr sein 🙂
Hier noch ein Bild nach Abschluss der ersten Grundreinigung. Mit viel Geduld und dem richtigen Reiniger lässt sich da bestimmt noch einiges machen, aber da fehlt mir aktuell die Zeit. Die fehlende Taste wurde im Übrigen durch eine Mutter mit aufgesetzter Ventilkappe eines Autoventils ersetzt 😉
Bevor ich es vergesse: Bei dem Gerät war noch ein “Lochkartenhalter” mit einigen gestanzten und noch nicht gestanzten Lochkarten dabei – sexy 🙂 Am Boden waren die Initialen des Vaters des Verkäufers mit einem spitzen Gegenstand eingraviert – schönes Andenken aus einer anderen Zeit!
=> Vielleicht gibt es dazu irgendwann nochmal einen Artikel wenn ich das Ding komplett gereinigt und ein paar weiter Karten gestanzt habe… To be continued (?)…